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Männer, redet ihr wirklich so offen übers Masturbieren?

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe Männer,

übers Masturbieren haben wir schon häufig gesprochen an dieser Stelle. Darüber, an was Frauen beim Masturbieren denken, über Sextoys für Männer und darüber, wieso Frauen beim Solosex oft besser kommen. Darauf, dass wir es alle tun, haben wir uns also mittlerweile geeinigt. Und das ist auch sehr gut so. Was mich schon länger umtreibt, ist etwas anderes: Es wird immer so getan, als ob ihr Männer seit dem Teenager-Alter auch ganz lässig miteinander darüber sprecht, dass ihr es tut, wie oft ihr es tut, wie ihr es tut. Wie es am besten ist. 

„Jungs stehen schon mit 13 Jahren auf dem Schulhof zusammen und reden über Onanie, Pornos, Sex – ganz offen; sie sind da gemeinschaftlich unterwegs. Mädchen reden nicht über das Masturbieren, sie sind da weniger offen“, sagte kürzlich auch eine Sexualtherapeutin gegenüber dem RND. Ist das wirklich so?

Ich spreche mit Freundinnen über Sex, aber nicht über Solosex

Ich persönlich habe das genau ein Mal mitbekommen, nämlich in der achten Klasse. Wir standen in einer Gruppe zusammen, drei Jungs und ein paar Mädels. Einer der Jungs erzählte, wie praktisch es sei, sich unter der Dusche zu befriedigen: Dann kann man das Sperma gleich wegspülen. Die anderen Jungs: zustimmendes Nicken, verständnisvolles Grinsen. An die Reaktion der Mädchen erinnere ich mich nicht mehr, falls sie überhaupt existent war. Dabei hätte die ein oder andere von uns sicher auch was zum Thema beitragen können. Stichwort: Masturbieren mit dem Duschstrahl. Haben wir aber nicht. Und daran hat sich bis heute nicht so arg viel geändert. 

Ich rede mit Frauen über Sex, ja. Wir besprechen, was wir mit anderen Menschen im Bett tun und wie wir das finden. Worüber wir nicht sprechen: das, was wir mit uns selbst tun, und mit was. Ich habe schon wahnsinnig viele journalistische Texte über Sextoys gelesen und auf Instagram Illustrationen gesehen, die die weibliche Masturbation enttabuisieren wollen. Aber bisher von keiner engen Freundin mal gehört: „Ich hab gestern diesen einen neuen Dildo ausprobiert, der gerade überall angepriesen wird. Und der war der Hammer.“ Eine Mini-Umfrage in meinem weiblichen Umfeld zeigt: Es geht sehr vielen Frauen so.

Also: Ist das bei euch wirklich anders? Gebt ihr euch gegenseitig Tipps in punkto Selbstbefriedigung?  Und falls ja: Verratet ihr uns bitte euren Trick? Damit wir, die wir uns doch eigentlich für aufgeklärt und emanzipiert halten, auch in diesem Bereich ein bisschen weniger gschamig miteinander sind? 

Das wär nett. 

Eure Frauen 

Die Antwort:  

Liebe Frauen, 

WAS?! IHR MASTURBIERT?! Mein ganzes Weltbild … Nein, Quatsch. Wobei ich sagen muss, dass ich es mit Anfang Zwanzig tatsächlich noch für ein Gerücht gehalten habe, dass Frauen ebenso gerne masturbieren wie Männer. Und noch mit Mitte Zwanzig erzählte mir meine damalige Freundin, sie würde sich nicht selbst befriedigen – wie sich später herausstellte, hatte sie mich angelogen. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern schlicht und einfach, weil sie sich geschämt hatte. Sie dachte, Selbstbefriedigung gehöre sich für Frauen nicht.

Und deshalb verrate ich gleich zu Beginn des Textes den Trick, den wir Männer haben. Der ist nämlich super simpel: Ihr müsst einfach in eine Gesellschaft hineingeboren werden, in der eure Sexualität nicht problematisiert wird und in der euch von klein auf, im Sexualkundeunterricht, in Aufklärungsvideos und -büchern, in Filmen und Serien, in der Werbung erklärt wird: Es ist ganz normal, wenn ihr masturbiert und eure Körper selbst erkundet. Auch, wenn ich nicht für alle sprechen kann: Zumindest ich habe die Erfahrung gemacht, dass Jungs und Männer ganz natürlich über Selbstbefriedigung sprechen.

