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Protest gegen Inauguration des US-Präsidenten Donald Trump
Heute wird Donald Trump als 45. Präsident der USA vereidigt. Rund um die Zeremonie und die Feierlichkeiten vor dem Kapitol und auf der National Mall in Washington, bei der Trump-Fans dem neuen Präsidenten zujubeln werden, formiert sich Widerstand gegen das neue Staatsoberhaupt. Vor allem junge Leute wollen Freitag und Samstag auf die Straße gehen, um ihre Kritik an Trump und ihre Anliegen sicht- und hörbar zu machen. Vier Aktivistinnen erzählen vorab, was Trumps Wahlsieg für sie bedeutet, was ihre Ziele sind und was sie jetzt und in Zukunft planen.
Moumita Ahmed, 26, organisiert den Widerstand der Millennials
Moumita lebt in New York und ist die Gründerin von „Millennials for Bernie“, einer Freiwilligen-Organisation, die im US-Vorwahlkampf Kampagne für Bernie Sanders gemacht hat. Seit Sanders’ Ausscheiden aus dem Wahlkampf nennt sich die Gruppe „Millennials for Revolution“ und macht sich für Themen stark, die junge Menschen in den USA betreffen.
"Ich bin gerade in Washington bei den Vorbereitungen für „J20“, der Widerstandsbewegung rund um Donald Trumps Vereidigung. Ich leite Trainings für gewaltfreie Aktionen. Wir machen zum Beispiel Rollenspiele, in denen jemand einen Polizisten spielen muss. Das kann manchmal ganz schön belastend sein, wenn du selbst braun oder schwarz bist und „ein Polizist“ wird handgreiflich – aber du musst eben wissen, dass das passieren kann und wie du darauf angemessen reagieren kannst.
Nach der Wahl im November habe ich mir erst mal sehr viel Zeit genommen, in Ruhe über alles nachzudenken: Warum Trump gewonnen hat, was in den letzten zwei, drei Jahren passiert ist – in der Politik, in der Regierung, in meinem eigenen Leben. Viele hatten ja das Gefühl, sofort weiter und auf Trumps Amtsenthebung hin arbeiten zu müssen, aber ich nicht. Ich musste mich erstmal ausruhen – erst nach dem 19. Dezember, als Trump offiziell gewählt war, habe ich wieder angefangen, zu organisieren und eine Langzeit-Mobilisierung gegen Trump auf die Beine zu stellen.
Der 20. Januar wird ein schrecklicher Tag für uns alle. Wir wollen ihn dafür nutzen, uns Trump und allem, wofür er steht, entgegenzustellen. Wir werden versuchen, Leute davon abzuhalten, zur Vereidigung zu gehen. Friedlich natürlich, indem wir sie ansprechen und mit ihnen darüber reden. Am 21. Januar wird es dann den „Million Millennials March“ geben. Er findet erst am Tag nach der Vereidigung statt, weil es kein Anti-Trump-Marsch, sondern ein Pro-Millennial-Marsch sein soll. Wir rechnen mit 1000 Teilnehmern oder sogar mehr, und wir werden uns dem „Women’s March on Washington“ für Frauenrechte und die Rechte von Minderheiten anschließen, denn die sind sehr gut organisiert und haben viele Unterstützer.
Wir vom Millennials March treffen uns vorher und besprechen unsere Forderungen. Es wird darum gehen, dass unsere Generation die Zukunft dieses Landes ist, dass die meisten von uns an progressive Politik glauben und dass Trump für uns, die wir ihn nicht gewählt haben, eine Bedrohung darstellt. Er soll wissen, dass er das, was wir in den letzten Jahren für uns erreicht haben, nicht einfach rückgängig machen kann – zum Beispiel das kostenlose College-Studium in New York oder Obamacare. Unsere Generation braucht bezahlbare Bildung und sie braucht eine funktionierende Gesundheitsversorgung. Wir müssen auch über Cyber-Security sprechen und darüber, dass Trump nicht einfach Muslime und und andere US-Bürger beobachten lassen kann. Dass er nicht einfach verfassungswidrige Praktiken wie Stop-and-frisk, die vor allem junge, schwarze Männer betreffen, wieder aufleben lassen kann. Wir protestieren gegen Polizeigewalt, denn Trump ist ein „Blue Lives Matter“- und ein „Anti Black Lives Matter“-Unterstützer. Wir sind für den 15-Dollar-Mindestlohn und für Klimaschutz. Das alles sind Themen, die Millennials wichtig sind. Die Welt soll sehen, dass wir dafür aufstehen und uns einmischen! Dass wir hier sind, um zu kämpfen!
