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Wie geht es weiter mit den Netzfeministinnen?

Foto: Nadia Shehadeh

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Wirft man einen Blick auf die Historie der Netzfeministinnen, war in den vergangenen vier Jahren viel los: Anne Wizorek sorgte im Netz unter dem Stichwort #aufschrei erstmalig für Wirbel. Mit dem Hastag richteten die Aktivistinnen sich vor allem gegen den Alltagssexismus. Nach den Vorfällen in Köln an der Silvesternacht 2016 etablierten die Netzfeministinnen dann #ausnahmslos, womit sie gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus protestierten. #schauhin stand für die Förderung von politischer Bildung von Menschen mit Migrationshintergrund. Ihr grundsätzliches Ziel: Betroffenen im Netz eine Stimme zu geben. Deren Geschichten für die breite Masse sichtbarer zu machen.

Gleichzeitig ernteten sie dafür aber auch einen Shitstorm nach dem anderen: Sie seien eine Art Sprachpolizei, würden den ideologischen Islam und antisemitische Haltungen vertreten.

Inzwischen hat sich diese aufbrausende Stimmung um die Bewegung herum etwas gelegt. Aber ist die Bewegung selbst auch still geworden. Nadia Shehadeh, 37,  ist Soziologin und bloggt nebenbei auf Mädchenmannschaft und Shehadistan. Seit #schauhin ist sie auch als Netzfeministin aktiv. Vergangene Woche hat sie in München gemeinsam mit anderen Aktivistinnen zum Thema "Was wurde aus Netzfeministischen Initiativen" in München gesprochen. Zeit, für uns zu fragen: Ja, was wurde denn daraus? 

jetzt: Du hast dich besonders an der Initiative #schauhin beteiligt. Warum funktionieren Hashtaginitiativen so gut?

Nadia: Die Kraft einer Hashtaginitiative liegt darin, dass viele verschiedene Menschen sich mit ihren Geschichten an politischen Debatten beteiligen können. Viele sind mit ihrer Stimme im Netz erst sichtbar geworden, konnten über persönlich erlebten Alltagsrassismus oder Sexismus in Schulen, Universitäten oder anderen Alltagssituationen berichten. Durch Twitter erreichen diese Geschichten dann auch Menschen, die damit sonst nicht konfrontiert werden.

 

Es gibt  Magazine wie das Missy Magazin und F-Mag. Und die EMMA für die konservativere Fraktion. Im Mainstream kommen die aber nicht so gut an. Woran könnte das liegen?

Es gibt natürlich einen Unterschied zwischen Mainstream-Journalismus und Aktivismus. In feministischen Medien, wie zum Beispiel dem Missy Magazine,  können Diskurse bis ins kleinste Beispiel diskutiert werden. Klassische Mainstreammedien vertreten oftmals eher einfache Botschaften – und die sind in der Regel natürlich nicht anti-sexistisch oder antirassistisch. Oft werden feministische Thesen aber auch in Frage gestellt, indem zum Beispiel Sexismus oder Rassismus als nicht vorhanden oder als Bagatelle behandelt werden. Auch wird oft die Frage gestellt, ob eine geschlechtergerechte Sprache wirklich sinnvoll ist.

 

Warum ist es so schwer, die große Masse für den Feminismus zu begeistern?

Menschen müssten sich dann mit eigenen Privilegien oder ihren besseren Positionen auseinandersetzen. Sich klar machen, dass es nicht okay ist, wenn sie als Mann mehr verdienen. Oder dass man keinen Rassismus im Job erlebt, weil man herkunftsdeutsch ist. Das ist aber ungemütlich. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch eine Machtfrage. Wenn ich jemand bin, der von diesem Ungleichgewicht profitiert –warum sollte ich das ändern wollen? Hinzu kommt das Bedürfnis, Komplexität zu reduzieren. Das Bedürfnis nach einfachen Botschaften und einfachen Lösungsvorschlägen scheint sehr hoch zu sein. Und der Feminismus wirkt auf den ersten Blick eben sehr komplex.

 

Wofür kritisiert ihr die klassischen Medien?

Klassischer Journalismus ist zum Beispiel nicht divers genug. Frauen, und insbesondere die mit Migrationshintergrund,  werden nicht genug gefördert. Das Gleiche gilt für Menschen mit Behinderung. Es sind immer wieder kleinere Blogs und soziale Bewegungen, die sensibilisieren und wichtige Aufklärungsarbeit leisten – oft auf ehrenamtlicher Basis.

