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„Eine Beleidigung für Ruth Ginsburgs Erbe“

Amy Coney Barretts Vereidigung als Richterin am Supreme Court ist ein Erfolg des US-Präsidenten Donald Trump.
Foto: Kevin Dietsch / imago images; Bearbeitung: jetzt

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Bis zuletzt hatten die Demokrat*innen in den USA versucht, das Votum über „die Neue“ im Supreme Court zu verhindern. Nachdem im September die liberale Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg gestorben ist, hatten Demokrat*innen argumentiert, die siegende Partei der Präsidentschaftswahl am 3. November solle über die Nachfolge der Richterin im Supreme Court entscheiden. Vergeblich, der US-Senat bestätigte am Montagabend US-amerikanischer Zeit: Amy Coney Barrett, 48, ist die neue Richterin am Supreme Court.

Sie bekam 52 Stimmen von Republikaner*innen und 48 Gegenstimmen, die meisten von Demokrat*innen, nur eine republikanische Senatorin stimmte gegen sie. Amy Coney Barrett war Donald Trumps favorisierte Kandidatin, mit ihrer Bestätigung erfüllt sich nun sein Wunsch nach einem konservativ dominierten, höchsten Gericht. Zuvor hatte es fünf liberale und vier konservative Richter*innen im Supreme Court gegeben.

Die strenggläubige Katholikin Amy Coney Barrett ist als Gegnerin von Schwangerschaftsabbrüchen bekannt, auch wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel steht sie kritisch gegenüber.  Dementsprechend kontrovers ist die Debatte, die sich nun in den Sozialen Netzwerken entspinnt, besonders auf der Plattform Twitter.

Viele fürchten, dass auf die Entscheidung politische Konsequenzen folgen: Sie sehen beispielsweise Frauen- und Migrant*innen-Rechte, die Gesundheitsreform von Barack Obama oder LGBTQ*-Rechte in Gefahr. Eine Nutzerin schreibt auf Twitter, Amy Coney Barrett als Richterin am Supreme Court sei „eine Bedrohung für Gerechtigkeit und eine Beleidigung für Ruth Ginsburgs Erbe“. Ein anderer Nutzer fragt: „Sind die USA noch das Land der freien Leute?“

Vor allem Menschen aus der LGBTQ*-Community schreiben auf Twitter, dass die Wahl von Amy Coney Barrett sie stark beunruhige. „Ich möchte heiraten. Ich möchte ein Kind bekommen“, schreibt eine Person, die sich als LGBTQ*-Teenager bezeichnet, und ergänzt: „Bitte geht wählen, für meine Zukunft, damit ich es darf.“ Der Ausgang der Präsdentschaftswahl könnte die Wahl der neuen Richterin am Supreme Court allerdings ohnehin nicht rückgängig machen.

Eine andere Nutzerin berichtet: „Als meine Frau erfahren hat, dass Amy Coney Barrett bestätigt wurde, hat sie mich umarmt und gesagt, dass sie nicht will, dass man uns unsere Ehe wegnimmt.“ Amy Coney Barrett selbst hielt sich bei einer mehrtägigen Anhörung zu kontroversen Fragen bedeckt: Sie weigerte sich beispielsweise, ihre Position zu vorherigen Entscheidungen des Supreme Courts zur gleichgeschlechtlichen Ehe und Abtreibungen offenzulegen.

Andere Kritiker*innen bezweifeln neben ihrer politischen Haltung auch die Kompetenz von Amy Coney Barrett für ihr neues Amt am Supreme Court. Barrett hat vergleichsweise wenig Erfahrung als Richtern – insgesamt drei Jahre. Zuvor lehrte sie von 2002 bis 2017 als Professorin an der Universität Notre Dame mit den Schwerpunkten Zivilprozessrecht und Verfassungsrecht, dort hatte sie selbst als Jahrgangsbeste ihren Jura-Abschluss gemacht. Danach wurde sie zur Richterin an einem US-Bundesberufungsgericht ernannt. Eine Nutzerin postete eine Auflistung des beruflichen Lebenslauf von Amy Coney Barrett und kommentierte: „Wenn mir jemals wieder ein Job wegen mangelnder Erfahrung verwehrt wird, zeige ich ihnen einfach das hier.“ Eine andere schrieb, dies sei die Definition von „White Supremacy“, also der Vorherrschaft weißer Menschen in der Gesellschaft. 

Manche sind sogar so wütend über die Wahl Amy Coney Barretts, dass sie ihr nicht einmal eine Abkürzung zugestehen wollen: 

Andere zeigen sich verwundert darüber, dass viele Frauen auf Twitter kritisieren, dass mit Amy Coney Barrett eine junge Frau zur neuen Richterin am Supreme Court wird. „Wenn Demokraten sich für Frauen einsetzen, warum stimmen sie dann gegen Amy Coney Barrett?“, fragt ein Nutzer. Eine andere Nutzerin schrieb schlicht: „ACB sollte eine feministische Ikone sein.“

Daraufhin äußerten sich auch feministische Stimmen und erklärten, warum es nicht zwangsläufig feministisch sei, sich über die Wahl Amy Coney Barretts zu freuen – beziehungsweise sogar nicht-feministisch, sich nicht zu freuen. Eine Nutzerin macht in mehreren Tweets darauf aufmerksam, dass Frauen sich nicht automatisch für Frauenrechte einsetzen. Das habe Amy Coney Barrett in ihrer Zeit als Richterin bereits bestätigt. Auch Frauen könnten das Patriarchat mit ihren Positionen stärken. Sie schreibt: „Amy Coney Barrett ist keine Abweichung, sondern die Erfüllung der jahrzehntelangen Arbeit der Konservativen, die rücksichtslos und eifrig diszipliniert waren.“

Weil die Bestätigung von Amy Coney Barrett kurz vor der Präsidentschaftswahl in den USA stattgefunden hat, nehmen die meisten Nutzer*innen die Wahl zum Anlass, zum Wählen aufzurufen. Wenn man empört über die Entscheidung sei, dann solle man das im Wahlbüro zeigen. Ein Nutzer schreibt: „Das ist unsere letzte Chance.“

fsk

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