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Trans Frauen, müsst ihr weiblichen Stereotypen entsprechen?

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe trans Frauen, 

habt ihr „Pose“ gesehen? Wahrscheinlich schon, aber ich will mir mal nicht anmaßen, davon auszugehen. Ich als cis Frau habe die Serie auf jeden Fall durchgesuchtet. Und ich liebe sie – aus vielen Gründen, vor allem aber wegen der starken Frauenfiguren. Sie sind alle trans – und proud. Sie kämpfen – dauerhaft – für ihre Rechte, gegen das Patriarchat, manchmal auch ganz kurz gegeneinander, meistens aber füreinander. Auffällig ist: Egal, was sie tun, sie sind fast alle umwerfend gestylt. Nichts an ihrer Erscheinung ist dem Zufall überlassen, jedes kleinste Detail ist kuratiert, super feminin und super sexy. Die Haare sitzen, das Make-up hat Glamour, die Schuhe sind hoch, die Fingernägel manikürt. 

Das ist natürlich bei vielen Frauenfiguren in Filmen und Serien so. In „Pose“ klingt aber immer wieder an, dass das perfekte Auftreten der Protagonistinnen auch einem Druck entspringt – dem Druck, so viel explizites Frau-sein wie möglich schon über das Äußere zu transportieren, um in der Gesellschaft auch wirklich zu bestehen. 

Steht ihr unter Druck, besonders dem Klischee zu entsprechen, das die Gesellschaft von uns Frauen gezimmert hat?

Ich habe als cis Frau wie wohl alle cis Menschen das Glück, nie in meiner geschlechtlichen Identität angezweifelt zu werden, egal, ob ich Lippenstift und hohe Schuhe trage oder ungeschminkt im weiten Sweatshirt einkaufen gehe. Bei den Frauen in „Pose“ ist das anders. Sie werden in ihrer Identität immer wieder angezweifelt und angefeindet. Und kleiden und stylen sich auch deshalb sehr feminin. Ich als cis Frau frage mich, wie viel Wahrheit in „Pose“ auch für das Leben von euch trans Frauen im Jahr 2020 steckt. In ihrer Instagram-Story sagte neulich eine Bekannte von mir, die trans ist: „Auch trans Frauen können Anzüge tragen, es müssen nicht immer Kleider sein.“ Natürlich sah sie im Anzug umwerfend aus, wie übrigens sonst auch immer. Anscheinend wird ihr von cis Menschen oder der Gesellschaft ganz allgemein aber suggeriert, dass sich das für sie nicht gehöre. 

Steht ihr unter Druck, besonders dem Klischee zu entsprechen, das die Gesellschaft von uns Frauen gezimmert hat? Zu dem rasierte Beine gehören, lange Haare, lackierte Fingernägel und figurbetonte Kleidung? Müsst ihr viel mehr beweisen, dass ihr wirklich Frauen seid? Schützt euch ein extra weibliches Aussehen auch davor, Gewalt zu erleben – weil ihr von transfeindlichen Menschen dann vielleicht weniger als trans Personen erkannt werdet? Wenn ihr „passt“, wie es im Englischen heißt, das bedeutet, dass ihr also nicht als trans Personen identifiziert sondern für cis gehalten werdet? 

Und was macht dieser Druck mit euch? In welchen Momenten ist er besonders schlimm? Wer und was setzt euch besonders zu – und was können cis Menschen tun, um euch beizustehen? 

Alles Liebe

Eure cis Frauen 

Die Antwort:

Liebe cis Frauen,

ja, natürlich habe ich „Pose“ gesehen. Und ich muss euch leider sagen, dass vieles, was in der Serie thematisiert wird, auch heute noch der Realität entspricht. In den vergangenen Jahren hat sich zwar schon sehr viel getan, was die Akzeptanz von trans* Personen angeht. Dennoch muss man sich als trans Frau auch heutzutage noch ziemlich viel gefallen lassen. Es ist ein Problem, dass man es gefühlt niemandem Recht machen kann. Mir wurde schon gesagt, ich müsse mich anders kleiden, wenn ich wirklich Frau sein möchte. Und ebenso, dass ich durch meine Femininität weibliche Stereotype reproduzieren würde. Mit zweiterem Vorwurf lässt sich viel besser umgehen. Denn da wird mir zumindest nicht mein Geschlecht abgesprochen.

Feminität ist ein Schutzfaktor für uns

Hier liegt nämlich das Problem. Trans Frauen werden von den meisten Menschen nicht als echte Frauen wahrgenommen. Viele sehen uns als Männer, die Frauen sein wollen, und nicht als Frauen, die eben trans sind. Unser Geschlecht wird als unnatürlich und aufgesetzt angesehen. Dabei fühlt es sich für mich sehr natürlich an, Frau zu sein. Wie du schon richtig dargestellt hast, haben cis Frauen da ganz klar ein Privileg. Ihr könnt tragen, was ihr wollt, tun, was ihr wollt und euch verhalten, wie ihr wollt. Ihr bleibt Frauen. Ich bleibe auch eine Frau, aber viele werden mir mein Frau-sein absprechen, wenn ich mich nicht so verhalte, wie es die Gesellschaft von einer Frau erwartet. Dadurch wird Feminität zu einem Schutzfaktor.

querfrage transfrau text

Unsere Autorin Anouk ist angehende Pädagogin und setzt sich in ihrer Freizeit für trans* Rechte ein. Auf Instagram (@Anouk11.2) informiert und bildet sie zu Missständen rund ums Thema trans*.

