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„Ich war empört von der Respektlosigkeit der Aktion“

Yannick fand die Aktion daneben, Mattheus war voller Überzeugung dabei.
Fotos: privat Bearbeitung: jetzt

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Ungefähr 20 Jugendliche liegen still auf dem Boden des Plenarsaals im Deutschen Bundestag. Ein paar stehen vor Wolfgang Schäuble und halten ein Transparent in die Höhe, darauf steht: „Eure Klimapolitik = Katastrophe“. Auf den Plätzen, auf denen sonst Abgeordnete sitzen, sitzen andere Jugendliche. Sie buhen und grölen, sind offenbar nicht einverstanden mit der Aktion. Einer von ihnen steht auf, läuft nach vorne und greift das Transparent. Diese Szene kann man in einem Video erkennen, das sich seit Dienstag im Internet verbreitet. (Hier ist der Ausschnitt um 2:59:39 zu sehen.)

Sie hat sich während des viertägigen Planspiels „Jugend und Parlament“ des Deutschen Bundestags ereignet – das sonst eher unspektakulär abläuft. Etwa 300 Jugendliche werden dafür jedes Jahr von Abgeordneten vorgeschlagen. Die werden in fiktive Fraktionen eingeteilt und debattieren wie die „Großen“ über einen Gesetzesentwurf. In den ersten drei Tage von Samstag bis Montag verlief diesmal alles nach Plan. Doch am Dienstag organisierten Mitglieder von „Fridays for Future“ die Protestaktion – und das Planspiel fand Aufmerksamkeit in der Presse. In der Diskussion, die daraus entstanden ist, geht es um die Grenzen des Protests, zivilen Ungehorsam und politischen Diskurs. Wir haben mit zwei Teilnehmern des Planspiels gesprochen. Einer lag auf dem Boden, einer hat gebuht.

„Als ich da lag und in die Kuppel des Reichstags guckte, war das ein unbeschreibliches Gefühl“

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Foto: privat

Mattheus Berg, 17, ist Mitglied der Jusos. Der SPD-Abgeordnete Uwe Schmidt hatte ihn für das Planspiel vorgeschlagen. Mattheus hat sich an der Aktion beteiligt.

„Die Koordination haben größtenteils Leute von ,Fridays for Future‘ übernommen, aber in der Gruppe waren wir bunt durchmischt mit Leuten aus der Linksjugend und Grünen Jugend, von den Jungsozialisten und auch von den Jungen Liberalen. Am Abend vor der Aktion haben wir versucht, uns zu besprechen, aber einige andere Teilnehmende, vor allem aus der Jungen Union, haben immer wieder unsere Gesprächskreise gestört.

Letztlich hat auch die Bundestagsverwaltung davon mitbekommen, weil unser Ablaufplan in ihre Hände gelangt war. Klara, die als Organisatorin auf diesem Ablaufplan stand, wurde von Mitarbeitern angesprochen und gebeten, die Aktion zu stoppen. Außerdem liefen Fraktionsvorsitzende des Planspiels durch die Reihen und versuchten, uns die Aktion auszureden. Diese Panikmache von verschiedenen Seiten hat dazu geführt, dass einige abgesprungen sind. Ursprünglich wollten über 50 Leute teilnehmen. 

Ich verstehe auch, dass man Angst hat, Hausverbot zu bekommen oder von der Polizei rausgetragen zu werden. Und es war natürlich auch krass, nach vorne ins höchste Haus der Republik zu gehen und sich da einfach hinzulegen. Das macht man aus gutem Grund nicht so oft. Ich war super aufgeregt, weil wir nicht wussten, was passieren wird. Aber als ich da lag und in die Kuppel des Reichstags guckte, war das ein unbeschreibliches Gefühl. Schäuble hat sehr fair und besonnen reagiert. Er war aber auch gut vorbereitet, denn die Verwaltung wusste wie gesagt Bescheid.

