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Querfrage: Lesben, wie findet ihr die lesbische Datingshow Princess Charming?
Lesben, wie findet ihr die Datingshow „Princess Charming“?
Liebe Lesben,
vielleicht habt ihr es mitbekommen: RTL hat eine lesbische Datingshow produziert – und zwar, so heißt es, die erste weltweit. Diese Woche ist das Finale gelaufen. Das Prinzip von „Princess Charming“ ist im Grunde das gleiche wie bei den Hetero-Reality-TV-Äquivalenten „Der Bachelor“ oder „Die Bachelorette“: 20 Single-Lesben kämpfen um eine Single-Lesbe, die sogenannte „Princess“. Mich als heterosexuelle Frau und LGBTQ*-Ally mit Herz für Reality-TV hat die Show bislang echt gecatcht.
Ich finde das Format nicht nur deshalb super, weil es lesbische Liebe sichtbar macht. Sondern auch, weil der Umgang von Kamera, Regie und Schnitt mit den Kandidat*innen (nicht alle der teilnehmenden Lesben sind Frauen – Gea zum Beispiel definiert sich als nicht-binär) mir ungewohnt respektvoll scheint. Einfach anders, als es die effekthaschende Tradition des Trash-Genres vorgibt. Eine körperliche Auseinandersetzung zwischen zwei Frauen zeigten die Macher*innen zum Beispiel bewusst nicht und sendeten stattdessen nur einen Hinweis zu dem Vorfall und dem vorzeitigen Ausscheiden der Beteiligten. Außerdem habe ich den Eindruck, dass die einzelnen Personen nicht so stark in feste Rollen gedrängt werden. In jeder Folge lerne ich neue Facetten der Charaktere kennen – das ist im Vergleich zu ähnlichen Formaten auch nicht selbstverständlich.
Findet ihr „Princess Charming“ auch im bildungs-pädagogischen Sinne wertvoll?
Jetzt, da ich meine Lobeshymne aufschreibe, frage ich mich allerdings: Lasse ich mich zu leicht beeindrucken? Und liegt das daran, dass die Latte einfach wahnsinnig niedrig liegt, sowohl bei Reality-Formaten als auch bei lesbischer Repräsentation?
Denn die Kandidat*innen sind untereinander zwar meist bemüht freundlich, zugetan und liebevoll und der Streit-Faktor ist vergleichsweise niedrig, aber bestimmte Strukturen, die in so ziemlich allen Dating-Shows entstehen, lassen sich auch hier nicht ganz vermeiden: Manche der Single-Lesben fixieren sich zum Beispiel so stark auf das Subjekt der Begierde (die „Princess“), dass es so aussieht, als habe das weniger mit dem Menschen und mehr mit einem Besitz-Begehren zu tun. Oft denke ich mir: Geht es wirklich um Dating und die Liebe oder allein darum, „zu gewinnen“? Eine meiner Lieblings-Kandidat*innen Wiki sagte in der Show, ihr gehe es um etwas ganz anderes: Sie verfolge mit ihrer Teilnahme einen Bildungsauftrag. Jetzt würde ich gerne wissen: Findet ihr „Princess Charming“ auch im bildungs-pädagogischen Sinne wertvoll oder ist es doch nur der gleiche toxische Dating-Trash wie sonst auch – bloß in Regenbogenfarben?
Ich persönlich zumindest stelle durch „Princess Charming“ meine Heterosexualität tatsächlich stärker infrage und empfinde sie als weniger fixiert. Ich frage mich beim Schauen zum Beispiel, wen ich persönlich anziehend finde. Daher kann ich mir vorstellen, dass es gerade für Heranwachsende wertvoll sein kann, lesbische Liebe so geballt präsentiert zu bekommen, um die eigene Sexualität zu erkunden – und zu akzeptieren. Bei meiner lesbischen Mitbewohnerin, mit der ich die Show schaue, ist es jedenfalls so, dass es ihr etwas bedeutet, so viele datende Lesben im TV zu sehen. Das liegt aber sicher auch daran, dass es leider so verdammt ungewohnt ist.
Dann wäre da noch das Ding mit der Diversity. Auf den ersten Blick war ich noch positiv überrascht, dass so viele unterschiedliche Lesben teilnehmen. Auf den zweiten sind sie dann aber doch nicht ganz so unterschiedlich. Hengameh Yaghoobifarah kritisierte in der taz: „Ich hätte mir mehr Lesben gewünscht, die dick, trans, sichtbar behindert und/oder kanakisch sind.“
Seid ihr denn happy mit der Show oder hättet ihr mehr erwartet? Und wenn ihr eine lesbische Dating-Show produzieren würdet – wie würde die aussehen? Oder findet ihr Dating-Shows und Trash-TV generell nicht cool – egal ob lesbisch, gay, bi oder hetero?
