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Max hat in Apolda die Demo gegen Rechts mitorganisiert

Foto: Zirk / Zimmer

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Nur das Rotorenbrummen des Polizeihubschraubers durchdringt am Samstagabend noch die Stille auf dem Apoldaer Marktplatz. Gruppe für Gruppe läuft Max die Gegendemonstranten ab. „Wisst ihr, wie ihr nach Hause kommt“, fragt er zwei Teenagerinnen. Auch jetzt, nach Stunden des Gegenprotests, wirkt seine Stimme beruhigend. Geduldig erklärt er, wo und wann die Shuttle-Busse nach Weimar fahren. Die Mädchen haben Angst, dass ihnen wütende Rechtextreme in den schmalen Gassen der Altstadt oder am Bahnhof auflauern. Eine berechtigte Angst, sagt ein Sprecher der Polizei. Ihre Gewaltbereitschaft haben die Rechten am Abend bereits unter Beweis gestellt: Sie warfen Flaschen und Steine auf Polizisten, versuchten Absperrungen zu durchbrechen. 

Etwa 700 Teilnehmer sind am Samstag zu einem Rechtsrock-Konzert auf dem Marktplatz in Apolda gekommen. Laut Polizei haben sich ihnen rund 500 Demonstranten entgegengestellt – keine Selbstverständlichkeit in der thüringischen Provinz. Der 23-jährige Max Reschke mit dem markanten Musketier-Bart ist hier einer der wichtigsten Akteure gegen Rechts: Er hat Teile des Gegenprotests angemeldet und organisiert. Und trotz der Ausschreitungen hat er ein wichtiges Ziel erreicht: Die Rechten, die in seiner Heimat ein Konzert aus dem Boden stampfen wollten, mussten am Ende weitgehend unverrichteter Dinge den Heimweg antreten. 

Max ist in Apolda geboren und aufgewachsen. Er wohnt immer noch gern in der Region, betreibt hier eine kleine Bio-Imkerei, studiert in der Nähe und engagiert sich bei den Grünen im Kreisverband. In ihm und seinen Mitstreitern vom Netzwerk „Buntes Weimarer Land“ – ein Bündnis aus Kirchen, Parteien, antifaschistischen Initiativen und Vereinen –  haben die Neonazis in der Region hartnäckige Gegner. Schon im August hatte das Bündnis gegen ein rechtes Konzert im benachbarten Mattstedt mobilisiert. In letzter Sekunde konnte es in Zusammenarbeit mit den Behörden untersagt werden, weil die Besitzverhältnisse auf dem angemieteten Gelände unklar blieben. Das gelingt in Thüringen nicht immer: Der Freistaat hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Hochburg für Rechtsrock-Konzerte entwickelt. 2017 wurden hier 59 derartige Veranstaltungen registriert. Im Juli 2017 kamen 6000 Neonazis aus ganz Europa zum Konzert im südthüringischen Themar.

telefon apolda

Das Telefon ist Max' ständiger Begleiter.

Foto: Zirk / Zimmer
max und maier neu

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) unterstützt Max' Engagement.

Foto: Zirk / Zimmer
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Nach dem Katz-und-Maus-Spiel mit den Rechten ist Max erschöpft.

Foto: Zirk / Zimmer

Die Rechten kennen Max. „Die drohen mir bisher nicht öffentlich, aber sie zeigen, dass sie da sind und wissen, wer ich bin“, sagt er in seiner unaufgeregten Art. Vor einer Woche zum Beispiel stand Max mit seiner Gitarre beim Apoldaer Zwiebelmarkt – einem der größten Volksfeste der Region – auf der Bühne. Auch seinen Honig hat er dort wieder verkauft. „Sechs stadtbekannte Neonazis standen immer mal wieder für zwanzig Minuten auf dem Platz vor meinem Stand. Sie haben mich nicht aus den Augen gelassen“, sagt er. Zudem hatten Unbekannte seine Telefonnummer in Baumärkten ausgehängt. Das Handy stand am Tag vor den Gegenprotesten nicht still. Angst habe er deswegen nicht, sagt Max. „Aber diese ständige Präsenz macht etwas mit dir. Die wollen, dass ich weiß, dass sie da sind und mich im Blick haben.“

