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Krise auf Lesbos: Antonia Hemberger von den Jusos zur Situation der Geflüchteten
Im Camp Moria brannte vergangene Woche ein Großfeuer, bis zu 13 000 Geflüchtete sind seitdem obdachlos, haben teilweise keinen oder kaum Zugang zu sauberem Wasser und Nahrung. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ringen währenddessen um eine Einigung, was gegen die Situation der Geflüchteten getan werden soll – und fallen vor allem durch Trägheit und Uneinigkeit auf. Deutschlands Innenminister Seehofer sprach am Freitag von bis zu 150 Geflüchteten, die in Deutschland Asyl bekommen sollen, genauere Pläne werden gerade erarbeitet. Doch ist das angemessen? Wie sollten Deutschland und Europa auf die menschenunwürdige Situation der Geflüchteten reagieren?
Darüber haben wir mit den Jugendorganisationen der Parteien gesprochen, die auch im Deutschen Bundestag vertreten sind. Das sind aktuell die Union, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Linke, FDP und AfD. In diesem Interview spricht Antonia Hemberger, 22, stellvertretende Bundesvorsitzende der Jusos. Sie studiert Sozio-Ökonomik in Kiel und arbeitet nebenbei im Europabüro von Delara Burkhardt.
jetzt: Was soll aus deiner Sicht mit den 13 000 Menschen aus Moria passieren?
Antonia Hemberger: Moria muss umgehend evakuiert werden. Unser Appell ist, dass die Bundesregierung das Signal gibt, dass sie hilft – und zwar nicht nur so wie in den letzten Monaten. Da hat Deutschland nur wenige Menschen aufgenommen. Jetzt, nach den Bränden, wo schon die ersten europäischen Staaten sagen, „das ist nicht unser Problem“, kann man nicht darauf hoffen, dass man die Hilfe mit allen koordiniert. Deutschland muss Verantwortung übernehmen.
Verantwortung übernehmen, bedeutet das, dass man im Notfall auch alle Geflüchteten aufnimmt?
Im Zweifel ja. Allein die aufnahmewilligen Städte und Kommunen könnten Menschen im hohen vierstelligen Bereich aufnehmen. Wir haben die Bereitschaft und den Platz.
War es richtig, dass die SPD im März geschlossen gegen die Aufnahme besonders Schutzbedürftiger gestimmt hat?
Ich weiß nicht, ob die Abgeordneten heute genauso stimmen würden. Wir erleben gerade, dass viele aus der Bundestagsfraktion heraus Druck machen, dass die Menschen aus Moria gerettet werden. Und auch wir versuchen Druck auf die SPD zu machen – aber die tatsächliche Bremse sitzt im Innenministerium. Es liegt ja nicht an der SPD, dass von Horst Seehofer nichts kommt. Auch Merkels Vorschlag, 150 unbegleitete Minderjährige aufzunehmen, kann nur ein erster kleiner Schritt sein, auf den sofort größere folgen müssen.
„Moria ist nicht das einzige Flüchtlingscamp der EU, und für die anderen muss man auch Perspektiven entwickeln“
Aber was ist konkret mit dem Verhalten der SPD bei besagter Abstimmung? Dass es jetzt zu so einer Eskalation gekommen ist, liegt ja auch daran, dass damals nichts getan worden ist.
Fakt ist: Hätte die SPD mit Grünen und Linken für den Antrag gestimmt, wäre trotzdem nichts passiert. Es gab dafür keine Mehrheit im Bundestag, die Stimmen hätten nicht gereicht. Die SPD konnte kurz darauf in der Koalition immerhin die Aufnahme von über 1000 unbegleiteten Minderjährigen durchsetzen. Nicht genug – aber mehr als niemand. Klar ist aber: Die Strategie von wegen „Wir warten, bis wir mit noch mehr europäischen Partnern gesprochen haben, bevor wir handeln“ war ein Fehler. Generell ist das Teil unserer Kritik an der großen Koalition, dass wir in den vergangenen Jahren in der Geflüchteten-Frage nicht vorangekommen sind. Deswegen brauchen wir zeitnah andere Mehrheiten, damit man einen anderen Weg einschlagen kann.
Glaubst du, die Feuer in Moria ändern etwas am politischen Kurs?
Es hat schon ein Momentum geschaffen, es wird sichtbar, wie prekär die Situation für die Geflüchteten vor Ort ist. Menschen, die kaum noch etwas hatten, verlieren selbst das Zeltdach über dem Kopf – dieses Leid ist kaum auszuhalten. Aber Moria ist nicht das einzige Flüchtlingscamp der EU, und für die anderen muss man auch Perspektiven entwickeln.
Seit Jahren wird in der EU verhandelt, wirklich voran geht nichts. Kann es überhaupt eine europäische Lösung geben? Was für eine Strategie würdet ihr euch von Deutschland wünschen?
Deutschland hat ja gerade die Ratspräsidentschaft inne, und da fordern wir, dass Deutschland jetzt auch Druck auf die EU-Partner ausübt, aber vor allem auch selbst Verantwortung übernimmt.