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#PaintBack: Ein Berliner Graffiti-Verein übersprüht Hakenkreuze und Nazi-Symbole
Ibo Omari war geschockt, als vor zwei Jahren Hakenkreuz-Schmierereien in seinem Kiez auftauchten. Im Berliner Stadtteil Schöneberg betreibt er einen Graffiti-Laden, außerdem leitet er den Kulturverein Die kulturellen Erben e.V., der HipHop-Workshops für Kinder und Jugendliche anbietet. Seine Idee, um mit den Nazi-Symbolen in der Nachbarschaft umzugehen: übersprayen. Unter dem Hashtag #PaintBack postet er seitdem Bilder von Graffiti, mit denen sein Verein die Hassbotschaften übermalt hat. Inzwischen haben Sprayer in Hamburg, Mannheim oder Städten in Spanien, Italien und Griechenland seine Methode aufgegriffen. Als kleines Kiezprojekt begonnen, hat es #PaintBack bis in die New York Times geschafft – unter anderem, weil mit Heimat eine der größten Werbeagenturen Deutschlands eingestiegen ist.
jetzt: Ibo, welches Motiv ist entstanden, als ihr zum ersten Mal ein Hakenkreuz übersprüht habt?
Ibo Omari: Das war ein Moskito mit Flügeln, der vor einem Köcher davonfliegt. Ein Anwohner aus Schöneberg war mit seinem Sohn auf einen Spielplatz gegangen und hat dort an einer Mauer eine riesige Reichsflagge mit Hakenkreuz entdeckt. Dann kam er in unseren Graffiti-Laden und wollte Dosen kaufen, damit er das selbst übersprühen kann. Wir haben dann gesagt: Schau mal, wir kümmern uns mit unserem Kulturverein gerne darum, dann brauchst du kein Geld und keine Zeit dafür aufwenden. Danach haben wir uns das Hakenkreuz angesehen. So etwas in unserem Kiez, da waren wir erst mal geschockt. Wir fanden es wichtig, dem mit Humor und Liebe zu begegnen.
Wie haben die Anwohner auf den Moskito reagiert?
Beim ersten Mal haben die das gar nicht groß mitbekommen. Nachdem in der Nähe weitere Hakenkreuze aufgetaucht sind, haben uns immer mehr Menschen gefragt, ob wir da was machen können. Für uns waren diese Hakenkreuze schon sehr befremdlich. Die Denkweise im Kiez scheint sich geändert zu haben, wenn Leute plötzlich glauben, ihren Rassismus offen kundtun und so etwas an einen Spielplatz malen zu müssen.
Darf ich Hakenkreuze im öffentlichen Raum einfach übermalen?
Nein. In bestimmten Fällen muss man erst das Denkmalschutzamt einschalten. Die prüfen dann, welches Gebäude, welche Art von Stein das jeweils ist, bevor eine Reinigungsfirma anrücken darf. Dieser bürokratische Prozess kann unter Umständen sehr lange dauern. In unseren Fällen war es aber nicht schwer, die Verantwortlichen zu überzeugen. Egal ob das nun Privatpersonen waren, Hausverwaltungen, die Deutsche Bahn oder das Land Berlin. Wir haben Fotos gemacht und denen erklärt, was wir vorhaben. Uns war sehr wichtig, illegale Zeichen nicht mit illegalen Aktionen zu verschönern. Deshalb haben wir unsere Aktionen ausnahmslos mit Erlaubnis und Genehmigung der Verantwortlichen durchgeführt.
Gab es auch Eigentümer, die sich geweigert haben?
In zwei Fällen haben wir erst mal ein Nein bekommen. Wir haben denen gesagt: Es ist euer gutes Recht, das abzulehnen, aber wir werden dokumentieren, dass ihr Nein gesagt habt. Einen Tag später kam dann der Rückruf, dass sie doch einverstanden sind.
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Wer macht bei euren Aktionen mit?
