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Folge 2: Ein Rasenmähertraktor und sieben andere Dinge

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Sieben Dinge, die ich nach meiner Ankunft in meiner neuen Stadt getan habe: den Sprinter geparkt. Überlegt, ob ich Hunger habe; beschlossen: Nein. Ausgestiegen. Die umzugsratgebermäßig zuletzt eingeladene Kiste mit dem Erste-Nacht-in-neuer-Wohnung-Zeug aus dem Laderaum gehoben. Die Tür zum Treppenhaus aufgeschlossen. Nochmal schnell zum Auto zurück, damit niemand durch das offene Beifahrertürfenster den mp3-Player vom Sitz klauen kann (das zählt aber nicht dazu). Und dann: Treppen hoch und Wohnungstür auf. „Gut durchgekommen?“, fragt mich mein Vermieter hinterrücks, der mich offenbar hatte kommen sehen, in einem sehr merkwürdigen Dialekt – mit langgezogenem U in „Gut“, hartem g und weichem K. Der war mir schon bei der Besichtigung aufgefallen. Der ist bestimmt nicht von hier. „Äh, ja, guten Tag“, stammle ich. Und sehe seinen belustigten Blick. „Fühlen Sie sich wohl hier“, fordert er, wieder mit gedehnten Vokalen. Fühlen Sie sich wohl hier. Wäre es eine Frage gewesen, hätte ich nichts zu antworten gewusst. Aber es war keine Frage. Sondern ein Befehl. Ich bedanke mich, mache einen Schritt in die Wohnung und setze die Kiste ab. Was unhöflicher wirkt als es gemeint ist – aber langsam wird es schwer. Mein Gegenüber guckt immer noch belustigt. „Sagen Sie Bescheid, wenn was ist“, sagt er. Und verabschiedet sich mit „Da unten können Sie aber nicht stehen bleiben.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der Grund für meinen Umzug ist langweilig, weil venünftig: Es ist ein Job. Ein doofer, blöder, unglaublich attraktiver Job. Andere Gründe als Geld – oder Liebe – sind mir noch bei keinem Großstadtflüchter begegnet. Doch: zu WM-Zeiten gab es einen sehr doofen deutschen Film mit Christian Ulmen und Nora Tschirner – die beiden ziehen als Paar in die Provinz, damit er der Fußballmannschaft seiner Kumpels aus der Klemme helfen kann. Es ist wirklich ein sehr blöder Film. Ich gehe zum Fenster, schaue auf die Straße – und sehe meinen Vermieter in die Garage gehen. Wenig später sehe ich ihn wieder: Auf einem Rasenmähertraktor sitzend, den winzigen Wiesenstreifen vor dem Haus mähen. Mein Sprinter steht wirklich ein bisschen im Weg. Das Blöde an meiner Situation: Ich bin alt genug, um einen sicheren Job für wichtig zu halten. Aber zu jung, um meinen Idealismus schon restlos über Bord geworfen zu haben. So gesehen, ist mein Problem mit der Provinz ein Entwicklungsproblem. Der Provinz an sich geht es da genauso: Sie hat ein Entwicklungsproblem. Für die Reise in umgekehrter Richtung – von der Provinz in die Stadt - braucht es nicht unbedingt einen klar definierten Grund. Keinen rationalen. Erstmal hin, dann mal schauen, was so geht, dann irgendwie festwachsen. Hat oft genug funktioniert. Großstadt, das ist: immer wieder zu überlegen, ob der Weg zur S-Bahn oder der zur U-Bahn endgültig der kürzere ist. Mit Einkäufen bepackt nach Hause zu laufen, ohne dass es aussieht, als könntest du dir kein Auto leisten. Hier kannst du ohne Auto nicht einkaufen. Die Einwohner meiner Stadt würden zahlenmäßig locker komplett in die Allianzarena passen. Oder ins Berliner Olympiastadion. Es gibt ein Lied von den Barenaked Ladies, einer Popband aus Kanada, die in Europa zum Mainstream gehören würden, sofern sie hier jemand kennen täte. Das Lied heißt Pinch me, Kneif‘ mich, und daran muss ich gerade denken, als ich in meiner Wohnung zum Fenster auf die Straße schaue. It's the perfect time of year somewhere far away from here, lautet der Anfang der ersten Strophe, und die letzte Strophe endet mit: I could leave, but I just stay // All my stuff’s here anyway. Die Wohnung riecht staubig. Ich glaube, ich habe doch Hunger.

Text: alexander-just - Illustration: Katharina Bitzl

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