Letztlich wurde unser Transparent, das wir über externe Helfer reingeschmuggelt hatten, von einem Mitglied der Jungen Alternative weggeschnappt. Nach der Rede sind wir gemeinsam rausgegangen und da wartete die Presse schon auf uns. Gleichzeitig stand da eine Horde junger Männer und pöbelte uns an. Die bezeichneten uns als Linksfaschisten und skandierten ganz lange ,Schämt euch!‘. Vereinzelt habe ich sogar ,Lügenpresse‘-Rufe gehört.

Es gibt gute Gründe für die Geschäftsordnung im Bundestag, aber wir hatten auch gute Gründe, sie zu missachten. Protest muss nicht allen gefallen und sich nicht an Regeln halten. Hätten wir vor dem Reichstag demonstriert, hätte das überhaupt keinen Effekt und vor allem kein vergleichbares Medienecho gehabt. Und dass jetzt vereinzelt so getan wird, als hätten wir riskiert, dass das Planspiel nicht mehr stattfinden wird, ist wirklich lächerlich. Das Interesse an politischer Bildung des deutschen Bundestags ist größer als die Angst vor solchen Aktionen.“

„Das Planspiel hat genau den Sinn, seine politischen Meinungen vor der Tür zu lassen“

fridaysforfuture yannickschmitz

Foto: privat

Yannick Schmitz, 18, ist Mitglied der Jungen Union und wurde vom CDU-Abgeordneten Jan-Marco Luczak für das Planspiel vorgeschlagen. Er kritisiert die Aktion.

„Wir waren während des Planspiels alle im selben Hotel. Wir haben uns also kennengelernt und ausgetauscht, auch über Parteilinien hinweg. Aber am Montagabend formierte sich diese kleine Gruppe, die die Aktion im Plenum plante. Wir haben viel mit ihnen diskutiert, denn die meisten fanden das keine gute Idee. Am nächsten Tag war die Stimmung dementsprechend aufgeladen. Die Aktion selbst war dann ziemlich schnell vorbei – einer aus dem Plenum hat ihnen das Transparent weggenommen, woraufhin fast alle geklatscht haben. Ich war wirklich empört von der Respektlosigkeit der Aktion und fand das ziemlich krass. Und ich habe mich gefragt, wie die das Transparent da rein gebracht haben. Eigentlich hatten die Saaldiener uns sehr ordentlich kontrolliert, weil sie schon von dem Verdacht gehört hatten.

Ich sehe das Problem gar nicht in der politischen Aussage, die getätigt wurde. Es geht nicht um den Inhalt, sondern einfach darum, dass sowas mit den Regeln des Parlaments nicht vereinbar ist. Und diese Regeln sind nicht spießig, sondern Lehren aus dem Scheitern der Weimarer Republik. An gleicher Stelle hat die NSDAP viele Transparent-Aktionen veranstaltet und ihre Meinung eben nicht mit den demokratischen Mitteln der Rede und Gegenrede vertreten, sondern durch unfaire Demonstrationen. Diese Regeln sind deswegen heilig und das war ein klarer Tabubruch.

Natürlich war das ein Planspiel und keine echte Sitzung des Bundestags. Aber das Planspiel hatte eben genau den Sinn, seine politischen Meinungen vor der Tür zu lassen. Es ging darum, die Strukturen des Bundestags kennenzulernen. Deswegen wurden wir ja auch fiktiven Fraktionen zugelost. Gerade da ist es verwerflich, Grundregeln des Parlaments zu missachten.

Ich finde die Klima-Demonstrationen von ,Fridays for Future‘ sehr wichtig und unterstütze sie in weiten Teilen. Ich bin auch für ein Umdenken in der Klimapolitik. Die Leute, die da demonstrieren, hatten schon einen großen Einfluss auf die Klimapolitik. Aber die Aktion zeigt, dass ihnen jedes Mittel recht ist. Der Zweck heiligt eben nicht jedes Mittel. Unsere Rechtsordnung macht keinen Unterschied zwischen politischen Gesinnungen. Spielregeln gelten für alle. Ich bin sehr dankbar, dass es dieses Planspiel gibt. Da wird echt viel Geld und Aufwand reingesteckt, damit wir in vier Tagen wahnsinnig viel lernen. Ich hoffe das bleibt erhalten.“

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