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Twitter-Reaktionen nach Jamaika-Scheitern
Manchmal ist das Netz doch ein sehr gutes Kontrastmittel, um die Stimmung im Land zu verdeutlichen. Auf Twitter, der gnadenlosen Witze-Maschine, dem Stahlbad der Shitstorms, wo im Stakkato jeder eine Meinung oder wenigstens einen dummen Spruch raushaut, herrscht an diesem Montagmorgen, dem Tag eins nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen, fast so etwas wie Leere. Natürlich gibt es die zwanghaften Wortspiele, den hämischen Sarkasmus, den Galgenhumor.
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Damit erschöpft sich der Humor fast schon. Und natürlich bringen die jeweiligen Lager – Lindner-Fans, Merkel-Hasser, Lindner-Hasser – ihre Argumente in Stellung.
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Doch sonst bleiben auf Twitter, wo normalerweise ein Feuerwerk des Comic Relief brennt und jeder sofort genau weiß, wer Schuld ist, viele Kommentatoren bemerkenswert ratlos. Natürlich sei es egoistisch von Christian Lindner und seiner FDP, die Gespräche nach vier Wochen für gescheitert zu erklären.
Aber andererseits kommt es, wenn man sich nur zehn Minuten mit ihm beschäftigt hat, kaum überraschend. Für seine Partei ist die Opposition wahrscheinlich besser als eine gezwungene Regierung. Er hat dabei am wenigsten zu verlieren. Anders als Merkels CDU oder Seehofers CSU ist Nichtregieren für die FDP keine Strafe. Und anders als die Grünen hat die FDP nicht zwölf lange Jahre Opposition im Kreuz, sondern mit dem Wiedereinzug in den Bundestag nach vier Jahren Abstinenz einen großen Erfolg errungen.
Alles erklärbar also, insofern man nicht nur oberflächlich den tausendsten Witz über sein Aussehen und seine Eitelkeit macht. Das Schlimme an der Nachricht des Sondierungs-Scheiterns ist auch nicht das Ausbleiben einer maximalkomplizierten Koalition, von der keiner sich zu sagen traute, dass sie dem Land wirklich gut täte. Sondern dass jetzt niemand, weder die schlauen Analysten, die schnellen Twitterer und schon gar nicht die Politiker zu wissen scheinen, wie es weitergeht. Neuwahlen, Minderheitsregierung, ein Umfallen der SPD? Alles gleich unwahrscheinlich. Und was daraus folgen würde? Unmöglich vorherzusehen.
Und so lohnt es sich vielleicht, an diesem Montag morgen inne zu halten, Twitter wieder zu und sich selbst klar zu machen: So ratlos war dieses Land lange nicht mehr.
Politik und Gesellschaft können deshalb manchmal auch so sein: Eher kollektives Ausatmen. Ein Nichtangriffspakt der Ratlosigkeit. Wohltuend wenig Freund-Feind-Gekeife. Es ist nunmal alles sehr kompliziert gerade. Die letzten Wochen bildeten das genau ab. Natürlich ist sich immer noch jeder Politiker selbst der nächste. Aber komplett verbiegen können sie sich eben auch nicht.
Vielleicht kann man diesen Zustand also sogar genießen, trotz der Unsicherheit. Er passt in eine Welt, die man immer weniger versteht. Auf eine Art ist Politik vielleicht gerade relativ ehrlich.