Schullandheime waren in der Pubertät ein Intensivkurs in Sachen Masturbation

Dass sich 13-jährige Jungs in der Pubertät vor Mädchen über das Onanieren unterhalten, zeigt, wie unfassbar sicher sie sich sind, dass es okay oder sogar cool ist, zu masturbieren. Bei uns in der Klasse fing alles so an: In der sechsten Klasse hatten wir einen neuen Mitschüler, der durchgefallen war. Er war älter, somit automatisch cooler, hatte die Welt schon verstanden und – das Allerkrasseste – er hatte schon seinen ersten Samenerguss. Ich weiß noch, wie wir im Sportunterricht saßen und gebannt an seinen Lippen hingen, als er uns erzählte, was man machen muss, um einen Orgasmus zu kriegen. Danach beantwortete er Fragen. „Nein, zu fest drücken ist nicht so gut“, „Ja, im Otto-Katalog kann man Bilder von Frauen in BHs sehen“, „Nein, wenn ganz viel durchsichtig-gelbe Flüssigkeit rauskam, als du gebadet und dir einen runtergeholt hast, war das wahrscheinlich kein Sperma, du hast einfach in die Wanne gepisst.“ 

Wir hatten unter uns Jungs keine Scham zu fragen, wenn wir etwas nicht wussten und noch weniger Scham zu erzählen, wenn wir selbst an uns etwas Neues, in unseren Augen Weltveränderndes, herausgefunden hatten. Es wurde damit geprahlt, wer an einem Tag am häufigsten masturbieren konnte und beglückwünscht, wenn jemand seinen ersten Samenerguss hatte. Schullandheime waren in der Pubertät ein Intensivkurs in Sachen Masturbation. Es wurden Playboys und Maxims getauscht, verschenkt, verliehen und nicht selten hörte man nachts eindeutige Geräusche aus den anderen Betten. Wir wussten, dass wir alle dasselbe Schicksal teilen (nämlich durchgehend an Sex zu denken) und versuchten, uns gegenseitig so gut wie möglich zu unterstützen. Aus den Playboyheften wurden im Laufe der Jahre explizitere Magazine, irgendwann kam ein Junge auf eine LAN-Party und hatte die Festplatte voller Pornos, die er erst allen zeigte und später verteilte. Irgendwann reichten Links zu Seiten wie YouPorn und Co. Aber wir haben auch darüber geredet, dass es nicht unbedingt cool ist, sich in der Dusche einen runterzuholen. Denn diese Dusche benutzen ja auch Geschwister und Eltern. 

Das Geheimnis ist, dass uns niemand je gesagt hat, dass wir uns fürs Masturbieren schämen sollen

Noch heute tausche ich mich mit Freunden relativ ungehemmt über Masturbation aus. Doch die Gespräche sind – zum Glück – deutlich weniger pubertär als früher. Es geht mittlerweile um Selbstreflexion, darum, was an Pornographie auch schlecht ist, welches Frauen- und Männerbild dabei teilweise vermittelt wird, um feministische Pornos, darum, ob man zwei Mal oder sieben Mal die Woche masturbiert, ob man dabei liegt, steht oder sitzt, um die kleinen Sonderlichkeiten und Vorlieben, die jeder in seinem Leben entwickelt hat und – man wird ja älter – um gesundheitliche Probleme. 

Es ist also so: Das Geheimnis ist, dass uns niemand je gesagt hat, dass wir uns fürs Masturbieren schämen sollen. Deswegen mussten wir uns nie von irgendetwas befreien. Mir hat es in jedem Alter bisher wirklich geholfen, mit anderen über Masturbation zu reden und mittlerweile sind die Menschen, mit denen ich darüber spreche, zum Glück nicht mehr nur männlich. 

Mit klebrigen Grüßen

Eure Männer

Unsere beiden Autor*innen wollen nicht, dass Menschen beim Lesen dieses Textes darüber nachdenken, wie oft die Autor*innen wohl masturbieren und welche Sextoys sie verwenden. Deswegen bleiben sie lieber anonym, sind der Redaktion aber bekannt.

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