 

Viele von euch Netzfeministinnen haben einen akademischen Hintergrund. Ist diese Bewegung nur etwas für Akademikerinnen?

Wahrscheinlich entspringen auch verschiedene netzfeministische Strömungen immer noch einem eher bürgerlichen Milieu, wobei sich das dank des Internets auch mittlerweile verändert hat. Aber auch aktivistische Arbeit braucht Ressourcen, und die hat nicht jeder im gleichen Umfang. Es kostet viel Zeit regelmäßig einen Blog zu bespielen und teilweise natürlich auch Geld, zum Beispiel, wenn man auf Veranstaltungen fahren möchte, um sich zu vernetzen. Studentinnen sind vielleicht zeitlich flexibler. Die verschiedenen netzfeministischen Strömungen sind aber keinesfalls nur etwas für Menschen mit akademischer Ausbildung. Mir fällt viel stärker auch eine Altersschere auf – beispielsweise, dass im Netzfeminismus sehr junge oder auch ältere Stimmen nicht so häufig vorkommen.

 

Wie geht es jetzt weiter mit den Netzfeministinnen?

Das hängt davon ab, inwiefern sich die Nachfolge aufstellt, und wahrscheinlich auch davon, wie das Internet künftig genutzt wird. Inzwischen findet progressiver Feminismus beispielsweise auch auf Podcasts statt. Als Bloggerin habe ich aber den Eindruck, dass es insgesamt gerade so etwas wie Ermüdungserscheinungen gibt. Ich habe den Eindruck, dass statt klassischer Blogs mittlerweile Mikroblogging über Facebook oder Twitter viel lebendiger ist, was aber natürlich auch eine positive Entwicklung sein kann. Gleichzeitig wurde in den letzten Jahren aber auch wichtige Grundlagenarbeit geleistet, die jetzt teilweise zum Status Quo gehört oder im Netz als Archiv abrufbar ist – glücklicherweise. Als ich 20 war, gab es weder so ein vielfältiges Angebot, noch hatte man dazu einen so einfachen Zugang. Wie beispielsweise sich überregional mit anderen feministischen Menschen zu vernetzen.

 

In anderen Bereichen sieht man Feminismus gerade häufiger. Gefühlt bedruckt jeder Klamottenhersteller T-Shirts mit feministischen Botschaften. Und Popstars wie Beyoncé gehen mit „feminist-lyrics“ auf die Bühne. Wie bewertest du das?

Ich denke, das können gute Türöffner sein: Für viele kann das der erste Schritt sein, sich mit feministischen Inhalten auseinanderzusetzen. Viele kritisieren zwar die Kommerzialisierung des Feminismus, aber ich finde, es könnten schlechtere Botschaften auf T-Shirts verbreitet werden. Dass Dior ein Shirt für 300 Euro verkauft, auf dem „We should be all feminist“ steht, ist dabei aber natürlich schon eine unfreiwillig komische Angelegenheit, da man sich dann ja schon fragen muss, wer sich solche Shirts leisten soll. Da wird das Feiern von Kämpfen gegen Ungleichheit – auch eben in finanzieller Hinsicht – ad absurdum geführt. Und gleichzeitig werden da natürlich auch Doppelstandards sichtbar: Beyoncé wird oft für ihre selbtbewusst vorgetragene Sexyness das Label „Feminismus“ abgesprochen, während aber die weiße Establishment-Frau gefeiert wird, wenn sie ein teures Shirt kauft.

 

Ist es schon ein Erfolg für die Bewegung, wenn Politikerinnen wie Angela Merkel danach gefragt werden, ob sie Feministinnen sind? Auch wenn sie sich aus der Affäre ziehen wollte?

Merkel musste ja diplomatisch antworten. Sie möchte sich nicht zum Feminismus bekennen und wollte diesem aber auch nicht respektlos gegenübertreten. Und es ist noch nicht mal verwunderlich, wenn Ivanka Trump sich daneben ganz selbstverständlich als Feministin bezeichnet, da das geradezu klassisch ist für weißen, privilegierten Feminismus.  In ihren Augen ist ihr Vater ja auch ein Verfechter von Geschlechtergerechtigkeit.

 

 

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