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Neues Portal prüft Aussagen von Politikern auf Wahrheitsgehalt
Kurz vor der Bundestagswahl wollen die Parteien so viele Wähler wie möglich abgreifen – und verdrehen deshalb hie und da mal die Wahrheit. Damit will sich ein bundesweites, ehrenamtliches Team aus rund 20 jungen Journalisten aber nicht mehr zufrieden geben. Mit stimmtdas.org wollen sie falsche, unvollständige und einseitige Aussagen von Politikern aufdecken. Nur mit wahren Fakten sei eine politische Debatte möglich, finden sie. Werten wollen sie die Menge an Falschaussagen aber nicht. Mitgründerin Selina Bölle, 27, hält die unabhängige Überprüfung für ein Kernelement der Demokratie.
jetzt: Journalisten überprüfen regelmäßig den Wahrheitsgehalt von politischen Aussagen. Wozu braucht man dann stimmtdas.org?
Selina Bölle: Viele Medien führen nur teilweise Fakten-Checks durch. Ich denke auch, dass sie anders an die Sache rangehen als wir und erst Aussagen überprüfen, wenn sie von bekannten Politikern kommen oder sie eine Falschaussage vermuten. Außerdem können Redakteure und Journalisten auch gar nicht alle Aussagen überprüfen, die haben ja auch noch etwas anderes zu tun. Und bisher gibt es kein anderes unabhängiges und nicht-kommerzielles Portal, das es als seine Hauptaufgabe ansieht, die Aussagen von Politikern zu überprüfen.
Wie wählt ihr die zu überprüfenden Aussagen aus?
Um Aussagen zu finden, schauen wir uns soziale Medien, TV-Auftritte und Artikel an und filtern Relevantes heraus. Aber natürlich kann man uns auch Aussagen zur Überprüfung schicken. Wir machen das unabhängig von den Parteien. Allgemein ist es wichtig, dass die Aussagen auch zu überprüfen sind. Das heißt, dass man sie auf eine Quelle zurückführen kann. Mittlerweile rufen wir dazu auch immer im Büro des Politikers an und fragen, aus welcher Quelle er seine Angaben bezieht.
Es gibt bei euch verschiedene Abstufungen des Wahrheitsgehalts einer Aussage: von „Stimmt“ über „stimmt, ist aber irreführend“ bis „Scharlatanerie “. Wie entscheidet ihr, welche Aussage welcher Kategorie zugeordnet wird?
Da haben wir uns lange Gedanken drüber gemacht. Mittlerweile haben wir eine Bewertungsskala festgelegt. Je nachdem, wie stark die von den Politikern behaupteten Zahlen von den Fakten abweichen, wird die Aussage in die entsprechende Kategorie einsortiert. Angela Merkel behauptete zum Beispiel, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sich verdoppelt hätten. Sie sind allerdings nur um 90 Prozent gestiegen. Bei einer solchen Abweichung von zehn Prozent ordnen wir das in die Kategorie „Stimmt überwiegend“ ein. Bei Aussagen, die keine Zahlen wie Prozentangaben beinhalten ist es da schon schwieriger. Das diskutieren wir dann intern aus.
Ist so ein Fakten-Check nicht erst interessant, wenn es sich wirklich um Falschaussagen handelt?
Auf den ersten Blick vielleicht schon. Allerdings ist es im Gegensatz zu Amerika so, dass in Deutschland wenige Politiker Sachen komplett an den Haaren herbeiziehen. Meist erzählen sie einfach nur einen Teil der Geschichte. Man muss dann aber den ganzen Kontext zu betrachten. Das tun wir auch, damit wir nachher niemandem etwas fälschlicherweise vorwerfen.
Warum ist ein Fakten-Check von politischen Aussagen gerade jetzt wichtig?
Damit eine politische Debatte stattfinden kann, braucht man Fakten, die stimmen. Wir haben das Gefühl, dass es gerade seitens der Bürger einen Vertrauensverlust gibt. Sie sind überfordert, wissen nicht, über welche Quelle sie sich informieren sollen, da es auch so viele Möglichkeiten gibt. Diesem diffusen Unsicherheitsgefühl muss man entgegenwirken.