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Tampon-Nutzende, ist euch das Klima nicht so wichtig?

Sind Tamponnutzerinnen zu bequem, sich umzustellen und die Umwelt zu schützen? Oder gibt es andere Gründe gegen Menstruationstasse und Co.?
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe andere Menstruierende,

der Markt der nachhaltigen Menstruationsprodukte ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Menstruationstassen, Periodenunterwäsche und waschbare Binden bekommt man mittlerweile in jeder Drogerie – trotzdem halten so viele Frauen an den altbewährten Tampons fest. Wieso eigentlich? Klar, als viele von uns das erste Mal unsere Periode bekommen haben, gab es kaum Alternativen. Doch heute sprudeln aus allen Ecken des Internets Erfahrungsberichte über Menstruationstassen und Co hervor. Ich habe selbst neun Jahre lang Tampons benutzt, vor einem Jahr bin ich dann auf die Menstruationstasse umgestiegen. Und darüber bin ich sehr froh. 

Zum einen war ich einfach neugierig, zum anderen war für mich auch der Nachhaltigkeitsaspekt entscheidend. Mehr als zwölftausend Tampons und Binden verbraucht eine Frau durchschnittlich in ihrem Leben, wie der Plastic Atlas 2019 herausfand. Die Müllberge, die dadurch verursacht werden, sind immens, ganz zu schweigen von den CO2-Emissionen, die durch die Produktion der Artikel entstehen. Ich weiß zwar: Tampons sind super praktisch und leicht zu verwenden und man muss sie weder waschen noch auskochen. Und nun können wir ja wirklich nichts dafür, dass wir menstruieren, aber wir haben heute so gute Alternativen, dass es nicht schwer wäre, Emissionen und Müll zu vermeiden. 

Die Menstruationstasse erfordert natürlich etwas mehr Übung, aber auch das hat man nach ein paar Zyklen raus. Abgesehen davon muss man sie seltener wechseln, da sie mehr Flüssigkeit fassen kann. Ein durchschnittlich großer Tampon fasst neun bis zwölf Milliliter Blut, die Tasse dagegen kann meist mindestens doppelt so viel auffangen. Nach spätestens acht bis zwölf Stunden sollte sie übrigens trotzdem gewechselt werden.

Nachhaltig und günstig – was wollen Menstruierende mehr? 

Auch finanziell lohnt sich eine Menstruationstasse. Für das Geld, das ich für meine Menstruationstasse ausgegeben habe, hätte ich mir etwa fünf normale Packungen Tampons kaufen können – nach circa einem Jahr Gebrauch schreibe ich also schwarze Nullen. Und ich kann die Tasse laut Herstellern noch neun weitere Jahre nutzen, wenn ich sie gut pflege. Nachhaltig und günstig – was wollen Menstruierende mehr? 

Deswegen: Viele von euch rufen in den Insta-Storys zur Nachhaltigkeit auf und gehen zu Fridays-for-Future-Demonstrationen, ernähren sich vegetarisch und kaufen Klamotten Second Hand ein, wir alle wissen, dass wir in einer Klimakrise leben – warum fällt es euch dann so schwer, auf nachhaltige Menstruationsprodukte umzusteigen? Seid ihr zu bequem, ein paar Handgriffe mehr als bei der Tamponbenutzung zu machen? Oder scheut ihr euch davor, euer eigenes Menstruationsblut so direkt zu sehen? 

Erzählt doch mal. 

Eure klimabewusst Menstruierenden

Die Antwort:

Liebe klimabewusst Menstruierende,

ein bisschen schlecht fühle ich mich ja jetzt schon. Denn dass ich euch in dieser Kolumne so anspreche, heißt im Umkehrschluss, dass ich wohl das Gegenteil von euch bin: eine klimaunbewusst Menstruierende. Bei einigen mag das tatsächlich so sein: Sie sind sich der Umweltschädlichkeit von Tampons oder Binden schlicht noch nicht bewusst, manche kümmert es vielleicht einfach nicht. Bei mir ist es aber wirklich nicht so, als würde es am Bewusstsein scheitern. Mir ist klar, dass sich mein Tamponverbrauch nicht besonders positiv auf die Umwelt auswirkt – und egal ist es mir auch nicht. Nur die Umsetzung ist eben nicht bei allen von uns so einfach und sorgenfrei machbar, wie ihr es gerade beschreibt.

Tatsächlich habe ich mir nämlich schon mal eine Menstruationstasse gekauft, ganz im Sinne der Nachhaltigkeit. Und kurz war ich begeistert: Ich schob sie mit den Fingern in meine Vagina, sie ploppte auf, wie es sich gehörte. Nichts zwickte – es war toll. Bis ich sie wieder herausholen musste (Achtung, expliziter Content): Anfangs saß ich eigentlich ziemlich gelassen auf der Toilette und machte mich auf die blinde, tastende Suche nach dem Stiel, um die Tasse wieder herauszuziehen. Und ich sage euch: Da war nichts zu holen, die Tasse steckte fest. Mit meinen kurzen Fingern konnte ich den Stiel maximal an der Spitze antippen – aber von beiden Seiten draufdrücken und so ein Vakuum erzeugen? Es schien mir wie ein Ding der Unmöglichkeit.

