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„Schwarze Menschen werden immer wieder brutal angegangen“

Foto: privat

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„Wir reden immer von Gleichheit und Gleichberechtigung. Aber es ist immer noch in unserer Gesellschaft verankert, dass Schwarze Menschen ohne Rücksicht und brutal angegangen werden“, sagt Oloruntoyin Manly-Spain. Sie ist Aktivistin der „Black Community Hamburg“, einem Verband, der sich gegen Rassismus starkmacht. Und sie ist Mitiniatorin der Proteste gegen einen Vorfall vor dem Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), an dessen Folgen ein aus Kamerun stammender Mann starb. Ein Vorfall, von dem Manly-Spain sagt: Einem Weißen wäre das nicht passiert.

Was genau passiert ist, ist noch unklar. Was wir wissen: Der 34-jährige William Tonou-Mbobda befand sich am 21. April auf freiwilliger Basis zur Behandlung in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses. Nach Angaben der Hamburger Polizei soll sich sein Zustand dort verschlechtert haben. Aus diesem Grund hat die diensthabende Ärztin einen vorläufigen Unterbringungsbeschluss beantragt, um Tonou-Mbobda in der Klinik zu behalten. Dieser Beschluss lag laut Polizei noch nicht vor, als der Patient vor dem Eingang des Klinikums stand, anscheinend, um eine Zigarette zu rauchen. Dabei kamen drei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes des UKE auf ihn zu, die ihn auf seine Station zurückführen sollten. Tonou-Mbobda weigerte sich. Nach Polizeiangaben kam es dann „offenbar zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen“, bei denen Tonou-Mbobda „aus noch unbekannten Gründen“ bewusstlos wurde.  

Die Mordkommission ermittelt

In einem offenen Brief der „Black Community Hamburg“ beziehen sich die Verfasserinnen und Verfasser auf Augenzeugenberichte: Tonou-Mbobda wurde gegen seinen Willen fixiert, brutal geschlagen und getreten. Eine Ärztin spritzte ihm offenbar ein Betäubungsmittel, er wurde ohnmächtig, dann reanimiert – und der taz zufolge schließlich ins künstliche Koma versetzt. Aus diesem wachte er nicht mehr auf: Am 26. April starb der BWL-Student, der 2009 aus Kamerun nach Deutschland gekommen war. Staatsanwaltschaft und die Mordkommission des Landeskriminalamts ermitteln nun wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge. Die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma sind inzwischen beurlaubt. Auf Anfrage von jetzt sagt eine Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft: „William Tonou-Mbobda starb an Herzversagen.“ Nun sei eine weitere Obduktion angesetzt, die ergeben solle, was die Gründe für dieses Herzversagen waren. Eine Vorerkrankung? Das Betäubungsmittel? Andere Umstände? Bis zu einem eindeutigen Ergebnis könnten noch einmal vier bis acht Wochen vergehen, so die Sprecherin.

Viele glauben: Hinter der Tat steckt Rassismus. „Dieser Fall ist kein Einzelfall“, sagt Aktivistin Manly-Spain. „Wir machen in vielen Institutionen rassistische Erfahrungen. Es gibt viele Patienten, die berichten, dass ihnen nicht mit dem gleichen Mitgefühl begegnet wird.“ Die „Black Community“ hat in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen einen offenen Brief verfasst. Sie fordert eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls. Bis dahin protestiert sie. Schon zum zweiten Mal versammelten sich vergangenen Sonntag etwa 300 Menschen zu einer Mahnwache vor dem Klinikum, sie legten Blumen nieder, zündeten Kerzen an.

Bilder von der Mahnwache vom Sonntag

Bilder von der Mahnwache vom Sonntag.

Foto: privat
Tonou Mbobda

Foto: privat
Tonou Mbobda

Foto: privat

Das UKE weist die Rassismus-Vorwürfe weit von sich. Auf Nachfrage von jetzt verweist eine Sprecherin auf eine Stellungnahme, in der steht: „Wir sind zutiefst bestürzt über den Tod unseres Patienten Herrn Tonou-Mbobda. Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst und unterstützen die vorbehaltlose Aufklärung der Ereignisse mit allen Kräften. Rassismus hat im UKE keinen Platz.“ Eine Farce, finden die Aktivisten und Aktivistinnen. Denn in einer ersten Stellungnahme des Klinikums war noch von einem „medizinischen Zwischenfall“ die Rede. „Erst eine Woche nach der Tat und auf Druck der ‚Black Community Hamburg’ hat das Klinikum eine formelle Beileidsbekundung abgegeben und einen Kranz hingelegt“, sagt Manly-Spain. Das sei schockierend. Sie zieht auch Parallelen zu den Fällen Oury Jalloh und Achidi John. Jalloh starb im Jahr 2005 in einer Polizeistelle in Dessau, John 2001 nach dem Einsatz von Brechmitteln – auch im Hamburger UKE.

Die Proteste werden weitergehen

„Bei Schwarzen Männern gehen viele gleich davon aus, dass sie sehr aggressiv seien. Das sind Projektionen von inneren Bildern, die so alt sind wie die Kolonialzeit“, so Manly-Spain. Das müsse sich endlich ändern. Die „Black Community Hamburg“ fordert deswegen auch, dass antirassistische Trainings eingeführt werden – nicht nur für das Personal im Krankenhaus, sondern für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Denn: „Gewalt und struktureller Rassismus gegen Schwarze Menschen widerspricht den Werten, auf die wir immer so stolz sind: Würde, Respekt und Menschlichkeit.“ Der Fall habe ihr Vertrauen in die Gesellschaft wieder ein Stück weiter erschüttert, sagt Manly-Spain.

Bis der Fall aufgeklärt ist, wird die Community weiter laut sein. Für diesen Freitag ist eine Demonstration vor dem Hamburger Hauptbahnhof geplant, am 25. Mai eine Kundgebung vor dem Klinikum. Außerdem findet am Sonntag die dritte Mahnwache statt – und sicher nicht die letzte. Aktive Solidarität sei so wichtig, sagt Manly-Spain. „Wir wollen, dass sich endlich etwas ändert.“

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