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US-Wahl: 2016 haben sie Trump gewählt – und jetzt?
Bei der US-Präsidentschaftswahl 2016 haben die 18- bis 29-Jährigen mehrheitlich für die Demokraten gestimmt: 58 Prozent wählten damals Hillary Clinton, nur 28 Prozent Donald Trump. Damit machte diese Altersgruppe den kleinsten Anteil der Trump-Wählerschaft aus. Aktuellen Umfragen zufolge könnte es bei den kommenden Wahlen ähnlich aussehen: 59 Prozent der Wähler*innen zwischen 18 und 29 tendieren demnach zu Joe Biden, 29 Prozent zu Trump. Insgesamt führt Biden in den Umfragen derzeit mit 52 zu 42 Prozent. Allerdings hatten die Wahlprognosen vor vier Jahren auch einen Sieg von Hillary Clinton vorausgesagt und lagen damit allesamt falsch. Noch ist also alles offen.
Wir haben drei junge Menschen, die 2016 Trump gewählt haben, gefragt, ob sie auch diesmal für ihn stimmen wollen.
„Ich wähle vor allem die Partei, nicht die Person“
Peter Hamilton, 23, Jura-Student an der University of Virginia
„Ich werde wieder Trump wählen. Ich gebe gerne zu, dass er Fehler hat, kein Kandidat ist perfekt. Das habe ich schon 2016 so gesehen. Aber ich wähle vor allem die Partei, nicht die Person. Ich denke, das unterscheidet mich von vielen Trump-Wähler*innen, die mit der republikanischen Partei unglücklich waren und glauben, dass Trump frischen Wind reinbringt – 2016 war das sogar ein noch größerer Faktor.
Letztlich ist es die Partei, nicht der einzelne Mensch im Weißen Haus, die die Steuerpolitik und die Zusammensetzung des Supreme Court prägt. Ich bin kein progressiver Linker, darum wähle ich nicht die Demokraten, gleichzeitig bin ich dafür, dass die legale Einwanderung in die USA vereinfacht werden sollte – ich stimme also nicht mit allem überein, wofür die Republikaner stehen. Aber ich bin der Meinung, dass man dann versuchen sollte, die Partei von innen zu verändern. Darum bin ich seit der vergangenen Wahl politisch selbst aktiv und habe zum Beispiel eine Gruppe für junge konservative Amerikaner mit asiatisch-pazifischen Wurzeln gegründet.
Trump hat politisch einen guten Job gemacht: Er hat eine Steuerreform umgesetzt und für einen Wirtschaftsaufschwung gesorgt. Zumindest bis zur Covid-Krise – wie er die gehandhabt hat, kann man diskutieren. Ich vermute, die Wirtschaft wäre noch stärker abgestürzt, wenn er einen strikteren Lockdown durchgesetzt hätte. 200 000 Tote sind eine Tragödie, aber eine völlig zerstörte Wirtschaft hätte auch Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und unsere Gesellschaft: mehr Suizide, mehr häusliche Gewalt, mehr Kriminalität, mehr Armut.
Trump hat sehr viele Richter*innen eingesetzt, nicht nur am Supreme Court, sondern auch an den Bezirksgerichte, und damit die konservative Ausrichtung der USA gesichert. Das finde ich gut. Und dann gibt es noch eine Sache, die viele gerne verschweigen, weil sie nicht in ihr Narrativ passt: Weiße Männer sind zwar Trumps Kernwähler, aber er hat auch Minderheiten wieder stärker an die Republikaner gebunden. In der lateinamerikanischen Community in Florida ist er zum Beispiel ziemlich beliebt. Er hat die Förderung für historisch afroamerikanische Colleges und Universitäten erhöht und Investitionen in mehrheitlich Schwarzen Stadtvierteln gefördert. Vor der Covid-Krise war die Arbeitslosigkeit unter Schwarzen in den USA so gering wie noch nie. Ich denke, dass so vielleicht das identitätspolitische System aufgebrochen werden kann: Es sollte einfach nicht so sein, dass Angehörige einer Minderheit auf jeden Fall die Demokraten wählen.
In den USA scheint man aktuell in zwei völlig verschiedenen Welten zu leben, je nachdem, ob man Trump unterstützt oder nicht. Für die einen ist er das Beste, was den USA je passiert ist, für die anderen das Schlimmste. Wenn man sich unsere Geschichte anschaut, muss man sagen: Beides trifft nicht zu. Aber die Polarisierung macht es schwierig, sich verlässlich zu informieren. Die mediale Berichterstattung ist parteiisch – und überwiegend links. Ähnlich ist es in Wissenschaft und Bildung, in der Kunst- und Unterhaltungsbranche, alles Bereiche, die einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinung haben. Ihre Vertreter*innen haben Trump nie eine Chance gegeben. Ja, ich finde auch, dass er beleidigende und plumpe Sachen gesagt hat, und ich kann verstehen, wenn man ihn nicht mag. Aber ich finde eben auch, dass zu viele bei ihm immer nur vom Schlechtesten ausgehen.