Foto: Privat

Vor allem zu Beginn der Transition verspüren viele trans Frauen den Druck, möglichst feminin zu sein. Am Anfang meiner Transition habe ich nie die Wohnung verlassen, ohne komplett geschminkt zu sein. Ich weiß gar nicht, woher ich damals die Energie nahm, jeden Morgen so viel früher aufzustehen. Immer, wenn ich nicht komplett zufrieden mit meinem Aussehen war, hatte ich das Gefühl, mich würden alle Menschen anstarren und fühlte mich so unwohl.

Es bleibt vielen trans Frauen also nichts anderes übrig, als diesem Stereotyp einer Frau zu entsprechen

Mittlerweile ist es anders. Ich bin selten komplett geschminkt, sondern mache meist nur meine Augenbrauen, einen Lidstrich und trage Mascara. An einigen Tagen bin ich auch gar nicht geschminkt. Auch, was Kleidung betrifft, bin ich offener geworden und trage nicht nur noch Röcke und Kleider. Die negativen Gedanken, die ich damals deshalb immer hatte, habe ich jetzt fast gar nicht mehr. Das hängt damit zusammen, dass ich viel selbstbewusster bin. Aber auch einfach daran, dass ich jetzt besser „passe“. Passing macht vieles einfacher, es nimmt viel Druck, aber vor allem gibt es im Alltag Sicherheit. Sicherheit, die ich mir am Anfang meiner Transition hart erarbeiten musste, unter anderem durch sehr feminines Auftreten. Dieses Privileg hat aber auch nicht jede trans Frau. Ob man irgendwann „passt“, hängt damit zusammen, wie gut man in das weiße Schönheitsideal einer Frau passt. Schwarze Frauen, Frauen of Color, mehrgewichtige Frauen, behinderte Frauen oder Frauen, die ihre Transition später im Leben begonnen haben, haben dieses Privileg oft nicht.

Es bleibt vielen trans Frauen also nichts anderes übrig, als diesem Stereotyp einer Frau zu entsprechen, damit sie sich nicht dauernd für ihr Geschlecht rechtfertigen müssen und sich in der Öffentlichkeit vor Anfeindungen fürchten müssen. Deshalb halten sich viele trans Frauen nur in Räumen auf, die für trans* Personen gemacht sind. Wirklich wohl konnte ich mich lange Zeit nur dort oder bei meinen Freund*innen fühlen. Ich habe mir andauernd den Kopf darüber zerbrochen, wie Leute mich wahrnehmen und mache es manchmal immer noch. Ich dachte lange darüber nach, wie ich mich kleidete, wie ich sprach, wie ich mich bewegte und was ich tat. Ich verfiel in die Denkmuster meiner Feind*innen. Ich analysierte alles Mögliche an mir und versuchte, alles, was auch nur im Ansatz maskulin erschien, von mir abzuwenden. Das macht dieser Druck dieser Gesellschaft mit uns. Man bekommt das Gefühl, alles dafür tun zu müssen, um als Frau akzeptiert zu werden.

Unser Geschlecht sollte nicht an Bedingungen geknüpft sein

Trans Frauen sind Frauen. In den Köpfen vieler Menschen kommt dahinter aber noch ein „aber nur, wenn sie auch meinem Bild von Weiblichkeit entsprechen, passen und attraktiv sind“. Dabei sollte unser Geschlecht nicht an Bedingungen geknüpft sein. Trans Frauen sind Frauen, egal wie feminin oder maskulin sie sind, egal, was sie tragen, egal ob sie unrasiert sind, es lieben sich zu schminken oder das gar nichts für sie ist.

Leider sind wir da auch im Jahr 2020 noch nicht. Aber was ihr, liebe cis Frauen, dafür tun könnt, ist aktiv daran zu arbeiten, wie ihr trans* Personen wahrnehmt und über sie denkt. Nehmt ihr uns wirklich als das wahr, was wir sind? Hat in eurem Kopf jede Frau Brüste und eine Vulva? Jeder Mann eine tiefe Stimme und Körperbehaarung? Existieren nicht-binäre Menschen in eurem Verständnis von Geschlecht? Denkt ihr uns trans Frauen mit, wenn ihr über Frauen redet, oder erwähnt ihr uns nur, wenn es mal passt, um als reflektiert dazustehen? Bezieht ihr uns in eure Kämpfe ein oder redet ihr nur über uns?

Reflektiert euer Denken und Handeln, wenn es um trans* Personen und Geschlechter geht und informiert eure cisgeschlechtlichen Freund*innen. 

Eure trans Frauen

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