Nach einigen Minuten presste ich, als müsste ich ein Kind gebären, wenig später saß ich schon weinend in der Badewanne, immer weiter nach der Tasse fischend. Währenddessen googlete ich immer wieder: „Menstruationstasse rausholen wie“ oder „Menstruationstasse steckt fest was tun“. Ich befolgte diverse Tipps (beziehungsweise versuchte es, denn meist hätte man für die Umsetzung, die Tasse greifen können müssen)  aber die Tasse bewegte sich nicht weit genug in Richtung meiner Finger. Am Ende bat ich sogar meinen Partner (ja, das war unangenehm …), nach der Tasse zu wühlen. Nichts half.

Die Ärztin sagte: „Sie wissen gar nicht, wie oft wir wegen sowas angerufen werden“

Nur ein Anruf bei der Frauenärztin, die mir sagte: „Machen Sie sich keine Sorgen. Sie wissen gar nicht, wie oft wir wegen sowas angerufen werden. Notfalls kommen Sie vorbei – dann holen wir sie raus.“ Dass ich diese Option nun hatte, beruhigte mich tatsächlich so stark, dass ich das Ganze nochmal entspannter angehen konnte, meine Vagina sich offenbar weitete und ich endlich mit zwei Fingerspitzen ganz unten an der Tasse drücken konnte – und siehe da: endlich kam sie heraus!

Ich laufe heute also nicht mehr mit einer Menstruationstasse in mir herum. Klar, den meisten geht es nicht wie mir – und vermutlich bekäme ich die Nutzung nach einigen Zyklen, wie ihr ja auch schreibt, in den Griff. Aber diese erste Erfahrung war mir einfach eins zu negativ. Und richtig gute Erklärungen, wie man Menstruationstassen nun wirklich auch bei schwierigen Fällen anwendet, finde ich im Netz kaum.

Nun gäbe es noch eine andere nachhaltige Alternative: Menstruationsunterwäsche. Aber ich mag das Gefühl nicht, ständig etwas aus mir herausfließen zu spüren. Ich weiß noch, welche Erleuchtung es für mich als Teenagerin war, als ich von der Binde auf Tampons umgestiegen bin. Bei der Binde spürte ich immer wieder das Blut raustropfen, manchmal schwallartig fließen, wenn ich beispielsweise aufstand. Tampons ließen dieses unangenehme Gefühl bei mir verschwinden – nur, wenn sie vollgesogen sind, spüre ich es. Ich finde außerdem die Vorstellung unangenehm, dass mein Blut sich ungezügelt in meiner Unterwäsche verteilt. Zudem habe ich Angst, dass das Blut, wie bei Binden, zu den Seiten vorbeilaufen könnte, wenn die Periode besonders stark ist.

Wie kriegt man die Menstruationstasse raus, ohne was zu verschütten?

Was bei mir nur ein kleineres Thema ist, bei vielen anderen „umweltunbewusst Menstruierenden“ aber ein größeres: das eigene Blut in so rauen Mengen zu sehen. Und, nachdem ihr es selbst schon ansprecht, scheint ihr euch damit auch nicht sofort wohlgefühlt zu haben? Viele Menschen haben schlicht Horror vor der Situation, wenn sie beispielsweise eine Menstruationstasse aus sich rausfischen und dann irgendwas mit dem Blut darin anstellen müssen. Zum Beispiel auf der Arbeit. Wie kriegt man die Tasse raus, ohne was zu verschütten? Geht man nach dem Auskippen mit der Tasse zum Waschbecken und wäscht sie aus? Was, wenn da gerade jemand reinkommt?

Viele umweltbewusst Menstruierende sagten mir, das sei etwas gewöhnungsbedürftig für sie gewesen. Unter anderem, weil das Menstruationsblut nach Stunden nicht so besonders gut riecht, aber auch, weil man natürlich nicht vor Kolleginnen oder auch Kollegen das Blut aus der Tasse spülen möchte. Manche sagen dann, man könne das Blut ja auch einfach mit Klopapier abwischen. Ich finde, das klingt alles ganz okay – aber irgendwie doch nicht so krass reizvoll, dass ich deswegen jubelnd die Tampons von mir werfen würde.

Grundsätzlich bin ich bei Experimenten, was meine Periode angeht, also vorsichtiger als zum Beispiel beim Klamottenkauf oder bei meiner Ernährung. Ich weiß nämlich, wie es ist, plötzlich mit Blutflecken auf der Hose dazustehen: grauenvoll unangenehm. Ja, ja: Man sollte das Stigma bekämpfen – aber so explizit und allein auf weiter Flur mach ich das lieber nicht. Ich glaube, die wenigsten von uns würden das bereitwillig auf sich nehmen. Das Risiko eines Blutflecks auf der Hose habe ich bei Tampons einfach eher nicht, und das gibt mir Sicherheit.

Ich vertraue bei dem Thema also auf das, was ich schon kenne und womit ich bisher immer zufrieden war. Und ich muss dazu auch sagen, dass es ja außerdem nicht besonders ökologisch wäre, jetzt noch drei weitere Menstruationstassen zu kaufen, bis ich endlich eine gefunden habe, die mir passt. Oder mehrere Menstruationsunterhosen, bis mir auffällt, dass das wirklich nichts für mich ist. Das Zeug muss ja auch alles produziert werden. Und wie klimaunbewusst wäre das denn, damit verschwenderisch umzugehen?

Eure nicht ganz so klimafreundlich Menstruierenden

*Unsere Autorin möchte anonym bleiben. Nicht, weil sie sich zu sehr für die von ihr betriebene Umweltverschmutzung schämt, sondern, weil nicht jede*r ihre „Menstruationsprobleme“ zu kennen braucht.

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