Wenn Trump wiedergewählt werden sollte, wünsche ich mir, dass er die Beziehungen zu Europa verbessert, die hat er in den vergangenen Jahren unnötig belastet. Der Nahost-Friedensplan war bisher ein großer Erfolg, da sollte er dranbleiben, weiterhin angemessen hart gegenüber China auftreten und gegenüber Putin konsequenter. Außerdem hoffe ich, dass er in einer zweiten Amtszeit einen zivilisierteren Ton anschlägt. Dass er sich – anders kann ich es nicht ausdrücken – einfach mal ein bisschen entspannt und nicht immer gleich so aggressiv wird.“
„Ich wäre ein Idiot, wenn ich nicht spätestens jetzt sagen würde: Okay, Lektion gelernt“
Benjamin Sweetwood, 31, Inhaber eine Filmproduktionsfirma in New York
„Ich will keine abschließende Aussage treffen, solange ich noch nicht gewählt habe – aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht für Trump stimmen werde. Wahrscheinlich wähle ich Biden, vielleicht auch eine*n der andere*n Kandidat*innen.
Trumps ,America first‘-Gerede fand ich immer eher abstoßend, aber ich wollte 2016 jemanden ins Amt wählen, der das Leid der Menschen wahrnimmt und sich um sie kümmert. Das Problem unseres politischen Systems ist, dass die Politiker*innen sich hinter Mauern aus Marmor verstecken und weit weg von den echten Menschen ein Leben im Luxus führen. Davon müssen wir wegkommen, zurück zu den Werten, auf Basis derer die USA gegründet wurden: George Washington, der erste amerikanische Präsident, ist den Menschen auf Augenhöhe begegnet. Vor vier Jahren dachte ich, Trump wäre besser dafür geeignet als Hillary Clinton. Aber diese Erwartung hat er nicht erfüllt.
Die Spaltung der Bevölkerung hat sich verschlimmert. In erster Linie sind wir als Amerikaner*innen selbst daran schuld – aber Trump ist nun mal Präsident und die Stimmung im Land spiegelt auch ihn und sein Verhalten wider. Seine Anhänger*innen sagen gerne, dass seine Gegner*innen ihn immer schlecht machen würden, egal, was er tut. Aber ich denke, ein guter Präsident findet einen Mittelweg. Wenn er ehrlich ist und Mitgefühl zeigt, werden ihn zwar immer noch nicht alle wählen, aber sie würden ihn als Person im Amt anerkennen. Was das angeht, hat Trump elendig versagt.
Ich werde ihn jetzt nicht als Rassist bezeichnen, denn das ist ein sehr harter Begriff, der in den USA ständig und viel zu beiläufig verwendet wird. Aber Trumps Wortwahl zum Thema ,race‘ hat mich schon während des Wahlkampf geärgert und im Amt hat er die giftige Anti-Einwanderungs-Rhetorik der Republikaner weiter verstärkt. Auch, dass Trump sich in der Debatte mit Joe Biden nicht von den rechtsextremen ,Proud Boys‘ distanziert hat, finde ich problematisch. Es hätte einfach sagen können: ,Ich verurteile White Supremacy.‘ Stattdessen hat er einen inakzeptablen Kommentar abgegeben und damit alles nur noch schlimmer gemacht. Ich wäre ein Idiot, wenn ich nicht spätestens jetzt sagen würde: Okay, Lektion gelernt, es ist eindeutig, auf welcher Seite Trump steht.
Viele Konservative verteidigen Trumps Corona-Politik, indem sie sagen: ,Großartig, dass er in der Krise nicht alle Macht an sich gerissen hat und darum die Bundesregierung nicht alles entschieden hat.‘ Ja, wir haben einen föderalen Staat und niemand kann sagen, wer genau die Schuld an der schlimmen Corona-Situation in New York trägt: Gouverneur Cuomo? Präsident Trump? Aber Trump hätte nicht gegen Dr. Fauci, den führenden Virologen des Landes, hetzen sollen und er hätte auch nicht dieses ewige Hin und Her um die Masken veranstalten müssen. Eine tödliche Krankheit sollte eigentlich kein politisches Thema sein, aber Trump tut auch in diesem Fall, was er immer tut: Er versucht, die Situation zu seinem eigenen Vorteil zu nutzen und sich bei seiner Basis beliebter zu machen.