Bis zum Konzert in Apolda lieferten sich die Rechten ein Katz-und-Maus-Spiel mit Behörden, Polizei und Gegendemonstranten. Sie hatten aus der Schlappe in Mattstedt gelernt und meldeten diesmal neben dem Apoldaer Markt auch ein Feld bei Magdala, einer Kleinstadt etwa 20 Kilometer südlich von Apolda, als Veranstaltungsort an, sodass es für Max und seine Mitstreiter schwierig war, konkret zu planen. Erst wenige Tage vor dem Konzert wurde verkündet, dass sie sich für Magdala entschieden hätten. Hinter dem Hügel, auf dem ihr Festzelt aufgebaut wurde, erinnert das Mahnmal der Gedenkstätte Buchenwald an die Verbrechen der Nationalsozialisten.

Ein rechter Redner in Apolda erwähnt Max als einen der Köpfe des Gegenprotests

Am Freitagvormittag stehen in der Innenstadt von Magdala eine kleine Bühne und zwei Infostände. Max hat seit Tagen nicht richtig geschlafen. Seine Aufgabenliste scheint endlos: Technik und Strom bereitstellen, Shuttle-Busse für die Gegendemonstranten organisieren, Kontakt zu Bands, Polizei, Behörden und Bündnissen halten. Das Handy ist sein ständiger Begleiter. Trotzdem nimmt er sich Zeit für die wenigen älteren Bewohner, die zum Platz in der Ortsmitte gekommen sind, beantwortet geduldig ihre Fragen. Sie wollen wissen, was sie am Abend von der Demonstration zu erwarten haben.

Gegen 15:30 Uhr erreicht ihn ein Anruf: Das Amtsgericht Weimar hat das Rechtsrock-Konzert untersagt. Der einzige Weg zum Gelände gehört der Kleinstadt und der Bürgermeister hat die Nutzung verboten. Minuten später läuft die Meldung auch auf verschiedenen Twitter-Kanälen. Laut Beschluss dürfen die Rechten den Veranstaltungsort bis Montag nicht mehr betreten, auch die Technik muss stehen bleiben. Es ist ein Teilerfolg: kein Rechtsrock in Magdala. Als Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), der an der Durchsetzung des Verbots beteiligt war, beim Gegenprotest in Magdala ankommt, bricht bei den Demonstranten Jubel aus. „Wir haben den Neonazis einen mitgegeben“, sagt er und warnt sogleich: „Aber es ist noch nicht vorbei. Jetzt hat Apolda das Problem.“ Wie zu erwarten war, weichen die Rechtsextremen nun auf den Marktplatz der Kreisstadt aus.

Für den Gegenprotest ist es zu spät, um am gleichen Tag noch mal umzuziehen. Das Bündnis entscheidet, am nächsten Morgen in Apolda aufzubauen. Dort soll der Gegenprotest dann in Hörweite zum Neonazikonzert stattfinden. In Magdala bleibt es am Freitagabend ruhig, während in Apolda 750 Neonazis auf dem Markt ihre Versammlung abhalten. Einer ihrer Redner erwähnt Max als einen der Köpfe des Gegenprotests.

rechte

Etwa 700 Rechtsextreme waren zum Konzert nach Apolda gekommen. Am Samstagabend eskalierte die Lage, Rechte warfen Steine und Flaschen nach Polizisten.

Foto: Zirk / Zimmer
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Etwa 500 Gegendemonstranten kamen auf den Marktplatz. Die Demo wurde von Max gemeinsam mit dem Bündnis „Buntes Weimarer Land“ organisiert.

Foto: Zirk / Zimmer
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Max spricht mit allen auf Augenhöhe, die Menschen mögen seine Art.

Foto: Zirk / Zimmer
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Auf Seiten der Gegendemonstranten blieb es friedlich und fröhlich. Nach den Ausschreitungen allerdings hatten viele Angst vor dem Weg nach Hause.

