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Querfrage: Wie wichtig ist Hetero-Männern die Unabhängigkeit von ihren Partnerinnen?
Liebe heterosexuelle Männer,
ich habe neulich „#EGOLAND“ von Michael Nast, bekannt durch sein Buch „Generation Beziehungsunfähig“, gelesen. Darin hat die männliche Hauptfigur ihre Vergangenheit nach den Frauen geordnet, die sie geliebt hat: eine Frau, ein Lebensabschnitt. Als Frau wurde ich stutzig und stellte mir das Szenario andersherum vor: Das Leben anhand der Männer einordnen, in die man verliebt war oder mit denen man eine Beziehung hatte? Unvorstellbar für mich. Offensichtlich ist man natürlich immer ein bisschen abhängig von den Menschen, in die man gerade verknallt ist, mit denen man eine Affäre oder Beziehung hat. Und natürlich prägen diese Begegnungen unsere Lebensphasen. Nur betonen würden wir Frauen diese Abhängigkeit eben nicht. Denn von jedem Popsong, jedem Film, von unseren Eltern und Freundinnen wird uns schließlich eingetrichtert: Freundinnen sind wichtiger als Liebschaften, denn Männer kommen und gehen! Du kannst auch als Single glücklich sein! Dein Wert wird nicht von einem Mann bestimmt!
Den Ausdruck „ein starker, unabhängiger Mann“ gibt es einfach nicht
Männer, wie ist das bei euch? Ich habe den Eindruck, dass es euch gar nicht so wichtig ist, zu betonen, dass ihr von Frauen unabhängig seid. Den Ausdruck „ein starker, unabhängiger Mann“ gibt es einfach nicht. Das liegt wohl auch daran, dass Männer historisch nie von Frauen abhängig waren. Macht ihr euch deswegen keine Gedanken darüber?
Oder ist der Typ aus dem Roman ein Einzelfall? Was man schließlich auch beobachtet: Männer, die bindungsscheu sind und ihre emotionale Unabhängigkeit sowohl beim Daten als auch in einer Beziehung gar nicht genug betonen können. Zumindest in meinem Freundeskreis ist es oft so, dass die Hetero-Frauen sich fast immer mehr Verbindlichkeit wünschen als der Mann. Dieses Motiv des Mannes, der unabhängig und alleine glücklich ist, spiegelt sich schließlich auch häufig in der Popkultur wieder: James Bond hält sich nie länger als einen Film lang mit einer Frau auf, Chuck Bass wählt in sechs Staffeln „Gossip Girl“ erst auf den letzten Drücker die Liebe statt „Freiheit“ und Walter White entscheidet sich in „Breaking Bad“ eher für seine Karriere als Drogen-Boss als für seine Familie.
Was sagt ihr? Ist es euch genauso wichtig wie uns, zu betonen, dass ihr von Frauen unabhängig seid? Zumindest unter männlichen Freunden? Und wenn ja, warum? Oder habt ihr im Gegensatz zu uns kein Problem damit, eure Abhängigkeiten von euren Partnerinnen einzugestehen, wie Michael Nasts Protagonist es tut?
Eure ratlosen
Frauen
Die Antwort:
Liebe Frauen,
als ich während meiner Studentenzeit gerade frisch verliebt und in der Anfangsphase einer neuen Beziehung war, gab mir ein Freund einen Ratschlag: „Du musst jetzt unbedingt jedes einzelne Wochenende feiern gehen. Ohne deine Freundin.“ Auf meinen fragenden Blick bekam ich die Antwort: „Sonst gewöhnt die sich daran, dass ihr jedes Wochenende was zusammen macht und lässt dich nie wieder am Wochenende raus.“ Ein extrem guter Ratschlag – wenn man Lust auf eine toxische Beziehung hat.
Ratschläge wie diesen bekam ich früher häufiger. Und gerade während der Schulzeit war es wichtig, sich von seiner Freundin zumindest im Jungs-Kreis ein wenig zu distanzieren. Irgendwie war es uncool, zu sehr an der Person zu hängen, mit der man in einer Beziehung war. „Bros before Hoes“ und so – das vulgäre Pendant zu „Freundinnen sind wichtiger als Liebschaften“, das man aus Serien wie Entourage oder unzähligen Filmen verinnerlicht hatte. Das wurde zwar nie wirklich befolgt – das Bild musste aber nach außen hin aufrecht erhalten werden. Ein Treffen mit den Jungs absagen, weil man lieber den Abend mit der Freundin verbringt? Lieber eine gute Ausrede einfallen lassen. Ein Fußballtraining wegen eines lange geplanten Theaterbesuchs skippen? Besser die Wade zwickt zufällig am Mittwochabend.
Meine Ex-Freundinnen haben mich geprägt, beeinflusst, geändert, wie ich auf die Welt blicke
Die Zeiten sind mittlerweile vorbei. Und wenn ich zurückblicke, könnte ich auch verschiedenen Lebensabschnitten eine Überschrift mit dem Namen von Ex-Freundinnen verpassen. Schließlich waren sie mit die prägendsten Personen in diesen Phasen, haben mich beeinflusst, geändert, wie ich auf die Welt blicke. Durch sie habe ich meine Persönlichkeit entwickelt – wie unglücklich oder glücklich die Beziehungen auch gewesen sein mögen. Genauso würde ich aber auch meinen Single-Phasen jeweils eigene Überschriften verpassen. Auch in dieser Zeit habe ich mich weiterentwickelt, habe Neues über mich und Beziehungen gelernt, meine Sicht auf die Welt verändert.
Dadurch, dass ich mich und meine Bedürfnisse besser kennengelernt habe, hatte ich im Laufe der Zeit auch immer weniger das Bedürfnis, mich von meiner Partnerin abzugrenzen, meine Unabhängigkeit zu betonen. Woran das liegt? Das ist eine schwierige Frage. Natürlich kann es sein, dass es für mich als Mann einfacher ist, Abhängigkeiten zuzulassen, als für eine Frau, für die diese Abhängigkeit von einem Partner schneller in Unterdrückung umschlagen kann. Noch heute sind weit mehr heterosexuelle Frauen finanziell von ihrem Partner oder Ehemann abhängig, als das bei heterosexuellen Männern der Fall ist.
Aber auch ich habe gelernt, dass Besitzansprüche und zu starke Abhängigkeiten ungesund sein können. Genauso wie auch zu viel Distanz eine Beziehung krank machen kann. Wahrscheinlich habe ich, so wie viele andere auch, durch alle Erfahrungen, die ich gemacht habe, gelernt, ein gesundes Mittelmaß zu finden. Abhängigkeit zuzulassen, ohne dass sie überhand nimmt. Mir meine Freiräume zu nehmen und meiner Partnerin zu geben, ohne dass sie zu emotionaler Distanz werden. Vielleicht hatte ich aber auch einfach nur Glück, irgendwann jemanden gefunden zu haben, der zum gleichen Zeitpunkt wie ich die gleichen Erwartungen und Vorstellungen von einer Beziehung hatte wie ich.
Verbindlichst,
eure heterosexuellen Männer