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Nico Semsrott: neue Satire-Show aus dem Europaparlament
Wäre die Geschichte der Europäischen Union ein Märchen, dann ginge es wohl so: Es waren einmal 27 Königreiche, ein mächtiger Klerus und ein Parlament der Bauern, das leider nichts zu sagen hatte. Der arme „Fool-in-Hood“ (was man frei mit „Dummkäppchen“ übersetzen kann) dachte trotzdem, er könnte als Teil dieses Parlaments etwas ausrichten. Den Reichen von ihrer Macht nehmen und dem Volk Gerechtigkeit schenken – sowas in die Richtung. Er musste dann aber sehr schnell feststellen, dass er sich getäuscht hatte. Und er lebte unglücklich bis ans Ende seiner Tage.
Dieses EU-„Märchen“ wird in der ersten Folge der „Nico Semsrott Show“ erzählt, die seit Donnerstagmorgen auf Youtube zu sehen ist. Im Mai 2019 wurde Nico Semsrott (alias „Fool-in-Hood“) neben Martin Sonneborn als zweiter Vertreter der Satirepartei „Die Partei“ ins Europaparlament gewählt und hat seitdem immer mal wieder politische Satire-Aktionen organisiert (zum Beispiel, um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu kritisieren oder dafür zu werben, das Pendeln des Parlaments zwischen Brüssel und Straßburg abzuschaffen) und Videos veröffentlicht (in denen er sich auf Lobby-Events satt gegessen oder auf eine Einbruchserie in Parlamentsbüros aufmerksam gemacht hat).
Die „Nico Semsrott Show mit Nico Semsrott“ ist sein neuestes Projekt – und vielleicht das, mit dem er am meisten Menschen ansprechen und erreichen könnte, weil zumindest die erste Folge weniger EU-Insider-Wissen voraussetzt als seine sonstigen Aktionen. Im Ankündigungstext auf seiner Homepage heißt es, die europäische Demokratie habe mit „fehlender gemeinsamer Öffentlichkeit“ zu kämpfen. Mit der Show will er versuchen, daran etwas zu ändern.
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Um ein größeres Publikum zu erreichen als nur die deutschen Wähler*innen, ist die Show auch in englischer Sprache produziert. Deutsche Untertitel sind verfügbar, per Einblendung werden die Zuschauer*innen gebeten, in weitere Sprachen zu übersetzen. Und anders als die vorigen Semsrott-Clips ist die neue Show grundsätzlicher angelegt, nämlich als eine Art EU-Erklär-Video in Form von Sketchen. Das Märchen von Fool-in-Hood präsentiert für alle, die sie gerne verwechseln, noch einmal die einzelnen EU-Institutionen und wie sie zusammenarbeiten (oder auch nicht). Im Interview mit Semsrotts Sitznachbarin Tineke Strik, einer grünen Abgeordneten aus den Niederlanden, schimmert der Parlamentsalltag durch (viel sitzen, zuhören, abstimmen). Und im „EU Therapy Center“ klagt Semsrott gegenüber seinem Therapeuten (einem bekannten Mann mit viel EU-Erfahrung), wie schlimm es für ihn gewesen sei, als er erfahren habe, dass das EU-Parlament gar kein Initiativrecht habe, also nicht mal selbst Gesetze einbringen, sondern nur auf die Vorschläge der Kommission reagieren können.
Der rote Faden der Show ist diese Machtlosigkeit des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten – und wenn man nicht wüsste, dass Semsrott eine Rolle spielt, könnte man meinen, das Ganze ginge ihm wirklich nah. Womöglich stimmt das sogar. Denn mit seiner Entscheidung, sich der Grünen Fraktion im Europaparlament anzuschließen, hat Semsrott das Statement gesetzt, sein Mandat ernster nehmen zu wollen als sein Kollege Sonneborn.
Die Zusammenarbeit mit einer Fraktion hatte zwar auch den pragmatisch Grund, dass Semsrott dadurch mehr Geld und Ressourcen zur Verfügung hat als ein fraktionsloser Abgeordneter, zum Beispiel, um Videos zu produzieren (im Sinne der Transparenz wird der Hinweis, dass Mittel der grünen Fraktion für das Video verwendet wurden, am Ende der Semsrott-Show eingeblendet). Aber dahinter standen auch sein politischer Wille und seine Unterstützung für grüne Themen. „Wir sind vor allem gewählt worden, um einen Unterschied zu machen“, sagte Semsrott damals im Interview mit jetzt. Sonneborn hingegen stimmte während seiner ersten Legislaturperiode im Europaparlament von 2014 bis 2019 abwechselnd mit „ja“ und „nein“ ab – hat sich davon aber in seiner jetzigen zweiten Amtszeit verabschiedet – und hat am Mittwoch, als Angela Merkel zu Gast im Europaparlament war, um das Programm der deutschen Ratspräsidentschaft anzukündigen, seine einminütige Redezeit für schwammige Vorwürfe und einen ziemlich müden Fußballwitz genutzt.
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In der „Nico Semsrott Show“, von der es noch mindestens zwei weitere Folgen geben soll – mit der Option auf mehr – wird dagegen deutlich, dass die EU nicht nur eine Lachnummer ist. Dass sie strukturelle Probleme hat, ja, aber eben auch Potenzial. Das betont zumindest Tineke Strik, Semsrotts Sitznachbarin, mit der er sich offenbar gut versteht. Die fragt er nämlich, warum sie vom niederländischen ins europäische Parlament gewechselt sei. Ihre Antwort: Weil das EU-Recht das nationale Recht schlägt, zumindest, wenn es um ihr Schwerpunktthema geht, die Migration. „Es ist sehr viel bürokratischer und ein weiter Weg – aber wenn du hier Erfolg hast, hat es einen viel größeren Effekt“, sagt Strik. Auf dieser positiven Note endet die erste Folge der neuen Show zwar nicht, sondern mit einer eher deprimierenden Szene. Aber für positive Töne haben seine Wähler*innen Semsrott ja auch nicht ins Europaparlament gewählt.
nasch
Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieses Artikels stand, Martin Sonneborn stimme im Europaparlament nach wie vor abwechselnd mit „ja“ und „nein“ ab. Er wendet diese Methode mittlerweile nicht mehr an. Wir haben das berichtigt.