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Frauen, träumt ihr heimlich davon, euch vom Job ins Muttersein zu flüchten?

Spielplatz statt Laptop?
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe Frauen,

mal Hand aufs Herz: Unser Dasein als moderne Menschen in einer liberalen, digitalisierten Welt ist doch auch nicht das Wahre. So unübersichtlich! So ermüdend! Die ganze Zeit muss man performen und sich selbst und anderen vorgaukeln, dass man Ahnung hat, alles im Griff und natürlich maßlos begeistert ist von dem, was man tut. Und wofür genau nochmal? Selbstverwirklichung? Ha!

Und jetzt stellt euch vor, wie ihr bei Vogelzwitschern in einem Garten sitzt, bei selbstgemachtem Rhabarberkuchen und Ingwertee und mit guten Freundinnen über Rhabarberkuchenrezepte plaudert. Jede mit einem quiekenden Bündel im Arm. Und jede von euch hat so ein seliges Lächeln auf den Lippen, wenn ihr hinunter schaut zu diesem warmen, weichen Wesen, das euch mit großen Augen voller bedingungsloser Liebe anguckt. Und ihr wisst: Euer Leben hat Sinn. Arbeit und Konkurrenzkampf? Völlig egal, ganz weit weg, interessiert euch nicht mehr. 

Jaja, schon klar, Muttersein beinhaltet mehr als Duzi-duzi, Knuddel-knuddel und ab und zu die Brust geben. Aber blendet ihr das manchmal heimlich aus und spielt mit der Idee, einfach das Kondom wegzulassen, um der Arbeits- und Karrierewelt zu entkommen? 

Hat man als Mutter nicht immerhin eine klar definierte Aufgabe?

Es mag zynisch sein, aber uns Männern kommt diese Option der Mutterschaft manchmal vor wie ein Joker, den ihr immer in der Hinterhand habt. Wir könnten natürlich auch selbst ein Papa- und Hausmann-Leben führen, aber anders als bei euch, mit Schwangerschaft, Geburt, Mutterschutz etc. fehlt uns da –zumindest gefühlt – deutlich mehr Legitimation. Abgesehen vom immer noch sehr präsenten Bild des Mannes als Versorger, der abliefern muss.

Also, wenn es auch nur in den allerdüstersten Momenten von Überarbeitung und Überforderung ist: Wollt ihr euch manchmal ins Muttersein flüchten? Denn bei allen Einschränkungen, bei allem Stress, Schmerz und Verzicht, den ein Kind mit sich bringt – hat man als Mutter nicht immerhin eine klar definierte Aufgabe? Eine Aufgabe, die in unserer Vorstellung als kinderlose Männer auch wirklich zu bewältigen ist, anders als das nie endende Hinterherhecheln hinter irgendwelchen vagen beruflichen Zielen, von denen man glaubt, sie würden einen zu einem kompletteren Menschen machen? Bevor sie euch eh von einem lauten, selbstverliebten Mann vor der Nase weggeschnappt werden? Oder wäre das Ausspielen dieses Jokers für euch die ultimative Selbstaufgabe?

Duzi-duzi,

eure Männer  

Die Antwort:

Liebe Männer, 

neulich ging ich mit einer Freundin spazieren. Wir sprachen über Kurzarbeit, Personalmangel, Überstundenabbau. „Und wenn wir jetzt einfach beide schwanger werden würden?“, fragte sie plötzlich. Und malte sich aus, wie wir gemeinsam auf dem Spielplatz sitzen könnten, zum Schwangerschaftsyoga gehen, Krabbelgruppen gründen. Es stimmt: Wenn sich nachts im Kopf die Termine, Deadlines und Konferenzen des nächsten Tages türmen, ist die Vorstellung, in den Mutterschutz und die Elternzeit zu verschwinden, manchmal verlockend – zumindest für diejenigen, die sich grundsätzlich ein Kind wünschen. Und ich habe auch Freundinnen, die in den vergangenen Monaten nicht allein deswegen schwanger wurden, weil sie mal eine Pause von ihrem Job haben wollten – aber zumindest auch deswegen. Meine Freundin und ich allerdings beließen es bei ein paar träumerisch ausgemalten Sätzen und verhüten weiterhin sehr sorgfältig. Dass Arbeitsflucht durch Schwangerschaft keine Option ist, wissen wir beide.  

Denn zur Wahrheit gehört ja auch alles, was ihr in eurer Frage schon anklingen lasst: Kinder sind nicht „eine Aufgabe“, die leichter zu bewältigen ist als das, was man im Job jeden Tag so machen muss. Ein Baby, das ist nicht irgendein Herzens-Projekt, für das man die eine oder andere Nachtschicht einlegt – es ist ein Mensch, der uns zum Überleben braucht. Ein Baby bringt nie endende Aufgaben mit sich. Und sehr viel Schlafmangel. Schon vor der Geburt ist ja jede Menge zu tun: Elterngeld, Elternzeit, Hebammen-Suche, die Auswahl eines Kranken- oder Geburtshauses. All die Entscheidungen: Welcher Kinderwagen? Brauche ich einen Geburtsvorbereitungskurs? Wie sinnvoll ist Schwangerschaftsyoga? Will ich all die Babyklamotten, die meine Cousine mir schenken will? Und wie sage ich ihr möglichst schonend, dass nicht? Die Liste ist endlos lang. 

Und da ist das Kind ja noch nichtmal da. 

Die Verantwortung ist eine viel größere als jede, die wir im Job haben

Klar, manchmal bin ich neidisch auf die Frauen in meinem Umfeld, die derzeit keine Lohnarbeit leisten und sich Vollzeit um ihr Kind kümmern. Die keine Kolleg:innen haben, die ihnen Druck machen, keine Sorge haben um Deadlines, die nur ein bisschen mitleidig seufzen, wenn Freund:innen ihnen von Überstunden erzählen. Dann aber fällt mir sehr schnell wieder ein, dass ihre Verantwortung eine viel größere ist als jede, die wir im Job so haben. Ihr Kopf ist voller To-Do-Listen und Sorgen. Die wenigsten von ihnen können in Ruhe eine einminütige Sprachnachricht aufnehmen, nicht in Ruhe duschen und schon gar nicht entspannt einen Kuchen backen.

Wenn ich sehe, wie erschöpft meine Freundinnen mit Kind oft sind, dann habe ich nur sehr, sehr großen Respekt. Ich weiß, dass sie oft genug auch ein bisschen neidisch auf mich sind und darauf, dass ich wenigstens durchschlafen kann. Zur Wahrheit gehört außerdem, dass die wenigsten Frauen lange sorglos in Vollzeit Mutter sind – viele fangen sehr früh an, wieder übers Arbeiten nachzudenken. Und haben Sorge, zu versagen. 

Mit Duzi-duzi ist es nicht getan. Und diese romantischen Kuchen-Runden, die ihr in eurer Frage beschreibt, gibt es meiner Erfahrung nach eher selten. Viel wahrscheinlicher ist, dass ein Kind kränkelt, das nächste Hunger hat und das dritte gerade zahnt – das Bündel im Arm also nicht niedlich quiekt, sondern quengelt. 

So schwirrt die Vorstellung von der Jobflucht qua Schwangerschaft zwar schon immer mal durch unsere Köpfe. Umgesetzt wird sie aber nur von Frauen, die wirklich einen großen und vor allem akuten Kinderwunsch haben. Alle anderen beißen in stressigen Phasen die Zähne zusammen, erinnern sich an das, was sie an ihrem Job mögen – und verhüten weiterhin.

Cheers

Eure Frauen 

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