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True Fruits: Wie der Smoothie-Hersteller mit Provokationen im Gespräch bleibt
Die Buchautorin Charlotte Roche, Influencerin Daria Daria und auch dieser Text tun es: Sie alle thematisieren die provokanten Werbebotschaften des deutschen Smoothie-Hersteller True Fruits. Zuletzt stand das Unternehmen wegen seines Werbeslogans: „Summer, wann feierst du endlich dein Cumback?“ in der Kritik. In Zusammenhang mit dem Slogan war das Foto eines nackten Frauenrückens zu sehen, auf den ein Penis aus Sonnencreme ejakulierte. Mittlerweile hat True Fruits die Kampagne offline genommen – allerdings nicht aus Einsicht, sondern wegen einiger Probleme mit den Bildrechten. Zu diesem Zeitpunkt war die Kampagne aber schon in aller Munde – und das zumeist nicht positiv. War sie also trotzdem ein Erfolg?
Die 31-jährige Studentin und ehemalige Kundin Kyra sieht das anders. Sie ist von der Kommunikationsstrategie des Unternehmens enttäuscht und hat bereits im Februar dieses Jahres die Gegenkampagne #truediskriminierung gestartet. Darin fordert sie Handelspartner*innen dazu auf, die Produkte von True Fruits aus den Regalen zu nehmen, sollte das Unternehmen seine Werbestrategie nicht ändern. Rund 56 000 Menschen unterstützen sie inzwischen.
Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass True Fruits mit seinen provokanten Werbebotschaften für Diskussionen sorgt. Unter anderem bekam das Unternehmen mit Sprüchen wie „unser Quotenschwarzer“ und „schafft es selten über Grenzen“ für einen schwarzen Smoothie bereits viel Kritik, ein anderer Claim lautete „abgefüllt und mitgenommen“. Auch die Tatsache, dass ein True-Fruits-Gründer in regelmäßigen Abständen verschiedenen Unternehmen einen sogenannten „Eier aus Stahl Award“ verleiht, wird kontrovers diskutiert – der Award zeigt einen Originalabdruck seiner Hoden.
Als ehemalige Auszubildende in einem Autohaus, die selbst bereits Erfahrungen mit Diskriminierung am Arbeitsplatz gemacht hat, fühlt Kyra sich von den provokanten Werbebotschaften angegriffen. Nachdem das Unternehmen trotz zunehmender negativer Kritik mit den provokanten Botschaften weitermachte, startete sie im Februar ihre Kampagne. True Fruits reagierte, wie auf die meiste Kritik, spöttisch und rief dazu auf, die Petition zu unterschreiben. Darunter stand: „Achtung, diese Werbung könnte von dummen Menschen missverstanden werden.“
Teilweise werden Betroffene durch die Werbung an ihre traumatischen Erlebnisse erinnert
In der Zwischenzeit hat Kyra allerdings auch prominente Unterstützung für ihr Anliegen bekommen: Die Influencerin Madeleine Daria Alizadeh, besser bekannt als Daria Daria, und die Buchautorin Charlotte Roche rufen auf Social Media ebenfalls zum Boykott von True Fruits auf. In Ihrer Instagram-Story veröffentlichte Roche kürzlich ein Video, in dem sie in einem Supermarkt andere Smoothie-Produkte vor die True-Fruits-Flaschen räumte und ihre Community aufforderte, es ihr gleich zu tun.
„Inzwischen reagieren neben Handelspartner*innen wie dem Studierendenwerk Stuttgart und dem Schweizer Unternehmen Globus, die sich beide dazu entschlossen haben, die True Fruits Produkte auszulisten, auch immer mehr Privatleute auf meine Kampagne“, sagt Kyra. Ihr zufolge wenden sich auch oft Menschen an sie, die schon einmal von Diskriminierung oder sexueller Gewalt betroffen waren.
„Sie haben mir erzählt, dass es ihnen aufgrund der Werbung und den verhöhnenden Reaktionen des Unternehmens sehr schlecht geht, sie das Gefühl haben nicht ernst genommen zu werden. Teilweise werden sie sogar erneut an ihre traumatischen Erlebnisse erinnert. Von diesen Menschen erhalte ich oft positives Feedback, weil sie durch #truediskriminierung eine Plattform erhalten und es ihnen besonders wichtig ist, dass durch die Kampagne auch andere Menschen für diese Themen sensibilisiert werden“, sagt Kyra.
