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Mit Rechten reden oder nicht?
Die letzten zwei Jahre waren die Zeit des Redens mit Rechten. Das fast gleichnamige Buch von Per Leo, Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn erschien im Oktober 2017, inzwischen liegt es in fünfter Auflage in den Läden. Schon im Juni 2017 brachte Zeit Online unter dem Titel „Deutschland spricht“ in einem aufwändigen Verfahren Menschen mit entgegengesetzten politischen Haltungen zum Diskutieren zusammen. An der zweiten Ausgabe des Formats im September 2018 beteiligten sich elf Medienhäuser – auch die Süddeutsche Zeitung – und mehr als 8000 Diskutanten. Nach dem Aufstieg der AfD waren die politisch Interessierten des Landes sich einig: Die Gesellschaft ist zu stark gespalten, wir müssen aus unseren Filterblasen heraus und mit Andersdenkenden ernsthaft debattieren – Linke mit Rechten, Flüchtlingshelfer mit „besorgten Bürgerinnen“, Gendersternchen-Schreiberinnen mit Antifeministen –, auch wenn das mühsam ist.
Und jetzt?
Im November 2018 forderten Prominente wie der Musiker Smudo über den Hashtag #unfollowme Rechte auf, sie in sozialen Medien zu entfolgen. Stille statt Diskussion.
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Mitte Februar hat die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung eine Kampagne namens #clapforcrap gestartet. Sie ruft Menschen dazu auf, online und im Alltag auf diskriminierende Aussagen mit einem Slowclap zu reagieren. Lächerlichmachen statt ernsthafter Auseinandersetzung.
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Die Aktion, die so tut, als habe sie im Jahr 2019 das ironische Klatschen erfunden, ist nicht gerade viral gegangen – auf Facebook hat die Kampagne, Stand 1. März, exakt 103 Fans; fast alle, die den Hashtag bisher auf Twitter benutzt haben, stehen ganz offensichtlich der FDP oder der Kampagne nahe.
Aber beide Kampagnen spiegeln doch einen Zeitgeist wieder. Unabhängig voneinander erklären seit einiger Zeit prominente und weniger prominente Einzelpersonen öffentlich, dass sie auf Diskussionen mit Rechten keinen Bock mehr haben. Es geht dabei nicht nur um die Kritik, dass die AfD und ihre Themen in Medien und Talkshows unverhältnismäßig viel Raum bekommen – sondern um eine offensive Gesprächsverweigerung im Alltag und in den sozialen Medien, durch Ignorieren oder durch Lächerlichmachen.
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Im Münchner Antje Kunstmann Verlag erschien im August ein ganzes Buch, das sich ausschließlich über die Rechtschreibfehler von Rechten in sozialen Netzwerken lustig macht, und der Spiegel-Korrespondent Hasnain Kazim belustigt seine Leser auf Social Media regelmäßig mit seinen dreisten Antworten auf dreiste Nachrichten.
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Blockieren und Verhöhnen statt Diskutieren – kann das der richtige Weg sein? Franziska Schutzbach, Soziologin und Geschlechterforscherin an der Uni Basel, beschäftigt sich in ihrem neuen Buch „Die Rhetorik der Rechten“ mit rechtspopulistischen Diskursstrategien und möglichen Gegenstrategien. Erzählt man ihr von #clapforcrap, hat sie sofort eine Assoziation: „Das sind so Troll-Tricks, die zum Beispiel Antifeministen einsetzen, um andere zu delegitimieren. Für die funktioniert das, aber ich weiß nicht, was ich davon halten soll, wenn jetzt auch die progressive Seite zu trollen beginnt.“ Als ernsthafte politische Vorgehensweise, findet Schutzbach, tauge das reine Abblocken und Lächerlichmachen nicht – das habe man etwa an Donald Trump gesehen, über den sich das halbe Land monatelang lustig machte und der dennoch (oder gerade deswegen) gewählt wurde.
