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Warum immer mehr Schüler Solidarität gegenüber Flüchtlingen zeigen
Vor einem Monat versuchten Polizisten, den 20-jährigen Asef aus dem Unterricht in einer Nürnberger Berufsschule zu holen, um ihn abzuschieben – erst friedlich, später mit Gewalt. Womit die Polizisten nicht gerechnet hatten: Asefs Mitschüler leisteten Widerstand gegen die Abschiebung. Schnell formierte sich eine spontane Demonstration von Schülern und auch Passanten, die die Beamten aufforderten, den jungen Afghanen gehen zu lassen. Die Situation eskalierte. Doch selbst als Asef bereits weggebracht wurde, gaben seine Mitschüler nicht auf, demonstrierten vor dem Ausländeramt weiter.
Solch eine starke Solidarität zwischen Schülern und Flüchtlingen erleben Flüchtlingsräte und Organisationen immer häufiger. „Seit Beginn der Flüchtlingskrise hat sich die Zahl der Anfragen bei uns verdreifacht“, sagt Nelli Foumba von „Jugendliche ohne Grenzen“. Der bundesweite Zusammenschluss für jugendliche Flüchtlinge unterstützt Menschen, die von einer Abschiebung bedroht sind. Gleichzeitig berät er aber auch Helfer, die Abschiebungen verhindern wollen. Hier werden Tipps für Online-Petitionen weitergegeben, Demonstrationen organisiert, Streiks abgehalten – alles von jungen Menschen. Manchmal reicht das allerdings nicht aus, um einen Mitschüler vor der Abschiebung zu retten. Bei einer Ablehnung des Asylantrags empfiehlt sich deshalb vor allem eins: Zeit schinden.
Integration erhöht die Erfolgschancen auf ein Bleiberecht
„Was man unternehmen kann, ist je nach Fall ganz unterschiedlich“, sagt Sean McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Ist der Betroffene ein Härtefall und eine Kommission entscheidet über sein Bleiberecht, sei es ratsam, immer mit Hilfe von Petitionen den Flüchtling zu unterstützen. „Je mehr Unterstützung, desto besser“, sagt Sean McGinley. Manchmal schalten sich dank des Engagements der Mitschüler sogar Politiker ein und fordern ein Bleiberecht.
Auch die Cottbusser Schulkollegen des 19-jährigen Wali aus Afghanistan haben die Öffentlichkeit gesucht, damit er bleiben kann. Mit Spendenaktionen und einem Benefizkonzert haben die Waldorfschüler Geld gesammelt, um Wali einen Anwalt zu finanzieren. Dadurch kann er jetzt Klage gegen seinen Ablehnungsbescheid einreichen. „Die Zeit für die neue Prüfung des Asylantrages kann genutzt werden, um Alternativen zu suchen und an besseren Voraussetzungen für das Bleiben zu arbeiten“, sagt McGinley. Bessere Voraussetzungen, das bedeutet: bessere Integration. „Je besser die Flüchtlinge integriert sind, desto höher sind die Erfolgschancen“, erklärt er.
„Nicht einfach ein Flüchtling, der abgeschoben werden sollte – sondern ein Mitschüler“
Tatsächlich ist die Situation im Klassenzimmer stets eine besondere. Michael Adamczewski, Schulleiter der Berufsschule in Nürnberg, erklärt das so: „Für die Schüler war Asef nicht einfach ein Flüchtling, der abgeschoben werden sollte, sondern ein Mitschüler, der aus ihrem Kreis gezogen wurde.“ Dominik Stadler, einer von Asefs Klassenkameraden, bestätigt das. Er findet, dass das Abschieben von Menschen nicht richtig ist. „Jeder Mensch ist gleich“, sagt der 17-Jährige. „Man wünscht sich ja, dass andere sich genauso für einen einsetzen würden.“ An dem Tag habe niemand lange nachgedacht, sondern einfach gemacht. Asef war in der Nürnberger Berufsschule bereits gut integriert. Er versteht sich mit seinen Klassenkameraden, hat laut dem Bayerischen Rundfunk sogar einen Ausbildungsplatz als Schreiner sicher.
Am Ende waren aber nicht Asefs gute Integration oder das Engagement seiner Mitschüler ausschlaggebend dafür, dass er derzeit in Deutschland bleiben darf. Aufgrund der Anschläge in Kabul gab es einen Abschiebungsstopp.
Und was bleibt jetzt von dem Engagement der Schüler in Nürnberg? Vergangenen Mittwoch fand dort eine schulinterne Veranstaltung zur Aufarbeitung der damaligen Tumulte statt. Dort sprachen die Schüler anhand des Vorfalls unter anderem über die Gratwanderung, die Zivilcourage meist bedeutet. „Die Schüler stehen hinter ihrer Aktion“, sagt Schulleiter Michael Adamczewski. Asef verteilte nach der Veranstaltung als Dank weiße Rosen an diejenigen, die sich so mutig für ihn eingesetzt hatten. „Wir hätten es wieder getan“, versichert sein Mitschüler Dominik.