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Das Vorbild für die „We Can Do it“-Frau ist gestorben

Foto: AFP

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Zu meinem 18. Geburtstag schenkte meine Mutter mir eine Karte und sagte, ich solle meinen Weg als erwachsene Frau mit Stärke weitergehen. Auf der Karte war die berühmte US-Arbeiterinnen-Ikone aus den 1940er Jahren gedruckt: eine junge Frau mit rot- weiß gepunktetem Turban und blauem Shirt zeigte stolz ihren Bizeps, darunter stand „We Can Do It“. Das Bild kannte ich schon. Ich hatte es bereits als Kühlschrankmagneten, auf Tassen und als Poster in diversen WG-Küchen gesehen. Dass die Abbildung tatsächlich auf eine echte Person zurückzuführen ist, wusste ich viele Jahre aber nicht. Für mich war es lange nur ein Symbolbild der amerikanischen Frauenbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen.

Nun ist Naomi Parker, die zum Zeitpunkt ihres Tod nach ihrem letzten Ehemann Fraley hieß, am 20. Januar im Alter von 96 Jahren gestorben. Ihr Foto soll es gewesen sein, dass als Vorlage  für das berühmte „We Can Do It“–Poster diente. Erst 2016 enthüllte James J. Kimble, Professor für Kommunikation an der Seton Hall University in New Jersey, die Geschichte hinter dem Bild.

Das Foto zeigt Naomi Parker mit Anfang  20 bei ihrer Arbeit für eine US-Luftwaffenstation in Alameda in Kalifornien. Sie gehörte zu den sogenannten „female war production workers“ – Frauen, die während des Zweiten Weltkrieges die amerikanischen Truppen durch ihre Arbeit, zum Beispiel in Munitionsfabriken, unterstützten.

We can do it

Naomi Parker steht an einer Maschine, Sie soll die Vorlage für das berühmte Bild gewesen sein.

Foto: Bettmann Archive/Getty Images

Das Foto wurde von dem Künstler J. Howard Miller in das berühmte Poster umgewandelt – allerdings ohne Parkers Wissen. Zunächst wurde das Poster 1943  von der „Westinghouse Electric House Cooperation“ als Werbeplakat für weibliche Arbeitskräfte genutzt, um deren Arbeitsmoral zu heben. 

Das Bild von J. Howard Miller wiederum ist der amerikanischen Propagandafigur und Frauenarbeitsikone „Rosie the Riveter“, die sinnbildlich für alle industriell, arbeitenden Frauen während des Zweiten Weltkrieges stand, nachempfunden. Zunächst war die Figur der „Rosie“ ein Propagandamittel, um Frauen durch Arbeit am Krieg zu beteiligen, wurde aber später zu einem Symbol der feministischen Arbeiterinnenbewegung der Nachkriegszeit in den USA. „Rosie the Riveter“ erlangte ihre Symbolkraft durch ihre Präsenz auf Plakaten, einem gleichnamigen Song und einem Hollywoodfilm von 1944.

Auch wenn sich das Poster von J. Howard Miller dadurch recht schnell verbreitete, gehörte es längst nicht zu den bekanntesten „Rosie the Riveter“-Plakaten während des Zweiten Weltkrieges. Vielmehr war es eines von vielen. Erst in den 80er Jahren erlangte das Bild die Popularität, die es heute immer noch hat. Es landete auf Souvenirartikeln und fand seinen Weg in Küchen und Wohnzimmer überall auf der Welt.

Doch während mit ihrem Abbild Geld verdient wurde, blieb die Identität Naomi Parkers weiter im Verborgenen. Lange galt eine andere als das Vorbild der Poster: 1984 fand Geraldine Doyle aus Michigan ein Foto von sich, welches sie in ähnlicher Kleidung und bei der Arbeit Anfang der 40er Jahre zeigte. Daher glaubte sie irrtümlicherweise, sich selbst in Millers Bild zu erkennen. Als sie ihre Entdeckung veröffentlichte, wurde ihr auch zunächst geglaubt.

Erst als Naomi Parker 2011 bei einem Treffen von ehemaligen weiblichen Kriegsarbeiterinnen ihr Foto neben dem Poster entdeckte und darunter den Namen Geraldine Doyle sah, erfuhr sie von der Verwendung ihres Fotos. Doch ihre ersten Versuche, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, scheiterten. Zu sehr wurde an Doyle festgehalten. Erst mithilfe von Professor Kimble, der eigentlich zu amerikanischer Propaganda während des Zweiten Weltkriegs forschte, fiel die Aufmerksamkeit auf Parker.

Ob sie nun wirklich die Frau hinter dem Bild ist, kann wohl nie ganz geklärt werden, da der Künstler J. Howard Miller bereits 2004 verstarb. Doch die Vermutung liegt nahe, da Miller 1942 in Pittsburgh lebte und das Foto von Farley damals in der Zeitung „The Pittsburgh Press“ erschien. Und dann gibt es natürlich noch die Ähnlichkeit und den rot-weiß gepunkteten Turban.

Dass sie ihr Leben lang nicht als eine der Ikonen der amerikanischen Frauenbewegung der Nachkriegszeit erkannt wurde, fand Parker aber nicht tragisch. Für sie stand das Bild niemals nur für sie allein, sondern für jede der sechs Millionen Frauen, die während des Krieges in Fabriken gearbeitet haben. Dem People Celebrity Magazin sagte sie bei einem Fotoshooting 2016: „Die Frauen dieses Landes brauchen heutzutage Ikonen. Wenn sie denken, dass ich eine bin, bin ich glücklich darüber.“ 

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