Aber auch Schutzbach findet es nicht in jedem Fall sinnvoll, diskriminierende Äußerungen zu diskutieren. Sie unterscheidet bei Menschen, die sich zum Beispiel übers Gendern lustig machen, zwischen „nichtfeministischen“ und „antifeministischen“ Haltungen; die Unterscheidung lässt sich auch auf „Aber wo kommst du wirklich her“-Frager oder Schwulenwitze-Macher übertragen. Als Nichtfeministen bezeichnet Schutzbach Menschen, die sich noch nie mit dem Thema beschäftigt haben. Mit ihnen zu diskutieren, lohnt sich für Schutzbach. Antifeministen hingegen stellten zwar Fragen, suchten aber keine ernsthafte Diskussion, sondern wollten Macht ausüben. „Sie glauben, sie hätten das Recht, dass eine Frau ihre Zeit opfert, um ihnen alles bis ins letzte Detail zu erklären“, sagt Schutzbach. Wer sich darauf einlasse, diese Konsumhaltung akzeptiere, gerate sofort in eine Position der Schwäche – „sich diesem Erklärbär-Anspruch zu entziehen, ist hingegen ein starkes Signal und nervt die unfassbar“.
Zudem, sagt Schutzbach, seien viele Menschen nach Jahren der Kämpfe im Internet schlicht und einfach müde. „Die denken sich: Ich habe keine Zeit mehr für so etwas, ich habe nur ungefähr 80 Jahre hier und will meine Zeit jetzt lieber dafür einsetzen, über meine eigenen Utopien und Visionen nachzudenken, als immer nur in Abwehr zu stehen.“
Sieht man sich die Menschen an, die in sozialen Medien den offensiven Gesprächsabbruch verkünden, stellt man schnell fest: Die meisten von ihnen sind Frauen, und/oder ihr Aussehen oder ihre Namen entsprechen nicht dem, was sich Rechte unter Deutsch vorstellen. Das ist natürlich kein Zufall.
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„Die Forderung, man müsse mit Rechten reden, fußt auch auf der Annahme, man habe die Wahl“, schrieb die taz-Redakteurin Saskia Hödl im November in einer Kolumne. „Weiße Menschen haben diese Wahl. Sie können diesen Diskurs an- und ausknipsen wie eine Stehlampe, die mal passend das Zimmer erleuchtet und mal nervig blendet.“ Alle anderen würden ohnehin regelmäßig mit rechten Weltbildern konfrontiert, ob sie wollen oder nicht.
Sara Hassan ist Feministin, Menschenrechtsaktivistin und ehemalige Referentin eines österreichischen Grünen-Abgeordneten im EU-Parlament und spricht gemeinsam mit einer Kollegin im Podcast „Vocal About It“ über ihre Erfahrungen als Woman of Color in Brüssel. Ähnlich wie für Saskia Hödl ist die Gesprächsverweigerung für sie kein Trollen, sondern Notwehr. „Als ich auf Twitter begonnen hab, hab ich wirklich mit allen diskutiert, ich hab das für fair und notwendig für die Diskursbildung gehalten und mich ständig den nervenaufreibendsten Diskussionen gestellt“, erzählt Hassan. Auch, als sie wegen ihrer Äußerungen zu Sexismus und Rassismus immer häufiger beschimpft und bedroht wurde, habe sie noch „versucht, dagegen anzuschreiben und Leuten zu sagen, hallo, ich bin eine Person, mit der ihr da so umgeht.“ Der Wendepunkt sei #metoo gewesen, sagt Hassan. „Das ging einfach überhaupt nicht mehr. Vergewaltigungsdrohungen, üble rassistische Beschimpfungen quasi im Minutentakt“. Viele Accounts zu ignorieren und sich nicht in jede Diskussion verwickeln zu lassen, sei für sie notwendig gewesen, „weil ich mich sonst auflösen würde wie eine Brausetablette. Anders könnte ich gar nicht mehr online sein.“
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Unter solchen Bedingungen noch mit Rechten zu reden, wäre viel verlangt. Niemand sollte von Frauen und People of Color, von Schwulen und Lesben, von Muslimen und Jüdinnen erwarten, dass sie noch auf die zwanzigste Beleidigung und den hundertsten dummen Kommentar mit Engelsgeduld eine konstruktive Antwort formulieren. Umso mehr sind allerdings die jeweils nicht Betroffenen gefordert, den Betroffenen zur Seite zu springen und auf diskriminierende Äußerungen zu reagieren. Ob mit einem ernsthaften Gesprächsangebot oder nur mit einem deutlichen Signal, dass sie die Aussage nicht akzeptabel finden, ist dann vielleicht gar nicht so wichtig.