Foto: Zirk / Zimmer

Am nächsten Morgen zeichnen sich an Max' Augen Schlafmangel und Stress der vergangenen Tage ab. Von seiner Zuversicht und Ruhe scheint er jedoch kein Stück verloren zu haben, auch nicht, als er kurz vor 10 Uhr die nächste wichtige Entscheidung treffen muss. Denn der Demo-Samstag beginnt ähnlich unvorhersehbar, wie der Freitag aufgehört hat: Die Neonazis mobilisieren plötzlich für ein Privatgelände in Kirchheim bei Erfurt, knapp 40 Kilometer entfernt. Eine Gruppe von Gegendemonstranten fährt mitsamt der Bühne sofort dorthin. Doch zwei Stunden später wird die Veranstaltung in Kirchheim verboten – zu wenig Kräfte vor Ort, um Neonazis und Gegendemo zu trennen. Max hatte den richtigen Riecher: Er ist mit dem anderen Teil der Protestgruppe in Apolda geblieben. Die Rechtsextremen machen sich nun auch wieder auf den Weg dorthin.

„Ich kämpfe um meine Heimat und gebe gleichzeitig viel davon auf“, sagt Max

„Am Ende ist nichts eingetreten, wie wir es geplant hatten“, wird Max später sagen. Auf dem Marktplatz in Apolda ist ihm die Anspannung anzumerken, weil er nicht weiß, was sich noch alles ändern wird, welche Haken die Rechten noch schlagen werden. Früher, erzählt Max, ist er gern zu den Dorffesten in der Region gegangen. Das ist jetzt nicht mehr so einfach möglich. „Ein Wunder, dass du noch lebst“, hat ihm auf dem Zwiebelmarkt im Vorbeigehen ein Neonazi zugeraunt. „Ich kämpfe um meine Heimat und gebe gleichzeitig viel davon auf“, sagt Max. Und er würde sich mehr Unterstützung aus der Kommunalpolitik wünschen. Von einigen Vertretern ist er enttäuscht, weil sie sich nicht klar gegen Rechts äußern, nicht aktiv werden.

Dass es auch anders geht, beweist in diesen Tagen Thüringens Innenminister Maier, der gestern schon in Magdala dabei war. Er kommt auch zum Gegenprotest nach Apolda. Als ein Neonazi mit seinem Auto direkt an den eigentlich abgesperrten Infoständen vorbeifahren will, stellt Maier sich ihm kurzerhand in den Weg, bis die Polizei die Straße freigibt. Max umarmt er herzlich und dankt ihm. Er weiß um den Aufwand, den der junge Mann betreibt und wie wichtig sein Einsatz in den letzten Wochen war: „Wir brauchen Erfolgserlebnisse und Max ist einer von denen, die das immer wieder auf die Beine stellen. Solche Leute, die nicht müde werden, braucht es.“ Viel Hoffnung kann er Max dennoch nicht machen: „Die Mobilisierungsfähigkeit ist ermattet und ich hab' da jetzt auch kein Patentrezept. Das ist auch der Häufigkeit der Veranstaltungen geschuldet.“

Max ist es egal, ob ihm ein Minister oder ein Schüler gegenübersteht. Er redet mit allen, die gekommen sind, auf Augenhöhe. Die Menschen schätzen seine Art. Als sich beim Gegenprotest Anspannung breitmacht, weil sich eine grölende Gruppe nähert, ruft er lachend: „Ruhig bleiben, Leute. Das sind unsere!“

Auf dem Markt versammeln sich derweil die Rechten. Sie kommen aus der ganzen Bundesrepublik, Österreich, der Schweiz, sogar aus Schweden. Die Polizei räumt ihnen einen schmalen Streifen auf dem Marktplatz frei. Der Rest ist bis zum Abend für ein Bürgerfest reserviert. Dort kommt zwischenzeitlich fast so etwas wie gute Stimmung auf. Kinder spielen, die Sonne scheint, es riecht nach frischen Waffeln und Bratwürsten. Polizisten in voller Kampfmontur lassen sich in der Toilettenschlange zu einem kurzen Schnack hinreißen. Doch nur zwanzig Meter weiter stehen Hunderte militante Neonazis. Angetrunken und wütend ob des erneuten Widerstands gegen ihr Konzert.

Die Pufferzone, die die Polizei mit Gittern zwischen Rechten und Gegendemo eingerichtet hat, ist etwa drei Meter breit. Einige der Neonazis lehnen sich demonstrativ über die Absperrungen und starren mit weit aufgerissenen Augen die Gegendemonstranten an. „Wenn der Zaun nicht wäre, würde ich dich holen“, ruft ein kahlköpfiger Mann einer jungen Frau zu. Viele der Rechten stellen ihre Tattoos ebenso stolz zur Schau wie ihre schwarzen Logo-Shirts. „HKNRZ“, „I love HTLR“ oder „Division Sachsen“ ist darauf zu lesen.