Eure Cis-Hetero-Frauen
Die Antwort:
Liebe Hetero-Frauen,
vielleicht mitbekommen? Cute. Wochenlang hingefiebert und jede Folge überemotional zelebriert, Insta-Profile gestalkt, Wetten abgeschlossen, drei Podcasts gehört, darunter einen privaten Underground-Podcast, auf den ich nur über eine Telegramgruppe zugreifen konnte. Ich meine: Eine Lesbe knutscht sich vor elysischen Kulissen und Kamerateam zur großen Liebe, und das zum ersten Mal – weltweit. Das ist nicht nur für die Community Futter, sondern gesamtgesellschaftlich bedeutsam, oder?
RTL profiliert sich damit entsprechend großspurig. Dabei wollte der Sendern zuerst keine rein lesbische Show machen, sondern eine Bi-Princess verkuppeln. Als wäre eine Show ohne Männer undenkbar: bei Prince Charming war damals komischerweise sofort klar war, dass nur Männer herumfummeln sollen. Nach Wut und Geschrei der Community (und deren Allys), oder wie RTL sagte: mit dem „vielfachen Wunsch der Zuschauer- und BewerberInnen“, haben sie es sich dann zum Glück doch nochmal anders überlegt. Zum Glück für mich und andere Lesben, muss ich zugeben – Bi-Personen hätten sich sicherlich genauso gern im TV repräsentiert gesehen (auch wenn es immerhin eine Mikrorepräsentation durch die bisexuelle Iry gab).
Genug auf der Produktion herumgetrampelt, lieber mal was Nettes sagen! Die Produktion ist mir nämlich während der Staffel sehr sympathisch geworden. Heißt nicht, dass dieses Team (aus meiner Perspektive) alles richtig gemacht hat, trotzdem habe ich mit jeder Schnitt- und Screentime-Entscheidung gespürt (oder es mir zumindest eingebildet), dass sie die empathisch durchdacht haben, nicht leichtfertig oder rein quotengetrieben. Wie ihr bereits sagtet: der Umgang war ungewohnt respektvoll. Es hat sich so angefühlt, als hätten sie dauerhaft die möglichst unklischierte oder „authentische“ lesbische Repräsentation im Kopf. Viel mehr noch als beispielsweise bei Prince Charming, wo das Bild vom körperfixierten Sexbock für mein Empfinden von Produktionsseite unangenehm ausgereizt wurde. Ich gebe aber auch zu, dass mich die empathische Produktion bei Princess Charming zumindest zu Anfang fast enttäuscht hat.
Irina ist eine Princess, die auch alle Menschen mit heteronormativer Sozialisierung problemlos attraktiv finden können
Bevor ich zu diesem diffusen Enttäuschungsmoment komme, kurz noch etwas zu den Kandidat*innen der Show: „Princess“ Irina ist mit ihrem kantigen Gesicht, den langen braunen Haaren, den braunen Augen und dem schlanken Körper maximal normschön. Eine Princess, die auch alle Menschen mit heteronormativer Sozialisierung problemlos attraktiv finden können. Das ist nicht mutig als Kandidat*innenwahl; man könnte sich auch eine dicke Butch (Lesben, die sich (stereotyp) maskulin inszenieren) vorstellen; aber eben verständlich und für das Format sinnvoll. Butchige Ästhetik hat es es ja trotzdem unter den Kandidat*innen gegeben, ich denke an Britta oder Elsa.
Sowieso sagt der erste, oberflächliche Blick: Vielfalt, weil da eben Lipstick-Lesbians wie Butches dabei sind, und alles dazwischen. Der zweite Blick sagt aber etwas anderes, denn Hengameh hat recht: dick, trans, sichtbar behindert oder kanakisch? Nö. Nur eine einzige Person of Color. Irina selbst kommentierte die Kandidat*innen-Auswahl im Gespräch mit L-Mag in der Juli/August Print-Ausgabe: Die Produktion könne nur aus dem schöpfen, was an Bewerbungen vorliege. Und ehrlich gesagt glaube ich bei dieser Produktion sogar, dass es eher an homogenen Bewerbungen lag als an homogener Auswahl. In Sachen Diversität gibt es also noch Steigerungspotential, aber das war trotzdem kein ganz schlechter Start.
