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Beth Ditto im Interview über ihr erstes Soloalbum und die USA unter Donald Trump
17 Jahre war Beth Ditto mit ihrer Band Gossip unterwegs. 17 Jahre, in denen sie den Sound der Zweitausender geprägt und sich immer auch für Politisches und Geschlechtliches eingesetzt hat, für LGBT-Rechte und Body Positivity. Nebenher wurde die sympathisch quasselige Ditto Cover-Darling, Lagerfeld-Muse und überhaupt: eine der strahlkräftigsten Figuren des Pop.
Gossip haben sich im vergangenen Jahr getrennt, Musik macht Beth Ditto aber nach wie vor. „Fake Sugar“ heißt ihr Solodebüt, das heute erscheint. Und freilich sagt sie es nach wie vor, wenn ihr in der Welt etwas nicht passt. Besonders auf Twitter. Neulich erst, da postete sie Fotos von Polaroids, die sie für eine Verlosung signiert hat. Dazu hat sie auf jedes Bild ein paar Worte gekrakelt. "Destroy the right wing" zum Beispiel, oder "Smash the patriarchy". Manchmal geht's auch noch kürzer: "Fuck Trump".
jetzt: Beth, heute schon Trumps Twitter-Account gecheckt?
Beth Ditto: Das nicht. Aber ich habe heute Morgen Talkshows auf YouTube geschaut, in denen es um ihn ging. Manchmal ertrage ich seine Tweets einfach nicht. Im Endeffekt weiß man ja, dass man dort keine guten Neuigkeiten findet. Deshalb muss ich manchmal Leute hören, die sich über ihn lustig machen. Es ist wirklich traurig, es macht mich depressiv.
Wie lebt es sich als Pop-Musikerin in einem Land, in dem Donald Trump Präsident ist?
Als ich meine neue Platte aufgenommen habe, war er noch nicht gewählt. Ich kann also nicht sagen, wie es sich auf das Songwriting auswirkt. Das Livespielen fühlt sich aber sehr kraftvoll an. Auf der Bühne kann ich der Welt zeigen: Schaut her, wir sind auf eurer Seite, wir unterstützen Trump nicht.
Die gute Seite der USA repräsentieren?
Ja, als Amerikanerin frage ich mich schließlich: Weiß die Welt, dass wir genauso frustriert sind? Ähnlich war es unter der Bush-Regierung. Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, sich mit der globalen Community zu verbinden. Und Konzerte sind eine Möglichkeit, sich kurzzeitig einen Raum zu teilen und klar zu machen: Wir lassen uns nicht besiegen, wir haben ein Recht auf unsere Meinung.
"Queer zu sein, eine Frau zu sein, das fühlt sich alles nicht mehr sicher an"
So weit die Musikerin Beth Ditto. Und die Feministin?
Das ist für mich irgendwie das gleiche. Ich bin eine Art Aktivistin. Und als solche frustriert es mich, wie in unserem Land Menschenrechte verletzt werden. Queer zu sein, eine Frau zu sein, das fühlt sich alles nicht mehr sicher an. Und es geht ja noch weiter: Schau dir die Gesundheitsversorgung an, die Armut, den Rassismus. Dass in den USA schwarze Jungs von Polizisten erschossen werden, das ist eine fucking Epidemie.
In dem Gossip-Song „Standing in the Way of Control“ hast du dich für Freiheit und Gleichberechtigung ausgesprochen. 2006 war das. Heute aktueller denn je?
Ich fürchte schon. Wir sind zu bequem geworden. Wir haben die Welt nicht in dem verheerenden Zustand gesehen, in dem sie unsere Großeltern gesehen haben. Dabei sehen wir über die sozialen Medien, was in den entlegensten Ecken der Welt passiert. In Syrien zum Beispiel. Wir sind gerade erst dabei zu lernen, was es heißt, Teil einer globalen Community zu sein. Deshalb sollten wir darüber wirklich nachdenken. Im Moment fühlt sich die Welt aber eher nach Chaos an. Es gibt keinen Schutz mehr, keine Sicherheiten.
Ernüchterndes Fazit. Gemessen daran klingt dein Album geradezu positiv. Du kommst aus Arkansas und hast „Fake Sugar“ in einem Interview als dein „Southern Record“ bezeichnet. Was meinst du damit?
Es ist eine Rückkehr zu der Musik, mit der ich aufgewachsen bin. Viel Country, Johnny Cash zum Beispiel, oder Patsy Cline. Bei uns zu Hause lief immer Musik, das war wohl das beste an meiner Kindheit. Mein Dad hat mich in Honky-Tonk-Bars mitgenommen und auf seinen Füßen tanzen lassen. Er mochte auch die Bee Gees. Seit er gestorben ist, schaue ich mit einer gewissen Nostalgie auf diese Musik. Ich glaube, ich wollte mich mit der Platte so fühlen, wie sich die guten Seiten meiner Kindheit angefühlt haben.
Es ist ein sehr direktes Album, auch ein Knicks vor dem klassischen Songformat. Worum ging es dir dabei?
Das kann ich schwer erklären. Wie Frank Zappa mal gesagt hat: Über Musik zu reden ist wie über Architektur zu tanzen. Meistens verstehe ich meine Platten erst, wenn sie eine Weile draußen sind und ich viel mit anderen darüber gesprochen habe. Mit Journalisten zum Beispiel. Die Pressetermine zum Album laufen jetzt seit einem Monat und ich erkenne langsam, was es mit der Platte auf sich hat.
Und?
Ich wollte nicht wie die Bee Gees klingen. Aber ich wollte, dass man sich beim Anhören so fühlt, wie ich mich gefühlt habe, wenn mein Dad deren Songs gehört hat.
Du hast davor 17 Jahre lang mit deiner Band Gossip Musik gemacht. Wie war es, nun allein an Songs zu arbeiten?
Es ist natürlich ungewohnt, wenn man die Leute, denen man so lange vertraut hat, nicht mehr um sich hat. Wir haben dieselbe Sprache gesprochen, wir wussten, wie wir Songs zusammen schreiben. Und wenn wir sauer aufeinander wurden, war das keine große Sache. Wenn man dann plötzlich alleine ist und mit anderen Leuten arbeitet, muss man lernen, sich selbst zu vertrauen. Das ist komplett anders, als in einer Band zu sein.
Du hast Gossip mal als deine Wahlfamilie bezeichnet. Wie war es, sich von dieser Familie zu verabschieden?
Für mich hat es sich nicht nach Abschied angefühlt. Es ist eher, als hätten wir uns scheiden lassen, sind aber immer noch befreundet. Wir haben schließlich eine gemeinsame Geschichte, gemeinsame Erinnerungen.
Und „Fake Sugar“ ist das erste Date nach der Trennung?
Ich würde eher sagen: das Kind, das ich nach einem One-Night-Stand bekommen habe.