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Was Hanauer Engagierte zu den rechtsextremen Anschlägen sagen
Tobias R. hat in Hanau mutmaßlich neun Menschen erschossen. Die Tatorte: Drei Lokale. Die Opfer: People of Colour. Die Leichen von Tobias R. und seiner Mutter wurden in seiner Wohnung gefunden. Es gibt ein rassistisches Bekennerschreiben, das ihm zugeschrieben wird. Über diesen rechten Terroranschlag haben wir mit drei Menschen gesprochen, die sich in Hanau gegen Rechts einsetzen.
„Wir sind hier nicht sicher“
Newroz Duman (rechts im Bild), 30, engagiert sich beim Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit
„Es kann nicht sein, dass sich alle Außenstehenden nach einem Anschlag versammeln und pauschal behaupten: ‚Unser Beileid, das betrifft uns alle.‘ Denn ich bin gerade bei einer Trauerfeier und hier ist die kurdische Community – sonst niemand. Hier haben sich Menschen versammelt, die direkt von dem Anschlag betroffen sind. Wir müssen jetzt wirklich gehört werden, wir müssen Platz bekommen. Damit das, was wir schon seit Jahren sagen, nämlich dass wir bedroht werden, endlich wahrgenommen wird und wir beschützt werden. Ich bin wütend auf die Politik und auf die, die heute nicht hier sind.
In den vergangenen Monaten sind immer wieder rechtsradikale Anschläge verübt worden, vorher hat der NSU gemordet – dieser Anschlag in Hanau ist keine Überraschung. Er war ein weiterer Angriff auf alle, die von Rassist*innen nicht als deutsch wahrgenommen werden. Dass so etwas Grausames wieder passieren konnte, zeigt, dass gegen rechte Strukturen, gegen Rassismus, in diesem Land nicht genug getan wird. Dabei wissen alle, dass es eine reale rechte Bedrohung gibt. Die Lösung wäre dabei relativ simpel: Rassismus darf in diesem Land nicht mehr relativiert werden. Solange sich das nicht ändert, werden wir weiter feststellen müssen: Wir sind hier nicht sicher.“
„Wir können nur etwas gegen Rechtsradikalismus erreichen, wenn wir weiterkämpfen“
Niko Deeg, 49, engagiert sich bei der jüdischen Kultusgemeinde in Hanau und organisiert bei der „Internationalen Woche gegen Rassismus“ in Hanau mit
„Ich wohne nur eine Minute zu Fuß vom ersten Tatort entfernt. In der Nacht war überall Blaulicht und Martinshorn, Hubschrauber sind über mein Haus geflogen. Die Gegend wurde so stark angestrahlt, dass es fast taghell war. Als ich nach unten ging, um die Haustür nochmal zu verschließen, kam sofort die Polizei auf mich zugestürmt. Wir sollten drin bleiben, abschließen und von Fenstern wegbleiben, meinten die. Das war das erste Mal in dieser Nacht, dass ich wirklich richtig Angst verspürt habe. Nach dem Anschlag in Halle hatte ich auch Angst, weil ich als Vertreter der jüdischen Gemeinde in der Öffentlichkeit stehe. Aber wenn so etwas vor der eigenen Haustür passiert, und du siehst das und hörst die Menschen schreien – das kann ich nicht beschreiben. Ich empfinde gerade Traurigkeit, Verzweiflung und Wut.
Ich habe außerdem immer noch Angst. Ich bin Kippaträger, also sieht man ganz klar, dass ich Jude bin. Aber ich werde mich weiter engagieren. Denn wir können nur etwas gegen Rechtsradikalismus erreichen, wenn wir weiterkämpfen – für das Miteinander und die Vielfalt in der Stadt. Dieser Anschlag bestärkt mich darin, diesen Kampf als meine Lebensaufgabe zu sehen.“
„Meine Gedanken kreisen ständig um den Anschlag“
Heike Arnold (ganz rechts im Bild), 61, ist aktiv bei „Omas gegen Rechts“ in Hanau
„Es bedrückt mich, dass so etwas in unserem Städtchen passiert ist. Ich habe unendliches Beileid für die Menschen, die direkt von dieser Gewalttat betroffen sind. Meine Gedanken kreisen ständig um den Anschlag. Er zeigt: Rassismus ist wieder in unserer Gesellschaft angekommen. Wir Omas müssen deshalb weiter aufklären und mit den Menschen über rechtes Gedankengut und seine Gefahren sprechen. Wir müssen Präventionsarbeit leisten, vor allem für die Jugend. Denn Demokratie, Frieden, Freiheit, Gleichberechtigung, Flower Power? Das alles habe ich erlebt. Aber was passiert mit denen, die irgendwann mal eine AfD-Regierung haben werden? Oder die von rechtem Terror gefährdet sind? Wir wollen so etwas nicht erleben müssen. Nun müssen wir alle zusammenhelfen.“