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Nach Lars Eidingers Designer-Aldi-Tüte: „Fifty Fifty“-Tasche als Kritik an Obdachlosen-Inszenierung
„Lars wohnt nicht auf der Straße“ – das stimmt allerdings. Lars Eidinger wohnt nicht auf der Straße, sondern in einer sicherlich recht großen Wohnung im schönen Berlin-Charlottenburg. Trotzdem wollte der Schauspieler Ende Januar gern die „Realness“ einer echten Obdachlosen-Schlafstätte für seine eigene Promo nutzen. Er posierte mit einer sehr teuren Tasche in Aldi-Optik, die er gemeinsam mit Designer Philipp Bree entworfen hatte. Ein schlichter Beutel aus Leder, limitiert auf wenige Exemplare. Stückpreis: 550 Euro. Die Bilder teilte er in den sozialen Netzwerken, der Shitstorm kam sofort. Er selbst sagte dazu in einem Interview: „Es geht in meiner Kunst nicht um Moral.“
Und jetzt kommt eine kreative Retourkutsche: „Lars wohnt nicht auf der Straße“, das steht auf einer Tasche, die auf Eidinger anspielt. Entworfen wurde sie vom Düsseldorfer Obdachlosenmagazin „Fifty Fifty“. Leiter Hubert Ostendorf fand Eidingers Aktion einfach nur „perfide“, sagt er im Interview gegenüber jetzt. „Das war bewusst inszeniert, ein bewusster Tabubruch für Marketing-Maßnahmen.“ Deswegen jetzt also eine ganz eigene Antwort, eine Tasche im Design des Konkurrenz-Discounters Lidl. Ganz normale Baumwolle, kein teures Design, kein Leder.
Kostenpunkt: null Euro für obdachlose Menschen, fünf Euro für alle anderen. Und für Lars Eidinger: 551,55 Euro. Der Erlös geht an das Projekt „Housing first“, das obdachlosen Menschen hilft, eine Wohnung zu finden. Nach drei Tagen wurden schon 700 Taschen verkauft, erzählt Ostendorf am Telefon – ein kleiner Sturm der Liebe.
„FifityFifty“ hat die Tasche ganz ähnlich inszeniert wie Eidinger.
Eidinger dagegen habe sich noch nicht zur Tasche geäußert. Schade, findet Ostendorf. Gern würde er mal mit dem Schauspieler sprechen. Was würde er ihm dann sagen? „Ich würde ihn um ein Interview bitten, daraus würden wir eine Titelgeschichte machen.“ Reden würden die beiden sicher auch über die alltäglichen Probleme von Wohnungslosen, denn Ostendorf würde Eidinger gern auch durch Wohnprojekte führen und ihm die Realität zeigen. „Lars Eidinger hat viele Kompetenzen, aber er hat keine Kompetenz, über Obdachlosigkeit zu sprechen“, sagt Ostendorf. Ganz anders er selbst: Seit 25 Jahren arbeiten er und das „Fifty Fifty“-Team mit obdachlosen Menschen und setzen sich für ihre Rechte ein.
Er sieht den Schauspieler nicht als Feind, auch wenn er für die Tasche und das Shooting kein Verständnis hat. Als richtige Gegner*innen bezeichnet Ostendorf diejenigen, die wohnungslose Menschen angreifen und sogar anzünden. Die Obdachlose vertreiben, wenn sie sich vor dem Regen schützen wollen. Die keinen Respekt haben, sondern nur pöbeln.
Deshalb freut sich Ostendorf jetzt umso mehr über die Solidarität vieler Menschen. Die Idee sei während einer Redaktionskonferenz ganz spontan entstanden. Über die vielen Bestellungen ist Ostendorf überrascht – und sehr froh. Sein Ziel hat das Magazin mit der Aktion auf jeden Fall erreicht: „über die Würde von Obdachlosen diskutieren“.