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„Wir müssen uns daran erinnern, dass diese Krise uns alle betrifft“

Foto: Helena Düll

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Es regnet in Strömen, als Aktivist*innen damit beginnen, alte Schuhe, kleine gebastelte Papierschiffe und Plakate auf den Stufen des Roten Rathauses in Berlin niederzulegen. Diese Form des Protests wird aber schnell von der Polizei unterbunden, das Ganze ist nicht angemeldet. 

Andere Kundgebungen dürfen an diesem Sonntag vor dem Roten Rathaus in Berlin aber stattfinden. Unter dem Motto „Leave No One Behind“ sind elf Organisationen, darunter Fridays For Future Berlin, Ende Gelände Berlin oder Seebrücke Berlin, vertreten – insgesamt sind es nach Angaben der Polizei bis zu 400 Menschen, die teilweise in Nebenstraßen ausweichen. Alle mit Mund- und Nasenschutz, alle in gebührendem Abstand zueinander. Im Rahmen des bundesweiten Aktionstages des Bündnisses „Seebrücke“ setzen sie sich unter anderem für eine Evakuierung der Flüchtlingslager in Griechenland ein. 

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Die Aktivistinnen Thea und Tanja.

Foto: Helena Düll
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Foto: Helena Düll

Tanja und Thea sind beide 25 Jahre alt, Studentinnen und Aktivistinnen bei der Seebrücke. Zu ihrer Motivation sagt Thea: „Ich habe das Gefühl, es ist meine Aufgabe, mich als Person mit europäischen Pass dafür einzusetzen, dass Menschen nach Europa kommen können.“ Am vergangenen Wochenende demonstrieren Menschen in mehreren deutschen und europäischen Städten für die Evakuierung der Flüchtlingslager in Griechenland. Die Organisatoren der Kundgebung in Berlin fordern mehr Geflüchtete in der Stadt aufzunehmen. Sie wollen Druck ausüben und wenden sich auch in den Redebeiträgen direkt an den Innensenator Andreas Geisel (SPD), der eine Landesaufnahmeanordnung vorlegen soll. Im Aufruf zum Aktionstag heißt es: „(…) Zehntausende Menschen sind weiter schutzlos der Pandemie ausgeliefert. Wir nehmen das vorsätzliche Versagen der Bundesregierung nicht länger hin. Berlin muss eigenständig evakuieren und Leben retten.“

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Foto: Helena Düll

Aktivistin Tanja fordert eine sofortige Evakuierung aller Flüchtlingslager an den europäischen Außengrenzen, wie zum Beispiel auch in Libyen, und die Aufnahme all dieser Menschen in Deutschland. Sie sagt: „Ich erhoffe mir, dass insbesondere in Zeiten von Corona, die Zivilgesellschaft und auch die Politik wieder wachgerüttelt werden. Wir müssen uns daran erinnern, dass diese Krise uns alle betrifft und dass Menschen leiden.“ Bei der Seebrücke gibt es dafür das Bündnis „Sichere Häfen“, dem sich rund 150 Städte und Kommunen angeschlossen haben und damit ihre Bereitschaft erklären, die Geflüchteten aus den Lagern aufzunehmen.

„Es liegt nicht am Mangel der Möglichkeiten, sondern am politischen Willen“

Ronja Weil ist Sprecherin von Ende Gelände. Das Bündnis, dessen Berliner Ableger seit Kurzem im Bericht des Berliner Verfassungsschutzes erwähnt wird, ist ebenfalls an der Organisation der Kundgebung beteiligt. Sie sagt: „Unsere konkrete Forderung ist es, alle Lager zu evakuieren und den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich selbst und ihre Familien zu schützen. Das wird natürlich nicht alleine in Berlin passieren können, aber wir wissen alle, dass wir bundesweite Kapazitäten haben, alle Lager zu evakuieren. Alleine der Fakt, dass wir die Kapazitäten haben, 40000 Erntehelfer*innen einzufliegen, zeigt ja, dass es nicht am Mangel der Möglichkeiten liegt, sondern am politischen Willen.“

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Ronja Weil ist Sprecherin von Ende Gelände.

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In der Politik tut sich bislang wenig – trotz der Aufnahmebereitschaft von Städten und Kommunen. Anfang Mai dieses Jahres kamen acht Kinder aus dem griechischen Flüchtlingslager Moria nach Berlin – insgesamt hat Deutschland 47 minderjährige, unbegleitete Geflüchtete aufgenommen. Der ursprüngliche Plan sah die Aufnahme von 350 bis 500 Menschen vor. Die Lage im Flüchtlingscamp auf der Insel Lesbos ist indes weiterhin prekär. Nach jüngsten Angaben leben dort rund 17 000 Menschen – bei einer Aufnahmekapazität von knapp 3000 Personen. Seit Jahren fordern diverse humanitäre Organisationen die Auflösung des Lagers.

„Wir haben überhaupt keine Zeit mehr“, sagt Tanja. Denn in den Lagern hätten die Menschen keine Möglichkeiten Abstand zu halten und sich vor dem Virus zu schützen, erklärt die Studentin. Corona ist inhaltlich das bestimmende Thema an diesem Sonntagnachmittag. Immer wieder wird betont, dass der Ausbruch der Pandemie in einem Lager aufgrund der hygienischen Bedingungen und der fehlenden medizinischen Versorgung eine „humanitäre Katastrophe“ sei.

Trotz Schuhen und Schiffchen vor dem Rathaus, trotz Bannern, Reden und Livemusik. Die Dynamik auf der Kundgebung ist spürbar schwächer als bei vergleichbaren Veranstaltungen zu Vor-Pandemie-Zeiten. Das bestätigt auch Ronja Weil: „Es ist auf jeden Fall sehr viel härter und sehr viel frustrierender als vorher.”

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