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Partei des zweischwänzigen Hundes protestiert vor Referendum in Ungarn
Bàlint Kiers hält die Wanne aus Plastik hoch, in der eine klumpige Flüssigkeit schwimmt. "Fertig", sagt er. "Hausgemacht und günstig." Es ist Kleber, den er und seine Freunde an diesem Dienstagabend mitten auf einer Straße in Budapests belebtem jüdischen Viertel angerührt haben. Auf einer Bank neben ihnen liegen die Poster der Partei des zweischwänzigen Hundes (im ungarischen MKKP), die sie im Laufe der Nacht in der Innenstadt plakatieren wollen. Auf dem obersten steht "Schon gewusst? Es ist Krieg in Syrien."
Als die Gruppe mit dem Plakatieren beginnt, sind es noch fünf Tage bis zum Referendum. Mit Wortspielen und Reimen machen die Poster auf Absurditäten der ungarischen Politik aufmerksam. "Die Regierung glaubt, wenn sie einen Satz oft genug wiederholt, wird er zur Realität", sagt der 19-jährige Bàlint Kiers. "Das greifen wir in unseren Postern auf." Insgesamt 27 verschiedene Slogans hat die Kampagne, sie machen sich über das politische Establishment in Ungarn lustig. Derzeit ruft die Partei dazu auf, bei dem anstehenden Referendum ungültig zu stimmen.
Am kommenden Sonntag werden die ungarischen Bürger gefragt: "Wollen Sie, dass die Europäische Union ohne Zustimmung des ungarischen Parlaments die verpflichtende Ansiedlung von nicht-ungarischen Bürgern in Ungarn anordnet?" Etwa drei Millionen Euro hat Premierminister Orbán für seine Kampagne gegen die EU-Flüchlingspolitik ausgegeben. Auf den Straßen, in den Trams und Metros Budapests sind überall die Wahlsprüche seiner Fidesz-Partei mit rot-grün-weißer Ungarnflagge hinterlegt zu sehen, Lastwagen mit Plakatwänden auf den Hängern fahren durch die Innenstadt.
In dem Referendum, sagt Àron Buzàsi, gehe es inhaltlich um zwei Dinge: "Die Kompetenzen der EU und unser Verhalten gegenüber Flüchtlingen. Würde die Mehrheit für Orbán stimmen, wäre das schon ein starkes Zeichen." Auch die europäischen Medien prognostizieren einen weiteren Schlag gegen das Image der EU, sollte Orbán am Sonntag gewinnen, auch wenn konkrete rechtliche Folgen für Brüssel unwahrscheinlich sind. Es wäre eine Bestätigung des eigenen Volkes für seine Politik des letzten Jahres, in dem er einen Zaun an der serbisch-ungarischen Grenze baute, sich offen Vorschlägen der EU verweigerte und Flüchtlinge einsperrte. Kürzlich wurde ein Vorwurf von Amnesty International laut, die ungarische Polizei misshandle inhaftierte Flüchtlinge.
Der "Zweischwänzige Hund" wirbt in seiner Kampagne offen dafür, am Sonntag sowohl Ja, als auch Nein anzukreuzen. "Mindestens 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler müssen eine gültige Stimme abgeben", sagt der 19-Jährige. "Sonst ist das Referendum ungültig." Der Protest, so die Gruppe, richte sich vor allem gegen die Art der Fragestellung. "Die Frage ist einfach nicht neutral gestellt", sagt Lenke Pàlfi, die bis gerade eben den Kleber angerührt hat und sich jetzt die Hände an Zeitungspapier abwischt.
Die Partei ist nicht zwangsläufig gegen Orbán und seine Politik, sie macht sich über alle Parteien lustig. Vor zehn Jahren in der ungarischen Stadt Szeged von Graffiti- und Street-Art-Künstlern gegründet, war die Satire-Partei zunächst gänzlich unpolitisch. Erst seit 2014 hat sie offiziellen Parteistatus. Im selben Jahr trat sie zum ersten Mal bei Lokalwahlen an und warb mit Slogans wie "Ewiges Leben und Bier umsonst" oder "Wir versprechen alles!".
Wie viele "Passivisten" der Partei "Zweischwänziger Hund" angehören, ist unklar. Jedoch haben etwa 4000 Menschen, meist privat, Spendengelder in Höhe von 100.000 Euro für die Kampagne gespendet. "Meine eigenen Eltern haben auch gespendet", sagt Kiers. Vor allem bei den jungen Leuten in Budapest und anderen größeren ungarischen Städten sei die Partei sehr beliebt. Pàlfi, Kiers und ihre Freunde, alle 19 Jahre alt, haben zusammen die Schule abgeschlossen und engagieren sich während der Referendumskampagne zum ersten Mal in der Partei. "Wir dürfen erst seit letztem Jahr wählen", sagt Pàlfi. Eine Jugendgruppe habe die MPPK nicht, deshalb hätten sie sich angeschlossen, sobald es eben möglich war.
Mitglieder seien sie aber nicht. "Wir bezeichnen uns als Passivisten", sagt Àron Buzàsi, der jetzt im ersten Semester Volkswirtschaftslehre studiert. "Auch eine Art Wortspiel: Wir wollen uns bewusst von sogenannten Aktivisten anderer Parteien abgrenzen." Heute Abend seien sicher ein paar hundert Aktivisten unterwegs, schätzt die Gruppe. Sie sind optimistisch, was den Ausgang des Referendums am Sonntag angeht. "Die meisten werden ungültig abstimmen", sagt Pàlfi. "Orbán hat sich mit der Art der Fragestellung den Sieg selbst verbaut."