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US-Wahl 2020: Warum wählen viele immer noch Trump?
Warum vertrauen immer noch so viele Menschen auf Trump?
Auch Tage nach der US-Wahlnacht steht noch nicht fest, ob Joe Biden oder Donald Trump der nächste US-Präsident wird. In einigen Swing-States werden noch immer Stimmen ausgezählt. Donald Trump liegt gerade (Stand 6. November, 11.25 Uhr) zwar hinten, aber eben nur knapp. Viele Deutsche wundert das: Was schätzen viele US-Amerikaner:innen so an ihrem Präsidenten? Warum wählten ihn auch viele Migrant:innen, obwohl er rassistisch ist? Wieso vertrauen ihm seine Anhänger:innen, obwohl Trumps Aussagen oft nachweislich falsch sind? Darüber spricht der politische Psychologe Joris Lammers im Telefoninterview.
jetzt: Herr Lammers, es gibt sehr, sehr viele Menschen, die Trump verehren wie einen Popstar, manche hängen Poster von ihm auf, kreischen, wenn sie ihn bei Auftritten sehen. Wie schafft er das, Leute so sehr für sich zu begeistern?
Joris Lammers: Donald Trump ist und war schon 2016 ein idealer Kandidat für die Konservativen. Er ist bekannt als erfolgreicher Geschäftsmann und eine Person, die man mit den 90ern verbindet, er tauchte zum Beispiel in „Home alone“ auf, selbst ich hatte als Kind ein Brettspiel von ihm. Für Donald Trump selbst war das ein Problem, dass er eine Figur der Vergangenheit ist, er wollte das ändern – aber seine Wähler finden gerade das gut. Konservative wollen eine Politik, die darauf ausgerichtet ist, dass alles so wird, wie es früher mal war.
Prof. Dr. Joris Lammers lehrt als politischer Psychologe an der Uni Köln.
Dann ist klar, warum Trumps Motto „Make America great again“ bei der Wahl 2016 so gut ankam. Aber inzwischen weiß man, wie er regiert. Donald Trump lügt offen, das ist belegbar – wie können ihm so viele Menschen dennoch vertrauen?
Eigentlich kann man ihm gar nicht vertrauen. Die Frage ist eher: Warum machen die Leute das trotzdem? Meine Antwort wäre: Medienkonsum. Demokraten lesen öfter die New York Times, Trump-Fans schauen eher Fox News. Ihre Perspektive auf die Welt ist ganz anders. Sie sahen beispielsweise als Sieg für Trump an, dass er nicht impeacht wurde. Dabei war doch die Russland-Affäre kein Sieg für ihn.
„Natürlich ist Trump ein Rassist und Sexist – aber auch Minderheiten können rassistisch und sexistisch sein“
Die Loyalität zu Trump scheint aber stärker zu sein als die zu Fox News. Nachdem Fox News Biden frühzeitig als Gewinner im Staat Arizona erklärt hatte, tauchte ein Mob wütender Trump-Anhänger:innen vor dem Sender auf.
Ja, das stimmt. Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickeln wird. Fox News war hier aber auch nur ein Beispiel, viele Trump-Fans nutzen natürlich auch Medien und Webseiten, die noch deutlich weiter rechts stehen als dieser Sender.
Viele Menschen verehren Trump – wieso nur?
Viele Expert:innen wunderten sich, wieso dieses Jahr mehr Schwarze und Latinos Trump gewählt haben als im Jahr 2016 – wo Trump sich doch als Präsident gegen „Black Lives Matter“-Demos aussprach und eine Mauer zu Mexiko bauen will. Wundern Sie sich auch?
Nein, ich halte das für eine Verzerrung in der weißen Wahrnehmung. Viele Weiße fragen sich: Wie können die für Trump sein, wo er doch ein Rassist ist? Aber es gibt natürlich auch in diesen Bevölkerungsgruppen verschiedene Meinungen. Vielleicht mögen sie Trumps Politik oder sind nicht einverstanden damit, wie Biden mit Covid-19 umgeht. Und natürlich ist Trump ein Rassist und Sexist – aber auch Minderheiten können rassistisch und sexistisch sein. Daher irritiert mich die allgemeine Verwunderung darüber, dass die Demokraten nicht alle Schwarzen Stimmen geholt haben zum Beispiel. Dass sie prozentual so viele geholt haben, ist doch ein riesiger Erfolg.
Manche wundern sich darüber hinaus aber auch, warum überhaupt jemand Trump wählt.
Die Deutschen denken, Trump sei ein schlechter Politiker. Ich stimme da zu. Viele Amerikaner glauben aber, dass er zum Beispiel gut wirtschaftet. Zusätzlich hat er als Amtsinhaber einen Status-Quo-Vorteil gegenüber Konkurrent Joe Biden, Menschen fürchten sich oft vor Veränderungen und wählen den amtierenden Präsidenten daher eher wieder. Ich denke aber auch, dass viele Trump nicht wegen Trump, sondern trotz Trump wählen.
