- • Startseite
- • Politik
-
•
Interview mit Till Müller, Parteigründer der JED
Till Müller ist 18 und steckt gerade mitten im Abi. Gleichzeitig hat er zusammen mit Freunden eine Partei gegründet. Die Jugend- und Entwicklungspartei Deutschland (JED). Vor vier Monaten ist die Partei offiziell entstanden, am Sonntag steht sie zum ersten Mal zur Wahl - bei der Landtagswahl in NRW. Vorlauf für das eigentliche Ziel: Die Bundestagswahl am 24. September. Im Interview erzählt er, wie man eine neue Partei gründet - und warum es diese überhaupt braucht.
jetzt: Till, warum hattet ihr das Bedürfnis, eine neue Partei zu gründen?
Till Müller: In unserem Freundeskreis gab es immer wieder Gespräche über Politik. Wir sind fast alle Erstwähler und haben uns oft gefragt, welche Partei wir unterstützen wollten. Aber irgendwie war keine der etablierten Parteien für uns wählbar oder unterstützenswert. Klar wären wir auch so zur Wahl gegangen - aber eher aus einem Pflichtbewusstsein heraus und nicht, weil wir Lust darauf hatten. Und dann kam irgendwann eher als Witz die Idee auf, dass wir einfach selbst eine Partei gründen sollten. Und aus diesem Anfangswitz wurde mehr und mehr ernst. Mein Freund Lukas meinte: „Warum machen wir das nicht einfach, was soll denn schief gehen? So viel Arbeit kann es nicht sein.“ Okay, diese Annahme war falsch, aber ansonsten hat sich die Parteigründung als gute Sache herausgestellt.
Was ist das Ziel eurer Partei?
Wir wollen damit unserer Generation eine Stimme geben. Denn das regt uns am meisten auf, dass wir überhaupt nicht repräsentiert sind. Man muss sich nur mal den Altersschnitt in den Parlamenten anschauen: Der jüngste Landtagsabgeordnete in NRW ist Anfang 30. Das wollen wir ändern. Schließlich sind wir diejenigen, die mit all den Entscheidungen leben werden müssen, die jetzt getroffen werden.
War eure Parteigründung auch eine Reaktion auf die erfolgreichste Neugründung der letzten Jahre - die AfD?
Der allgemeine Rechtsruck in Europa war sicherlich ein Faktor, genauso Trumps Wahl und der Brexit. All das hat uns gezeigt, dass wirklich etwas zu tun ist. Gerade das Brexit-Referendum hat deutlich gemacht, dass die Jugend ganz andere Wünsche und Interessen hat als die älteren Menschen. Bei den jungen Menschen haben gerade mal 30 Prozent für den Brexit gestimmt. In den USA hatte der linke Kandidat Bernie Sanders unter den jungen Wählern eine riesige Anhängerschaft. Die jungen Leute wollten all das nicht, was gewählt wurde - und sie müssen damit leben.
Man könnte dagegen halten, dass viele Junge nicht zur Wahl gegangen sind und das Ergebnis mitverschuldet haben.
Ich sträube mich extrem gegen das Argument, die Jugend interessiere sich nicht für Politik. Das kann man immer wieder gut bei Bewegungen beobachten, die im Netz entstanden und groß geworden sind. Zuletzt hat man das bei „Pulse of Europe“ gemerkt, vor einigen Jahren bei ACTA, dem Thema Netzneutralität oder TTIP. All das sind Initiativen, bei denen junge Menschen plötzlich sehr aktiv geworden sind und das ist meiner Meinung nach das beste Zeichen dafür, dass wir uns sehr wohl für die Politik interessieren. Ich glaube, es ist eher im Gegenteil so, dass die Politiker komplett das Interesse an jugendpolitischen Themen verloren haben. Es ist doch nicht unsere Aufgabe, gegen jeden Widerstand auf die Politiker zuzugehen. Vielmehr sollte es die Aufgabe von Politikern sein, sich mit den Leuten auseinander zu setzen, was sie es ja bei ganz vielen Zielgruppen machen.