True Fruits sagt: „Dumm ist für uns, wer blind den Radikalaposteln hinterherläuft“
Auch der Deutsche Werberat hat sich Ende August in die Debatte eingeschaltet und die Werbung mit dem Slogan „Sommer, wann feierst du dein Cumback?“ nach rund 900 eingegangenen Beschwerden nachträglich beanstandet: „Sexualität und sexuelle Spielarten sind keineswegs tabuisierte Themen in unserer Gesellschaft und auch nicht in der Werbung“, schreibt Julia Busse, Geschäftsführerin des Deutschen Werberats, in einer Pressemitteilung zu der Entscheidung. „True Fruits sollte sich aber schon fragen, ob die Obszönität und die Tonalität der beanstandeten Motive Gradmesser für legitime und gesellschaftlich akzeptierte Stilmittel zukünftiger Werbemaßnahmen sein sollten“, so Busse.
True Fruits reagierte auf die gesammelten Anschuldigungen in einem Facebook-Post. Darin schrieb das Unternehmen unter anderem: „Wenn wirklich jemand bei dem Anblick eines Sonnencreme-Penis an ein Trauma erinnert bzw. getriggert wird, wäre unser ehrlicher, freundlicher Rat, sich mit den eigenen Bewältigungsstrategien auseinander zu setzen.“ Die Verantwortlichen stünden keinesfalls für Rassismus und Sexismus, ihre Kritiker sollten sich genauer mit ihren Inhalten befassen: „Wir versenden bereits alle Motive mit dem Hinweis ,Achtung: diese Werbung könnte von dummen Menschen missverstanden werden!‘ Dumm ist für uns, wer blind den Radikalaposteln hinterherläuft und nicht selbstkritisch hinterfragt.“
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Doch was bedeutet das alles jetzt für den Erfolg von True Fruits? Tatsache ist, dass der Smoothie-Markt hart umkämpft ist. True Fruits wurde 2006 von befreundeten Studenten in Deutschland gegründet, mittlerweile arbeiten hier rund 30 Personen. 2017 war das Unternehmen mit einem Umsatz von rund 43 Millionen Euro deutschlandweit einer der Marktführer. Konkurrent „Innocent“ liegt europaweit allerdings vorne, beschäftigt 300 Mitarbeiter*innen und macht nach eigenen Angaben einen Jahresumsatz von 260 Millionen Euro. Innocent hat seit 2013 außerdem als größten Geldgeber Coca Cola im Rücken. Braucht True Fruits also die Provokation, um überhaupt aufzufallen?
Markus Renner, Professor für Branding und Reputation an der Basel School of Business erklärt: „Provokation in der Werbung kann sehr erfolgreich sein, weil sie Aufmerksamkeit erzeugt und polarisiert. Die einen finden das geschmacklos, die anderen ziemlich genial.“
Nicht in allen Fällen schaden vermeintlich negative Schlagzeilen dem Unternehmen
Von einem schnellen Kurswechsel rät Renner deshalb ab: „Würde das Unternehmen von seiner Kommunikationsstrategie abweichen, kann es zu einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden kommen, da es bei seinen Unterstützern an Glaubwürdigkeit verliert. True Fruits hat sich eine Strategie aufgebaut, die mir von außen betrachtet authentisch erscheint, und in der Unternehmensphilosophie ist ein roter Faden erkennbar. Wenn True Fruits also von der eigenen Positionierung abweichen würde, wofür steht dann das Unternehmen?“ Selbst wenn die Firma also wollte, würde ihr ein Rückzug daher mit großer Wahrscheinlichkeit schaden, denn: „Wenn eine Life-Style-Firma wie True Fruits sich nicht als Marke positioniert, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit für ihre Kunden irrelevant – und damit auf Dauer vom Markt verschwinden.“
Eine Änderung der Kommunikationsstrategie sollte laut Renner daher immer gut durchdacht werden, denn nicht in allen Fällen schaden vermeintlich negative Schlagzeilen dem Unternehmen. „Dass sie damit Kritik auslösen und sicherlich auch einen erheblichen Teil potenzieller Kunden vergraulen, nimmt das Unternehmen bewusst in Kauf. Das Resultat daraus ist, dass über True Fruits gesprochen und sicherlich auch konträr diskutiert wird – allein das ist schon ein Erfolg.“
Was bedeutet das alles für Kyras Petition? Verhilft sie damit dem Unternehmen zu mehr Aufmerksamkeit und damit einem größeren Erfolg, als ihr tatsächlich lieb ist? „Dass das Unternehmen nun vermehrt in der Öffentlichkeit steht und die Petition einen Teil dazu beiträgt, finde ich nicht problematisch. Ganz im Gegenteil. Ich denke, dass die Strategie von True Fruits, um jeden Preis Aufmerksamkeit zu generieren, dem Unternehmen langsam zum Verhängnis wird. Für das Unternehmen kann die Provokation auf Dauer nicht erfolgreich sein, da sich nun immer mehr Handelspartner von den Produkten von True Fruits distanzieren,“ sagt Kyra.