Ob er in seinem Amt auch Positives erreicht hat, müssen wir abwarten – Politik in Echtzeit zu bewerten, ist immer schwierig. Ich finde es gut, dass der Einfluss des ,Islamischen Staats‘ während Trumps Amtszeit abgenommen hat, dass Bürokratie abgebaut wurde, auch der Nahost-Friedensplan war ein Erfolg. Aber ich bin nicht bereit, das zu feiern, bevor ich nicht weiß, wie es sich langfristig entwickelt. Ob wir uns aus Afghanistan zurückziehen sollten oder nicht, halte ich für eine berechtigte Frage. Aber mich stört die Art, wie Trump den Rückzug gestaltet. Afghanische Aktivistinnen haben gesagt: ,Wenn die USA sich einfach blind zurückziehen und die Taliban übernehmen, werden wir darunter leiden.‘ Die Hoffnungslosigkeit dieser Menschen treibt mich um.
Ich bereue es nicht, 2016 für Trump gestimmt zu haben. Aber stolz bin ich auch nicht darauf. Vor allem bin ich aber sehr enttäuscht, wie sich seine Präsidentschaft entwickelt hat. Meine größte Hoffnung ist, dass der nächste Präsident unermüdliches Engagement zeigt – und zwar nicht für Wahlkampfveranstaltungen, sondern dafür, die amerikanische Bevölkerung, all ihrer Kompromisslosigkeit und Angriffslustigkeit zum Trotz, wieder zu vereinen. Und es ist ziemlich offensichtlich, dass Trump das nicht tun würde.“
„Trump hat alles umgesetzt, was ich mir von ihm erhofft hatte“
Kylie Johnson, 25, Geschichtslehrerin in Kalifornien
„Ich werde wieder für Trump stimmen. Er hat als Präsident einen großartigen Job gemacht, trotz der parteipolitischen Kämpfe, mit denen versucht wurde, ihn als Person schlecht zu machen und unser Land auseinander zu reißen.
Die USA wollten jemanden im Weißen Haus, der kein Langzeit-Karrierepolitiker ist, und mit Präsident Trump haben sie so jemanden bekommen. Er ist ein Geschäftsmann und hat Kompetenzen mit ins Amt gebracht, die Politiker*innen der Linken nicht mögen. Eigentlich hat er alles umgesetzt, was ich mir von ihm erhofft hatte: Er hat Steuererleichterung für Unternehmen eingeführt und Sozialleistungen der Regierung gekürzt. Unsere Truppen aus Ländern abgezogen, in denen wir nichts zu suchen haben. Mit einigen Ländern die außenpolitischen Beziehungen verbessert und gleichzeitig anderen klargemacht, dass die USA nicht ihr günstiger Geldgeber ist. Er hat seinen Job als konservativer, republikanischer Präsident gemacht und die Partei ist unter ihm vereint wie nie. Leider ist es mittlerweile gefährlich, diese Meinung über Trump zu haben. Immer wieder werden Menschen körperlich angegriffen oder verbal beleidigt, wenn sie erwähnen, dass er gar nicht so schlimm ist, oder sich positiv über seine Politik äußern.
Ja, Trump sagt krasse Sachen, die auch mich zusammenzucken lassen. Aber das heißt nicht, dass er keine gute Arbeit macht. Wünschte ich manchmal, er würde den Mund halten? Auf jeden Fall. Denn mit seinen Aussagen gibt er den Demokraten immer neue Gründe, ihn anzugreifen. Ich glaube, wenn die Demokraten ihn nicht so sehr als Person hassen und weniger ausbremsen würden, hätte er politisch noch viel mehr zustande gebracht.
Was die Corona-Pandemie angeht, glaube ich nicht, dass Trump für den Verlauf und die vielen Toten in den USA verantwortlich ist. Er hat immer wieder gesagt, dass man zu Hause bleiben oder eine Maske trage soll, wenn man sich unsicher fühlt – aber dass unsere Freiheit es uns auch erlauben sollte, so mit der Pandemie umzugehen, wie wir es für richtig halten. Wenn jemand also rausgehen und seine Gesundheit riskieren will, dann sollte er das tun dürfen. Vorsichtsmaßnahmen wie Abstand halten finde ich richtig. Aber ich bin gegen die extreme Variante: staatliche Vorschriften, die die Freiheit und die freie Entscheidung, die unser Land schon so lange vertritt und schützt, mit Füßen treten würden
Mittlerweile wird Trump von vielen immer negativ wahrgenommen, egal, wie gut er in bestimmten Bereichen agiert haben mag. Es ist bedauerlich, dass Menschen lieber den Beschwerden über einzelne Aussagen glauben oder sich in Sticheleien über sein Äußeres ergehen, anstatt selbst zu recherchieren, was er politisch bewirkt hat. Ich fände es in Ordnung, wenn jemand ihn wegen der Steuerkürzungen oder seiner Unterstützung für das Militär nicht mag – aber ihn wegen seiner Frisur oder seiner Art zu sprechen als Präsidenten abzulehnen? Das ist kindisch und ungefähr die Taktik von Schülern, die andere auf dem Pausenhof mobben.“