Vor allem während der ersten hundert Tage Amtszeit, in denen ja immer am meisten passiert, werde ich weiterhin für die Langzeit-Widerstandsbewegung gegen Trump arbeiten. Wie werden ein Widerstands-Haus eröffnen, das „District 13 House“. Es soll ein Ort für Menschen sein, die nach DC kommen wollen, um Trump, seine Regierung und ihre Abläufe zu stören, um die Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen, um Ideen auszutauschen und gemeinsam zu entwickeln. Denn wenn du als Aktivist gute Ideen hast, aber erst mal nach einem Ort suchen musst, an dem du bleiben kannst, verlierst du eine Menge Zeit und Energie. Wie die Aktionen, die von dort aus organisiert werden, genau aussehen, wissen wir jetzt natürlich noch nicht. Aber auf jeden Fall kein erratisches „Einfach-mal-rausgehen-und-demonstrieren“: Die Aktionen sollen immer ein bestimmtes Ziel haben, wir wollen jeweils direkte Antworten geben und Reaktionen zeigen auf Dinge, die Trump verfügt, macht oder sagt. Ihr werdet es auf jeden Fall mitbekommen, wenn es soweit ist!"
RaeAnn, 32, verkörpert vieles, was der neue US-Präsident in der Vergangenheit nicht gerade mit freundlichen Worten bedacht hat
RaeAnn, 32, kommt aus Puerto Rico. Sie arbeitet für eine NGO, die sich für die reproduktiven Rechte und sexuelle Gesundheit von nicht-dokumentierten Latinas in den USA einsetzt. Sie ist eine Befürworterin der Black Lives Matter Bewegung und Planned Parenthood und sie macht sich für die Gleichstellung von LGBTs stark.
"In den Jahren 2004 und 2008 habe ich mich viel mehr für die Wahlkampagnen von Barack Obama eingesetzt als bei der Kampagne der Demokraten vergangenes Jahr. Ich habe mich einfach von keinem der Kandidaten richtig repräsentiert gefühlt. Erst gegen Ende des Wahlkampfes habe ich mich dafür begeistern können, für ein starkes, kompetentes und weibliches Staatsoberhaupt zu stimmen. Und ich war ehrlich gesagt bis zum Schluss überzeugt, dass Hilary Clinton das Rennen macht.
Als Donald Trump damals auf der Rolltreppe im Trump-Tower zu uns herunterstieg und seine Kandidatur verkündete, dachte ich, das alles sei ein großartiger Scherz. Heute bin ich zutiefst entsetzt darüber, dass so viele für ihn gestimmt haben. Seine Worte und Taten gegenüber so vielen – Menschen ohne Papiere, Muslime, Menschen mit Behinderungen, Frauen – sind so was von grotesk! Mittlerweile versuche ich mich nicht mehr so von den Medien einvernehmen zu lassen. Als Frau, aber auch einfach als Mensch, kann ich keinen Bezug zu jenen Menschen herstellen, die Trump gewählt haben. Nach all dem, was er gesagt und versprochen zu tun hat.
Die Pessimistin in mir will sich jetzt zurückziehen, abwarten und wieder Energie aufladen für den nächsten Wahlkampf. Aber ich weiß, das wäre eine sehr privilegierte Haltung. Da sind echte Leben auf dem Spiel, falls Trump zum Beispiel das DACA-Programm eliminiert (Anm. d. Red.: „Deferred Action for Childhood Arrivals", soll unbegleitete Minderjährige zeitlich begrenzt vor Abschiebungen bewahren). Es darf nicht sein, dass die Menschen, die nicht für Trump gestimmt haben, jetzt resignieren.
Noch schlimmer finde ich aber die Leute, die großspurig verkündet haben, das Land zu verlassen, wenn Trump gewinnt. Sie machen nur von ihren ungeheuerlichen Privilegien Gebrauch. Stell dir mal die finanziellen, sozialen, emotionalen Kosten vor, wenn die eigene Familie im Angesicht einer unglücklichen Lage das Land verlassen muss. Das ist ja genau der Hintergrund, warum überhaupt so viele Familien hierher gekommen sind! Einfach nach Kanada auszuwandern trivialisiert die dramatische Erfahrung derjenigen, die geflüchtet sind, um irgendwo anders eine Unterkunft, eine Heimat zu finden.
