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Frankreich hat eine neue Jugend-Protestbewegung

Foto: AFP

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In Paris ist heute nicht der 8. April. In Paris ist heute der 39. März. Denn seit acht Tagen gibt es in der französischen Hauptstadt eine neue Zeitrechnung. Sie begann mit der „Nuit Debout“ – der "Nacht, in der wir aufstehen". So heißt die Bewegung, die genau das jetzt jeden Abend wieder tut: aufstehen und protestieren. Mittlerweile versammeln sich nun schon die achte Nacht in Folge Hunderte am Pariser Platz der Republik, um zu protestieren. Und sie wollen den März erst enden lassen, wenn sich etwas ändert.

Grund für die Proteste ist ein Gesetzesvorschlag von Arbeitsministerin El Khomri. Mehr Arbeitsstunden, vereinfachte Kündigung – im Großen und Ganzen weniger Rechte für die Arbeitnehmer – für diese Maßnahmen bereitet das neue Gesetz den Weg.  

Schon am 9. März hatten die Gewerkschaften deshalb zu Streiks und Demonstrationen in Frankreich aufgerufen, am 31. März war dann aber doch alles anders als zuvor. Nach den Protesten blieben über 390.000 Gegner der Arbeitsreform einfach auf dem Platz der Republik in Paris, bis die Veranstaltung um 5 Uhr am nächsten Morgen von den Sicherheitskräften aufgelöst wurde.

Seitdem versammeln sich dort jeden Abend hauptsächlich junge Leute und protestieren für eine sozialere Politik. Konkrete Forderungen gibt es nicht. Die Proteste gegen das neue Gesetz sind viel mehr zum Ventil der grundsätzlichen Unzufriedenheit geworden. Unzufriedenheit aufgrund von 24,5 Prozent Jugendarbeitslosigkeit und einer wachsenden Ungleichheit zwischen Elite und großer Masse, zwischen Bourgeoisie und Banlieue.

Einige vergleichen die Nuit-Debout-Bewegung mit den linken Parteien Syriza und Podemos in Griechenland und Spanien, andere empfinden die Gruppe als unpolitisch. Manche nennen Nuit Debout die französische Occupy-Bewegung, ein Teilnehmer zieht im Interview mit Le Monde sogar die Parallele zur französischen Revolution. Homogen ist die Truppe jedenfalls nicht, sie wollen bewusst niemanden zu ihrem Anführer wählen.

Wenn eine Person als Antriebsmotor infrage käme, dann wäre das wohl François Ruffin. Mit seinem Dokumentarfilm „Merci Patron!“ (Danke, Chef!) hat er einen Nerv getroffen. Er zeigt die Probleme, mit denen ein französisches Ehepaar zu kämpfen hat, dessen bisheriger Arbeitsplatz verloren geht. Es ist das übliche Prozedere der globalisierten Welt: Ihre Firma schließt den Standort Poix-du-Nord, die Produktion wird nach Polen verlegt. Besitzer dieser Firma ist der reichste Mann Frankreichs: Bernard Arnault. Dem Multimilliardär gehören zum Beispiel die Firmen Dior, Louis Vuitton und Moët. Für Ruffin ist Arnault zum Feindbild geworden, er zeigt sich in der Öffentlichkeit mit einem ironischen „I love Bernard“-Shirt. Die Doku, die in Frankreich 220.000 Besucher in die Kinos holte, hat eine Proteststimmung geschaffen und wurde in der ersten Nacht, auf dem Platz der Republik auf großer Leinwand projiziert.

Doch nicht nur in Paris verbringen hunderte Menschen die Nächte seit Ende März auf den Straßen. Insgesamt gibt es Nuit-Debout-Versammlungen in 25 französischen Städten. Aus Angst vor einem Kontrollverlust wurden in Rennes und Toulouse sogar die Universitäten geschlossen. Die Bewegung schwappt sogar über die Grenzen des Landes hinaus. Sechs Veranstaltungen in Spanien, zwei in Belgien und sogar eine in Berlin sind für den 40. März geplant, den 9. April.

 

Als die Proteste sich nach einer Woche noch nicht aufgelöst hatten, versprach Präsident Hollande den Jugendlichen im Interview mit Le Monde „immer ein offenes Ohr“. Arbeitsministerin El Khomri ließ bereits einige Tage früher über den parlamentseigenen Fernsehkanal LCP verkünden, sie verfolge die Proteste aufmerksam. Das klingt aber nach Standardphrasen, mit denen eine Regierung auf Proteste reagiert. Es ist zweifelhaft, ob die Taktik auch diesmal aufgeht. Die Jugendlichen haben angekündigt, den Platz der Republik nicht zu verlassen, bis sich etwas ändert. 

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