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Männer, welche Bedeutung haben Männermagazine für euch?

„Mädchen“-Magazine brachten jungen Frauen bei, sich nicht nur an makellosen Models zu messen, sondern auch am Urteil der Jungs.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe Männer,

wenn ich darüber nachdenke, für welchen Lesestoff ich als Teenie Geld ausgegeben habe, wird der Feministin in mir sehr übel. Und das geht nicht nur mir so. So ziemlich alle Frauen in meinem Umfeld haben, sporadisch oder regelmäßig, Zeitschriften wie Bravo Girl oder Mädchen gelesen. Bei denen, die stylemäßig schon etwas weiter waren, waren es die Glamour, die Jolie oder die Joy

Den meisten von uns war damals schon klar, dass das Idealbild einer Frau, das all diese Hefte vermittelten – dünn, sportlich, sexy, makellose Haut, immer gut drauf und top gestylt – irgendwie problematisch und unrealistisch war. Aber das hielt uns nicht davon ab, darin nach Orientierung zu suchen. Vielleicht würde man dank der Styling-Tipps aus der Glamour wenigstens einmal so viel Aufmerksamkeit bekommen wie die „Plastics“-Clique aus der Parallelklasse. Und vielleicht wäre der Flirt-Ratgeber in der nächsten Mädchen ja der Schlüssel zum Herz von Peter aus der Schulband. (Ich erinnere mich zum Beispiel an den Tipp, eine Haarsträhne zwischen den Fingern zu zwirbeln, während man dem „Boy“ aufmerksam zuhört. Würg.)

Wir können uns nicht so recht mit unserer Teenie-Lektüre versöhnen

„Mädchen“-Magazine waren unser Influencerinnen-Ersatz. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass es unter den Influencerinnen von heute auch sehr empowernde, feministische Beispiele gibt. Die „Wer trägt’s besser-“, Beauty- und Diät-Seiten (gerne auch direkt neben einem Aufruf zur Selbstliebe) waren dagegen reines Gift für ein gesundes Selbstwertgefühl. Und das ist als Teenie ohnehin schwer zu erreichen. Ganz nebenbei brachten uns diese Magazine bei, uns nicht nur an makellosen Models zu messen, sondern auch an eurem Urteil. Bei einigen von uns trugen sie so sogar zu Essstörungen bei.

Ihr seht also: Wir können uns nicht so recht mit unserer Teenie-Lektüre versöhnen, sie nicht einfach als „Guilty Pleasure“ abtun – dafür haben sie uns zu stark geprägt. Aber wie ist das bei euch? Welche Magazine haben euch beim Erwachsenwerden begleitet? Und haben sie euch rückblickend auch problematische Männerbilder mitgegeben? Spontan fällt uns nämlich kein vergleichbares Heft für Jungs und Männer ein, die zu jung für die GQ oder die Men’s Health sind. Und der Playboy ist ja noch mal eine Kategorie für sich, oder?

Erzählt doch mal, was ihr so aus dem Eastpak gezogen habt – und was das mit euch gemacht hat. Wir werden gespannt lauschen und an unseren Haaren zwirbeln.

Eure Glamour-Girls

 

Die Antwort:  

Liebe Frauen,

ich würde gerne sagen, dass ich als 13-Jähriger schon diese zwei sehr wahren Sätze der US-Journalistin Mary Schmich gekannt hätte:

„Do not read beauty magazines. They will only make you feel ugly.“

Sie hatte sie 1997 in dem zeitlos weisen und warmherzigen Text „Advice, like youth, probably just wasted on the young“ geschrieben, der sich vor allem an junge Menschen richtet und den viele durch dieses Lied hier kennen (bitte klicken, falls nicht. Ernsthaft jetzt!).

Hab ich aber leider nicht, sondern erst viele Jahre später.

Also, zurück zu deiner Frage: Bravo Girl oder Mädchen oder Glamour waren für uns Jungs damals nur seltsame Kopien der Bravo selbst, die alleine schon aufgrund ihrer Titel nicht für uns infrage kamen. In der Bravo war ja ohnehin der real shit zu lesen: Welches Spice Girl welchen Namen trägt und warum. Oder dass Leo wieder seine Oma in Deutschland besucht hat, inklusive Bild in piefigem Treppenhaus. Und in der man Brüste und Penisse sehen konnte und erfuhr, was Petting und Heavy Petting sind. Begriffe, die außerhalb des Bravo-Magazins im Grunde niemals existierten.