Deswegen sagt die Optimistin in mir: Ich bleibe hier. Man kann immer noch etwas tun. Die Leute müssen ihre Kongressabgeordneten anrufen und sie zur Verantwortung ziehen. Man muss darauf achten, für was sie abstimmen und wie sie bezahlt werden. Wenn sie nicht in deinem Sinne handeln, sag es ihnen. Jeden Tag. Gesetzesbeschlüsse wie zum Beispiel Abtreibungsverbote passieren immerhin zuerst auf lokaler beziehungsweise Bundesstaaten-Ebene.
Trotzdem denke ich darüber nach, D.C. zu verlassen. Ich lebe hier schon seit dem Einzug der Obamas ins Weiße Haus. Sowohl 2004 als auch 2008 war bei der Amtseinführung ein Gefühl der Begeisterung in der Luft, das heute einfach nicht existiert. Zumindest nicht für mich. Mir graut es schon vor den Unannehmlichkeiten und Komplikationen in der Stadt. Sie fühlt sich für mich schon jetzt anders an. Ich gehe am 21. Januar, einen Tag nach Trumps Amtseinführung, beim "Women’s March on Washington" aus Protest auf die Straße. Damit soll ein Zeichen gesetzt werden, von und für all diejenigen, die in der Rhetorik des Wahlkampfes beleidigt, dämonisiert und bedroht wurden. Aber ich marschiere auch mit, weil ich nicht weiß, was ich als nächstes tun soll. Vielleicht wird es mir helfen, Schulter an Schulter mit 200.000 anderen Frauen zu protestieren?"
Hanna Mitchell, 27 Jahre alt, organisiert Demos und Infoveranstaltungen für Greenpeace
„Für unsere Mitglieder gibt es überall kleine Anzeichen, die ihnen Hoffnung machen. Kirchen, Schulen, ganze Städte, die auf erneuerbare Energie setzen wollen. Universitäten, die ihre Investments in fossile Brennstoffe abstoßen wollen. Es zeigt ihnen, dass sie nicht alleine sind. Außerdem hat die Mehrheit der Menschen ja tatsächlich nicht für Trump gestimmt.
Wäre er wirklich ein so kluger Geschäftsmann, würde er in erneuerbare Energien investieren, damit lässt sich Geld verdienen, darin liegt die Zukunft. Stattdessen will er zurück zu Kohle, zu fossilen Brennstoffen. Ich war wirklich geschockt, mit einem Sieg von Trump hatte ich nicht gerechnet. Er steht für Ungerechtigkeit, für Rassismus und Fremdenhass, für Sexismus – da bekommt man richtig Angst vor der Zukunft. Die Ideen, die Trump durchsetzen will, werden uns um Jahre zurückwerfen und das nicht nur beim Klimawandel.
Doch jetzt bin ich voller Hoffnung, weil jetzt viele Menschen gemeinsam an einer Vision für diese Welt arbeiten, die nichts mit den Ansichten von Trump zu tun hat. Ich bin eine Organisatorin bei Greenpeace, ich arbeite mit verschiedenen Gruppen zusammen – und für viele Bürger ist das hier ein Weckruf zum Aktivismus. Eine Gelegenheit, an einem Wandel zu arbeiten.
Der Protestmarsch soll ja einer der größten der Geschichte werden, Leute aus dem ganzen Land kommen zusammen, um dem Hass, der von Trump und seinen Anhängern kommt, etwas entgegen zu stellen. Es ist ein nationaler Moment, der sich zu einer Bewegung entwickelt hat. Ich treffe immer wieder neue Menschen, dadurch wird man widerstandsfähiger und hat genug Kraft für den langen Kampf.
Normalerweise arbeite ich für Greenpeace in North Carolina, doch vor der Amtseinführung wurde ich zur Verstärkung nach Washington geholt. Auch wir werden beim „Women’s March“ dabei sein und geschlossen mitmarschieren. Bei den Schwestermärschen im ganzen Land sind auch Greenpeace-Mitglieder vertreten. In Washington machen wir danach noch eine Infoveranstaltung, wie man aktiv werden kann. Außerdem haben wir die „100 Days of Action“ geplant, verschiedene Proteste und Veranstaltungen, um besonders in den ersten 100 – sehr entscheidenden – Tagen der Amtszeit von Donald Trump aktiv zu werden."