„Republikanische Wähler finden also vielleicht anders als Deutsche, dass Joe Biden der eigentliche Skandal ist“
Inwiefern?
Amerikaner sehen sich meist entweder als Republikaner oder als Demokraten. Sie machen ihre eigene Identität daran fest, ob sie dem einen oder dem anderen Lager angehören. Gegenüber dem jeweils anderen Lager haben sie oft starke negative Vorurteile. Das beeinflusst dann, wie sie Themen, Kandidaten und deren Skandale beurteilen. Republikanische Wähler finden also vielleicht anders als Deutsche, dass Joe Biden der eigentliche Skandal ist.
Aber Donald Trumps Skandale kann man doch kaum leugnen? Er äußerte sich frauenfeindlich, rassistisch, führte als Milliardär kaum Steuern ab ...
Doch, das geht. Dahinter steht das Phänomen der motivierten Wahrnehmung: Menschen sehen die Dinge oft so, wie sie sie sehen wollen. Ein Republikaner will den republikanischen Kandidaten toll finden. Je mehr Skandale es um ihn gibt, desto stärker haben die republikanischen Anhänger das Bedürfnis, dem etwas entgegenzustellen. Trump wird beispielsweise extrem zum „selfmade business genius“ verklärt. Das ist für viele einfacher als die Seite zu wechseln.
Einige deutsche Journalist:innen resümierten aber beispielsweise in ARD-Sendungen nach der Wahl, Donald Trump habe die Amerikaner:innen offenbar besser verstanden, als die meisten geglaubt hätten. Was meinen Sie: Hat er sie denn verstanden?
Naja, die Journalistinnen und Journalisten zeigten sich da überrascht, weil die Umfragen angeblich so daneben gelegen hätten. Dabei waren die Polls nicht schlecht für ein so kompliziertes Wahlsystem. Es wurde prognostiziert, dass Biden mit etwas Abstand vorne liegen oder es sehr eng werden würde. Letzteres trifft zu. Ich glaube jedenfalls immer noch nicht, dass Trump die Wähler so besonders gut verstanden hat. Auch wenn seine „dirty Campaign“, Biden schlecht zu machen, bei vielen ganz gut funktioniert hat.
„Trump wird von vielen als jemand wahrgenommen, der Amerika gegen andere Länder verteidigt“
Trump präsentiert sich selbst immer wieder als starken, mächtigen Anführer. Sein Führungsstil ist eher autoritär. Warum kommt das gut an?
Viele Menschen finden dominante Anführer schon von Kindheit an gut. Da gibt es Experimente, wo Kinder beispielsweise einen Anführer, zum Beispiel einen Kapitän für ein Segelschiff, auswählen sollen. Die Mehrheit wählt einen, der dominant wirkt. An einen Menschen, der dominant wirkt, hat man irgendwie die Erwartung, dass die Person schnell und stark handelt und sich nicht vor schwierigen Entscheidungen scheut. Besonders in Sachen Wirtschaft oder internationaler Politik kommt das bei vielen Amerikanern gut an, das sind dort zwei Hauptthemen. Trump wird mit „America First“ von vielen als jemand wahrgenommen, der Amerika gegen andere Länder verteidigt.
Wie würden Sie die Beziehung zwischen Trump und der Bevölkerung beschreiben?
Trump interessiert sich nur für Menschen, die ihn weiterbringen. Klinische Psychologie ist nicht mein Fachgebiet, aber dass Trump zumindest narzisstische Persönlichkeitsaspekte hat, kann man denke ich schon sagen. Narzissten wenden sich von Leuten, die sie nicht instrumentalisieren können, ab. Solche Menschen sind für ihn „Loser“.
Trump ist vermutlich gar nicht derjenige, der das Land zuerst gespalten hat, er vertieft aber die Risse, zum Beispiel mit der Behauptung, die Wahl sei manipuliert worden. Viele fürchten inzwischen einen Bürgerkrieg.
Ich denke, Trump macht das bewusst. Er schürt Angst, verbreitet Verschwörungsmythen und kreiert Feindbilder. Das ist eigentlich ganz leicht. Denn Menschen denken schnell in Kategorien und Gruppen, bilden sich pauschale Urteile. Die Welt wird schließlich einfacher, wenn man sie reduziert. Wenn dann jemand wie Trump sagt: „Der da will euch eure Waffen wegnehmen“ oder „Die da wollen euch eure Stimmen wegnehmen“, dann glauben sie das und kriegen Angst. Und das kann extrem gefährlich werden.