Was braucht man, um eine Partei zu gründen? Und wie habt ihr das alles rausgefunden?
Die ganzen Informationen für eine Parteigründung findet man im Netz. Und man braucht nicht besonders viel. Nur eine Satzung, ein Parteiprogramm und eine Gründungsversammlung. Auf der werden dann der Vorstand und ein Schiedsgericht nach den Vorgaben des Parteiengesetzes gewählt. Um bei der Landtagswahl in NRW teilnehmen zu dürfen, brauchten wir außerdem 1000 Unterschriften von Unterstützern.
Ging das übers Netz?
Nein, das haben wir über persönliche Netzwerke gemacht und an einem Wochenende waren wir auch ganz klassisch in der Innenstadt unterwegs.
Was ist das Programm eurer Partei?
Unser wichtigstes Anliegen ist Bildung. Wir glauben, dass kein Euro, der in Bildung investiert wird, verloren ist. Wir haben in NRW am eigenen Leibe zu spüren bekommen, welche Auswirkungen es hat, wenn das Bildungssystem kaputtgespart wird. Ein gutes Beispiel dafür ist der Umgang der Schulen mit digitalen Medien. Es kann nicht sein, dass Schüler häufig ihre Lehrer im Umgang mit digitalen Medien unterrichten, eigentlich sollte es anders herum sein. Das Internet beinhaltet riesige Chancen für uns. Ich kann das Internet aber nur positiv nutzen, wenn ich weiß, wie ich mich im Netz verhalten soll. Wenn ich eine vernünftige Google-Suche mache, habe ich ohne Kosten die Möglichkeit, an eine Unmenge von Daten zu kommen.
Was noch?
Unser zweites großes Anliegen ist Europa. Unsere Generation ist in Europa aufgewachsen. Wir leben unweit der niederländischen Grenze und können da ohne weiteres rüberfahren und mit dem Euro zahlen. Europa wird viel zu wenig gewürdigt. Gleichzeitig sehen wir auch, dass die EU reformiert werden muss hin zu mehr demokratischer Teilhabe.
Gab es Erlebnisse bei der Gründung von JED, die euch überrascht haben?
Ich war tatsächlich positiv überrascht davon, wie gut es gelaufen ist. Gerade am Anfang meinten einige Leute , dass unser Ziel mehr als sportlich sei. Wir hatten gerade mal zwei Monate Zeit von der Idee bis zur Zulassung zur Landtagswahl. Da wollen wir ein Prozent holen, das waren bei der letzten Wahl 80.000 Stimmen.
Eine Menge Stimmen…
Das ist ganz schön viel, ja. Uns ist bewusst, dass das Ziel hochgesteckt ist, aber wir glauben, dass wir es schaffen. Gerade durch den Wahl-O-Mat haben wir einen großen Schub bekommen und auch übers Netz bekommen wir ein gutes Feedback.
Du machst parallel zum Wahlkampf gerade auch dein Abi. Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal?
Es ist schon gerade ziemlich stressig, das muss ich zugeben. Aber andererseits findet man immer Gründe, warum es gerade nicht so gut passt. Nach dem Abi werden wir alle an die Uni oder in eine Ausbildung gehen, da hat man dann auch keine Zeit. Und wenn man dann im Job anfängt, muss man sich auch erst mal reinhängen. Ich glaube, manchmal muss man es einfach ausprobieren.
Ist das auch eine Art Plädoyer an deine Generation?
Ich finde es sehr wichtig, dass wir als junge Generation die Stimme erheben. Das war in letzter Zeit immer wieder der Fall, aber immer nur sehr kurzfristig. Ich glaube, jetzt ist die Zeit, laut zu sagen, dass wir nicht mit dem einverstanden sind, was gerade abgeht. Ich glaube, jeder kann in der Politik einen Bereich finden, für den er sich interessiert: Außenpolitik, Innenpolitik, Sozialpolitik - da gibt es tausend Möglichkeiten.