Bei den Rechtsrockern verliest einer die Auflagen: „Keine verfassungsfeindlichen Symbole und passt auf eure Arme auf!“

Auf der anderen Seite stehen Studenten aus Jena und Weimar, ein paar Jugendliche, Eltern mit ihren Kindern und Rentner. Sie halten Plakate hoch mit Sprüchen wie „Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm, beim Neonazi ist es andersrum“. Eine Bedrohung geht von ihnen nicht aus. In den wenigen ruhigen Momenten dreht Max sich eine Zigarette und schaut rüber zu den Rechtsextremisten. Sie skandieren „Frei, sozial und national“, einige heben den Arm zum Hitlergruß. Max schüttelt den Kopf: „Es gibt selbst hier noch Leute, die sagen, wir müssten neutral sein, die Rechten einfach machen lassen, um Ärger zu vermeiden. So ein Quatsch. Wenn man das da drüben sieht, wie kann man da an Neutralität denken?“ Er ist inzwischen seit elf Stunden für den Gegenprotest unterwegs, gestern waren es 13. Die Nacht dazwischen war kurz. Seine Oberlippe ist aufgebissen. Man kann ihm die kräftezehrenden letzten Tage in diesem Moment deutlich ansehen.

Bei den Rechtsrockern verliest einer der Redner die Auflagen: „Keine verfassungsfeindlichen Symbole und passt auf eure Arme auf!“ Gelächter. Gegen 19 Uhr beginnt das Konzert. Die Bühne ist klein, der Sound schlecht, aber die Klänge und die einsetzende Dunkelheit legen sich dennoch beklemmend über den Marktplatz. Max und seine Mitstreiter versuchen, noch eine spontane Gegenkundgebung auf dem Markt anzumelden. Er spricht mit Polizei und Versammlungsbehörde, organisiert einen Lautsprecherwagen. Er will die Neonazis mit Musik und Bands übertönen. Doch dazu kommt es nicht mehr.

Das rechte Konzert läuft seit einer guten halben Stunde, als es plötzlich hektisch wird. Unruhe unter den Neonazis: Der abgesteckte Teil des Platzes ist zu klein, noch immer ist ein Großteil der angereisten Rechten von der Veranstaltung ausgeschlossen und drängt auf den Markt. Dann eskaliert die Situation: Neonazis versuchen, die Absperrungen zu durchbrechen und werfen Flaschen und Steine auf die Beamten. Die kontern mit Pfefferspray und rücken in den Pulk vor, drängen ihn unter Jubel der Gegendemonstranten mehrere Meter zurück. Die Musik ist jetzt aus – und das bleibt sie auch. Die Organisatoren kommen der Auflösung durch die Polizei zuvor und beenden das Konzert.

Auch der Gegenprotest muss deshalb beendet werden. Max ist schon bei den Bands, die er organisiert hat, und entschuldigt sich, dass sie ihre Technik umsonst aufgebaut haben. Kurz macht sich etwas Freude und Erleichterung breit: Die Neonazis konnten ihr Konzert nur in erheblich abgespeckter Form durchziehen und werden jetzt von der Polizei zur Abreise bewegt. Auch Max freut sich und betont immer wieder, dass solche Erfolge ohne die vielen Unterstützer und das Bündnis nicht möglich wären. Aber der letzte große Kraftakt steht noch bevor: „Erst, wenn alle meine Leute sicher hier weggekommen sind und Apolda morgen nicht zerstört ist, bin ich zufrieden.“ Die frustrierten Rechten sind nun in den Straßen unterwegs. Die Gegendemonstranten werden von der Polizei zu den Shuttle-Bussen eskortiert.

Max wird Apolda nach diesem Wochenende erstmal eine Weile meiden. Die letzten Worte aus den Lautsprechern der Neonazis zeigen, warum: „Eines Tages werdet ihr euch wünschen, wir hätten nur Musik gemacht!“ Max wünscht sich gerade vor allem Schlaf. Aber erst, wenn alle sicher vom Markt weggekommen sind. 

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