Etablierte Berliner Graffiti-Künstler wie Poet73, vor allem aber Kinder und Jugendliche aus dem Kiez. Mit unserem Kulturverein bringen wir jungen Menschen die HipHop-Kultur näher. Wir bieten Workshops für Rap, Breakdance oder eben Graffiti an. Für die Verschönerungsaktionen haben wir hauptsächlich die Motive von Kindern aus den Workshops verwendet.
Ihr habt 2015 mit #PaintBack angefangen. Was hat sich seitdem getan?
Inzwischen wissen die Nachbarn und die Verantwortlichen von uns, wir sind eine Anlaufstelle geworden, wenn irgendwo Nazi-Symbole auftauchen. Auch in anderen Stadtteilen sind wir aktiv. Wenn ich Anfragen aus Mannheim, Hannover oder anderen Städten bekomme, sage ich aber immer: Wir sind nicht die Ghostbusters, die Hakenkreuz-Busters sozusagen, die durch ganz Deutschland fahren. Es war einfach ein Vereinsprojekt. Wir haben das aus der Not heraus gemacht, dass irgendwelche Idioten hier Hakenkreuze an die Wände geschmiert haben. Wir wollten ein Bewusstsein dafür schaffen, dass man für seine Umgebung verantwortlich ist. Dass solche Schmierereien eine Art der Verschmutzung sind und man da als junger Mensch aktiv werden sollte. Das heißt nicht, dass man direkt zur Dose greifen soll. Es ist schon viel getan, wenn man das meldet. Als Kulturverein, der Graffiti lehrt, wollen wir außerdem klarstellen: In solchen Fällen wird Graffiti missbraucht, um eine hässliche Botschaft zu transportieren. Graffiti als Subkultur hat aber absolut nichts mit Rassismus und rechtsradikalem Gedankengut zu tun.
Habt ihr Reaktionen von Neonazi-Sprayern bekommen?
Nein, dafür sind die viel zu feige. Wir wurden natürlich ab und an von Leuten schwach angeredet. „Macht ihr auch linke Schmierereien weg?“, solche Sachen.
Die Promotion-Strategie von #PaintBack hat Heimat entwickelt, eine der größten Werbeagenturen in Deutschland. Wer ist da auf wen zugegangen?
Wir hatten mit dem Projekt schon begonnen, als eines unserer Vereinsmitglieder meinte, wir müssten die Aktionen filmen. Von uns kann aber keiner schicke Videos drehen. Er wiederum kannte bei Heimat einen Videomacher, so kam der Kontakt zustande. Die haben uns dann professionell unterstützt. Mit dem Video zum Beispiel, oder ordentlichen Fotos von einem Fotografen.
Zu welchem Zeitpunkt ist Heimat eingestiegen?
Das war kurz nach der zweiten Verschönerungsaktion.
Die Agentur hat #PaintBack auch bei Werbefestivals eingereicht und Preise damit gewonnen. Siehst du darin ein Problem?
Überhaupt nicht, die Story an sich ist ja der Realität entsprungen. Uns ging es darum, dass sich die Botschaft unserer Aktionen verbreitet. Ohne die mediale Aufbereitung hätten wir es zum Beispiel nicht in die New York Times geschafft. Wenn deren Verdienst ist, dass sie hinterher Preise dafür bekommen, ist das für mich okay. Wir haben denen als Verein nämlich keinen Cent bezahlt.
Habt ihr nach der Zusammenarbeit mit Heimat noch Verschönerungsaktionen durchgeführt?
Ja, denn es werden nach wie vor Hakenkreuze hier in der Umgebung gemalt. Es wäre natürlich schöner, wenn wir nicht mehr aktiv werden müssten. Aber der Zeitgeist hat sich geändert. Das habe ich schon gemerkt, als damals das erste Hakenkreuz aufgetaucht ist. Zu der Zeit hat Thilo Sarrazin die Bestseller-Listen angeführt, auf Platz zwei stand die kritische Fassung von „Mein Kampf“. Das hat sich angefühlt, als wären wir im falschen Film.