Laurel Hoa, 36, setzt sich für die Gleichberechtigung von Menschen jeder Hautfarbe ein
Laurel ist nach der Wahl bei Showing Up for Racial Justice (SURJ) beigetreten, bereits vorher hat sie sich bei anderen gemeinnützigen Organisationen in diesem Bereich engagiert.
"Direkt nach der Wahl war ich am Boden zerstört. Ich konnte nicht glauben, dass er gewählt wurde. Es war und ist ein Albtraum. Aber ich glaube, nur wenn man handelt, kann man was gegen die Hoffnungslosigkeit tun. Viele Leute im Land fühlen so wie ich, Trumps Wahl war ein Weckruf: Unser Land ist nicht so, wie wir es uns wünschen. Wenn wir ein Amerika wollen, das mit unseren Werten und Vorstellungen übereinstimmt, müssen wir aktiv werden. Ich arbeite seit acht Jahren bei einer gemeinnützigen Organisation im Bereich „Racial Justice“. Aber nach der Wahl habe ich beschlossen, dass ich etwas mit mehr Wirkung tun muss. Wenn wir eine Nation wollen, in der jeder Bevölkerungsgruppe alle Freiheiten zustehen, müssen wir alle mehr tun als vor der Wahl. Darum bin ich zusätzlich SURJ beigetreten.
Unser Anliegen ist es, weiße Bürger für den Kampf für „Racial Justice“ zu mobilisieren. Dabei ist es uns wichtig, nicht die Anführer in diesem Kampf zu sein oder ihn an uns zu reißen. Wir suchen Partnerorganisation, die von Menschen anderer Hautfarbe angeführt werden und sich für ihre Belange einsetzen. Diese Gruppen und Organisationen unterstützen wir, indem wir ihre Aussage verstärken und weiter verbreiten. Darum fragen wir ganz gezielt: Was können wir tun, um euch zu unterstützen? Wir helfen bei Recherchen und machen uns für ihre Anliegen stark. Wir mobilisieren Menschen, für Petitionen oder Proteste. SURJ ist eine nationale Organisation, mit lokalen Gruppen im ganzen Land. Das gute an SURJ ist, dass wir eine Organisation sind, die weißen Bürgern einen Rahmen gibt, aktiv zu werden, ohne jemandem auf die Füße zu treten oder die Grenzen zu überschreiten.
Unsere Einheit hier in Montgomery County, direkt außerhalb von Washington, DC, ist brandneu. Wir wurden im November unmittelbar nach der Wahl gegründet. Denn obwohl unser Bezirk sehr liberal ist, gibt es viel zu tun. Auch hier draußen wollen viele Menschen für Gleichberechtigung kämpfen. In unserem Bezirk gibt es viele Einwanderer. Wir sorgen uns, dass sie abgeschoben werden könnten. Viele von ihnen haben keine Papiere, doch wenn sie in ihr Heimatland abgeschoben werden, könnte das ihr Todesurteil sein. Außerdem wollen wir für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen kämpfen, wollen es Menschen aus Syrien so einfach wie möglich machen, sich hier anzusiedeln. Und wie im ganzen Land ist auch bei uns Polizeigewalt ein Problem – aber auch Hassverbrechen haben bei uns stark zugenommen, sogar hier in dieser so liberalen Gegend.
Uns steht dieser enorme Kampf bevor. Schon vor der Wahl gab es viel zu tun, aber jetzt ist es noch mehr. Darum organisiert SURJ in diesen Tagen verschiedene Veranstaltungen, vor Kurzem zum Beispiel eine Infoveranstaltung, welche gewaltfreien Protestmöglichkeiten es gibt. SURJ DC veranstaltet am 20. Januar einen stadtweiten „Distrupt J20“-Protest, sie wollen die Amtseinführung stören, doch dabei kann man unter Umständen verhaftet werden. Ich selber werde am „Women’s March“ am 21. Januar teilnehmen.
Wir müssen noch härter kämpfen als vorher: Wir, die wir vorher schon für soziale Gerechtigkeit aktiv waren, aber auch Menschen, die sich dafür noch nicht eingesetzt haben. Wenn wir wirklich ein Land mit Gleichberechtigung für alle sein wollen, müssen wir unermüdlich arbeiten, um unsere progressive Ziele zu erreichen – oder zumindest den Status Quo zu behalten, anstatt Rückschritte zu machen. Der Kampf zur „Racial Justice“ ist langwierig, erst recht jetzt nach der Wahl."