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Thüringen: Junge Liberale bewerten die aktuellen Entwicklungen der Ministerpräsidenten-Wahl
Am Mittwoch wurde Thomas Kemmerich von der FDP zum
Ministerpräsidenten gewählt – mit Stimmen der AfD. Das sorgte
bundesweit für Proteste. Kemmerich nahm die Wahl zunächst an, hat aber
inzwischen seinen Rücktritt verkündet. Durch den Vorfall geriet die FDP
stark in die Kritik. Noch ist unklar, welche Folgen daraus für die Partei
entstehen. Wir haben mit Mitgliedern der Jungen Liberalen darüber gesprochen, wie sie zu den Ereignissen in Thüringen stehen.
„Wenn die Wahl eine Pizza wäre, würde man die zurückgeben, zu viel Rande, zu wenig Mitte“
Tobias, 22, Wirtschaftspädagogikstudent aus München
„Ich war enttäuscht und verärgert. Natürlich ist es gut, wenn es neben den beiden Kandidaten von links und rechts eine Alternative gibt. Es geht aber nicht, dass sich ein FDP-Kandidat mit Unterstützung von rechten Parteien ins Amt bringen lässt. Kemmerich hätte die Wahl deshalb nicht annehmen dürfen. Ich bin froh, dass er nun zurücktritt, um größeren Schaden von der Partei, Thüringen und der Demokratie abzuwenden.
Die Proteste gegen die Wahl kann ich nachvollziehen und finde sie auch
notwendig. Die Art und Weise sehe ich allerdings kritisch. Die FDP-
Geschäftsstellen, zum Beispiel in München oder Berlin, stehen unter
Polizeischutz. Das finde ich schon krass. Die starken Anfeindungen, die wir
bekommen, sind einfach unangemessen. Was mich auch sehr geärgert
hat, ist, dass sich die Kritik gegen die gesamte FDP und nicht nur gegen
den Landesverband Thüringen richtet. Es wird überhaupt nicht
differenziert.
Ich hoffe, dass es zu Neuwahlen kommt und die anderen Parteien den Weg
dafür freimachen. Dann wünsche ich mir ein Bündnis der Mitte, das die
Extreme von links und rechts durchbricht. Wenn die Wahl eine Pizza wäre,
würde man die zurückgeben, zu viel Rande, zu wenig Mitte.“
„Ich denke, keiner in der Partei hat mit diesem Ergebnis gerechnet“
Matthias, 25, Rechtsreferendar aus Kempten
„In Thüringen sind zwei Extreme sehr stark ausgeprägt: Auf der einen Seite die Linke, auf der anderen Seite die AfD, die aus meiner Sicht noch deutlich schlimmer ist. Daher fand ich es grundsätzlich gut, dass die FDP mit ihrem Kandidaten eine demokratische Alternative aus der Mitte geboten hat. Die Wahl von Kemmerich kam für mich überraschend. Ich denke, keiner in der Partei hat mit diesem Ergebnis gerechnet. Die AfD hat dadurch ihre Macht demonstrieren können. Dass ein Ministerpräsident durch die Stimmen einer Partei gewählt wird, deren Landesvorsitzender in seinen Reden sehr offen rechtsextremes Gedankengut äußert, hat einen schrecklichen Beigeschmack, auch wenn der Kandidat selbst ein aufrechter Demokrat ist.
Meiner Meinung nach wäre es gut gewesen, erst mal zu versuchen, eine
Regierung zu bilden. Die FDP hat sich nun für Neuwahlen entschieden. Ich
bin mir nicht sicher, ob die dafür nötige Zweidrittel-Mehrheit zustandekommt. Vor allem befürchte ich, dass das Ergebnis nach der neuen Wahl wieder ähnlich aussieht. Da hilft nur abwarten, was die Zukunft bringt.“
„Neuwahlen wären meiner Meinung nach im Moment die beste Reaktion“
Benjamin, 32, Ingenieur in der Luftfahrtbranche aus Fürstenfeldbruck
„Kemmerich hätte die Wahl nicht annehmen sollen. Es gab bereits im Vorfeld Anzeichen, dass die AfD für ihn stimmen könnte. Deshalb hätte man sich überlegen müssen, wie man sich in diesem Fall verhält. Neuwahlen wären meiner Meinung nach im Moment die beste Reaktion auf die Ereignisse. Dadurch hätten die Wähler wieder die Entscheidung, was aus meiner Sicht das Beste wäre.
Es ist klar, dass es für Aufregung sorgt, wenn man sich von der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lässt. Das wird völlig zurecht kritisiert. Die Hitler-Vergleiche sind aus meiner Sicht aber übertrieben.
Ich denke, dass die Ereignisse in Thüringen sich negativ auf die gesamte FDP auswirken. Wir haben jetzt ein großes Glaubwürdigkeitsproblem. Das könnte zur Folge haben, dass uns einige Menschen nicht mehr wählen. Kritiker können nun immer darauf verweisen, dass wir uns erst von der AfD abgegrenzt haben und uns dann doch von ihr wählen lassen.“