Ich muss dazu sagen: Ich kann Trash gut leiden. Trash als die perverse Ausstellung menschlicher Abgründe, in die sich Zuschauer*in unbeschadet reinfallen lassen darf, oder eben: Unterhaltung auf Kosten anderer. Deshalb war ich bei der ersten Folge arg irritiert, als sich ein feuchtfröhlicher Konflikt zwischen zwei Kandidatinnen ankündigte, und ich den Höhepunkt nur vercodet als Schrift auf dem Bildschirm lesen durfte: „Leider kommt es bei Sonja und Ulle zu einer Auseinandersetzung, die bei ‚Princess Charming‘ keinen Platz hat und ihre Teilnahme mit sofortiger Wirkung beendet.“ Das, anstatt zwei Frauen dabei zusehen zu dürfen, wie sie sich boxen (?), kratzen (?), rangeln (?) – ich bin ehrlich, ich war nicht nur irritiert, sondern enttäuscht. Dann habe ich aber verstanden, dass diese Show keine gewöhnliche Trash-TV-Show ist und sein will, und mein Trash-Herz nicht befriedigen wird. Aber eben dafür ein anderes.
Mir und den lesbischen Frauen, die ich kenne, hat diese Show sehr viel bedeutet. Viel mehr als ich erwartet hatte
Zum Beispiel in Folge 6. Da diskutierten die Kandidat*innen in der Villa auf dem Sofa lümmelnd minutenlang über lesbische Transphobie. Gea wirft Bine vor, transphob zu sein, weil Bine sagt, dass sie nur auf Frauen mit Vulva stehe. Am Ende der Szene drehte sich meine Freundin entgeistert zu mir und sagte: „Dass die dieser Diskussion jetzt so viel Screentime gegeben haben. Krass.“ Klar sind während der Diskussion über Bines Wangen dicke Tränen gelaufen – Reality-TV-Gold also – aber die Länge der Darstellung war trotzdem verblüffend für ein Thema, das ausschließlich in bestimmten Blasen diskutiert wird. Oder in einer späteren Folge, als Kati sich wieder unangenehm übergriffig verhält, Irina ungefragt und ohne Signale einfach küsst, und das länger thematisiert wird. (wenn auch nicht lang genug). Da höre ich mein progressiv-reflektiertes Feministinnen-Herz ganz laut schlagen. Auch wenn die Produktion auf Dates Cupcake-Vulven inszeniert, über lesbischen Sex oder über Outingerfahrungen sprechen lässt – und Kandidatin Wiki für ihren „Bildungsauftrag“ (in einer Datingshow!) Screentime bekommt. Übrigens: Dass Kandidat*innen bei Datingformaten nicht nur für die große Liebe da sind, das ist der Sache ja inhärent. Sonst könnten Menschen ja auch easy ohne Kamerateam daten gehen.
Also, liebe Hetero-Frauen, ich muss sagen, mir und den lesbischen Frauen, die ich kenne, hat diese Show sehr viel bedeutet. Viel mehr als ich erwartet hatte, weil es eben kein Trash-TV war – sondern lesbische Repräsentation als Unterhaltungsformat. Und wenn das bei euch sogar an festgefahrener Heterosexualität rütteln kann, dann ist sie vielleicht wirklich gesamtgesellschaftlich bedeutsam, oder tiefer gestapelt: zumindest hilfreich für ein paar enge Köpfe.
Hengameh beendete den kurzen Text über Princess Charming in der taz damals mit dem Satz: „Ob der Wettbewerb diesen Zusammenhalt nicht strapaziert, bleibt spannend.“ Und ich will das hier mit einer Antwort darauf beenden, weil sie so verblüffend ist: Nein, der Wettbewerb strapazierte den Zusammenhalt nicht. Ganz im Gegenteil. Diese lesbischen Menschen haben sich bis zur letzten Folge immer wärmer unterstützt, sie haben ihre Eifersucht kommuniziert und sich trotz allem in den Arm genommen, sie haben geweint, wenn jemand die Kette abgeben musste. Und nun, wo die Show längst vorbei ist, rennen sie sich gegenseitig durch die Instastories und kuscheln ganz viel. So etwas habe ich in anderen Datingshows noch nie gesehen. Das ist Empowerment.
Eure lesbischen Frauen