Wir wurden von dem ganzen Flirt- und Styling- und Boys-Schrott, der vielleicht ja nur dazu da war, künftige, an sich selbst zweifelnde Konsumentinnen von sogenannten Schönheitsprodukten heranzuziehen, verschont. Warum, weiß ich nicht, könnte ich nur spekulieren. Vielleicht lag es daran, dass man Jungs in einer von Männern geprägten Schönheitsindustrie noch nicht als Zielgruppe erkannte? Keine Ahnung. Natürlich kamen auch bei uns später Magazine wie zum Beispiel die FHM dazu, die unser Bild von Frauen mit Sicherheit gefährlich falsch mitgeprägt haben. Wie du schreibst: dünn, sportlich, sexy, makellose Haut, immer gut drauf und top gestylt. So sahen die Frauen aus in diesen Hochglanz-Wix-Heftchen. 

Insofern waren wir sicher auch Opfer der lüsternen Vorstellungen irgendwelcher Redakteure und Fotografen, wie eine perfekte Frau sein zu hat. Und ich wage mal zu behaupten, dass einige (junge) Männer auch deshalb mit diesem nagenden und brutal egoistischen Gefühl leben müssen, dass da draußen immer noch eine bessere Frau auf sie warten würde. Das ist nicht schön. Für Frauen nicht, für Männer nicht. 

Aber die meisten von uns Jungs hatten, denke ich, einfach Glück, nicht zu solchen Heavy-Userinnen gemacht worden zu sein, die ihr oft wart. Ich erinnere mich auch an niemanden, der die FHM oder später die GQ oder dergleichen häufiger zuhause gehabt,  geschweige denn ein Abo besessen hätte. Auch nicht wegen der „tollen Reportagen“ darin.

Ich persönlich hatte neben einer FHM genau einen Playboy daheim, gut versteckt zwischen meinen Schulsachen, damit meine Eltern ihn nicht finden. Auf seinem Cover war die unfassbar schöne Eiskunstläuferin Katarina Witt zu sehen. Eine Frau, in die damals alle heterosexuellen Jungs verliebt waren. Ich hatte ihn nicht gekauft, das wäre mir viel zu peinlich gewesen. Sondern bei der Friseurin geklaut, wo er als Lektüre auslag. Tat mir auch nie leid, sie hatte mir damals immer so eine grauslich-gockelhafte Top-Gun-Frise verpasst. 

Diese Branche ist klüger und gerissener darin geworden ist, Zweifel zu wecken und Begierden und Verlangen künstlich zu erzeugen

Jedenfalls behaupte ich, dass jemand, der mit 15 nicht solches Hochglanz-Lifestyle-Ratgeber-Brüste-Zeugs liest, auch in der Regel mit Mitte 20 nicht mehr anfängt. Vielleicht kauft man sich am Bahnhof im Vorbeigehen mal eine Mens`s Health, weil man gerade denkt, der Bizeps könnte größer sein, aber die landet dann auch irgendwann ganz unten im Hefte-Stapel.

Auf Instagram mag das Ganze schon wieder anders aussehen, aber da bin ich raus, weil ich mich möglichst von allen Insta-Menschen fernhalte, die in mir das Gefühl erzeugen, nicht xy genug zu sein (hier bitte beliebiges Adjektiv einfügen, z.B. fleißig, schön, blessed). Ich vermute, dass diese Branche klüger und gerissener darin geworden ist, Zweifel zu wecken und Begierden und Verlangen künstlich zu erzeugen – um damit den Absatz von Produkten zu steigern, die genau diese vermeintlichen Defizite beseitigen sollen. Empowernde Influencer*innen hin oder her (Bekommt man bei empowernden Inluencer*innen auch manchmal das Gefühl, selber nicht empowernd genug zu sein?).

Das war übrigens auch immer mal wieder in der Neon der Fall, an die sich sicher viele noch erinnern. Das Magazin lag Ende der 2000er auf jedem WG-Klo und war eine Zeit lang das kondensierte Gefühl einer Generation, quasi geschrieben vom „großen coolen Bruder“ oder der „großen coolen Schwester“, die man selber nie hatte. Aber auch dort wurde in einem immer wieder mal der Eindruck geweckt, vielleicht nicht so cool oder so clever oder so lustig zu sein, wie die Leute, von denen man laß  (Transparenzhinweis: Ich war selber mal Teil einer solchen Geschichte). Immerhin wurde dabei nicht nur ein Geschlecht angesprochen und auch sonst fand man in der Neon eher selten üble Klischees.

Problematische Männer- und auch Frauenbilder haben wir also in unserer Jugend schon mitbekommen – aber ganz anders als ihr. Euch wurde erklärt, wie ihr zu sein habt. Uns wurde vor allem erklärt, wie Frauen zu sein haben. 

Vielleicht können wir künftigen Generationen den Spruch von Mary Schmich mitgeben, aber ein bisschen ans digitale Zeitalter angepasst: Folgt keinen Beauty- und Fitness-Influencer*innen, deren wahres Gesicht ihr vor lauter Filtern und Werbekooperationen eh nicht mehr erkennen könnt. Die meisten vermitteln ein problematisches Selbstbild, auch wenn sie manchmal das Gegenteil behaupten. Das gilt für alle Geschlechter. 

Eure Männer 

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