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„Wir kontrollieren nicht nach Lust, Liebe und Wellenschlag“

Foto: Stephan Rumpf; Bearbeitung: jetzt

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Mehrere Beamte haben uns im Laufe der vergangenen Monate von Missständen und Problemen bei der deutschen Polizei berichtet: von Vorurteilen, Rassismus, Korpsgeist, aber auch von mangelndem Respekt vonseiten der Bevölkerung. Zunächst sprachen wir mit „Robert“, anschließend meldeten sich weitere Polizisten bei uns, um von ihren Erfahrungen zu erzählen. Um die Aussagen und Vorwürfe unserer Gesprächspartner zu überprüfen, müssten wir die entsprechenden Dienststellen damit konfrontieren, doch gleichzeitig sind wir zum Quellenschutz verpflichtet. Da ausnahmslos alle Gesprächspartner darum gebeten haben, anonym zu bleiben, weil sie dienstrechtliche und private Konsequenzen zu befürchten haben, wiegt der Schutz ihrer Personen in diesem Fall schwerer.

Um dennoch eine offizielle Einordnung von Seiten der Polizei zu bekommen, haben wir in München, der Heimatstadt von jetzt und der SZ, um ein Gespräch mit Polizeipräsident Hubertus Andrä gebeten. Dieses wurde uns zugesagt, wenn wir versichern, dass unter den anonymisierten Beamten, deren Statements wir veröffentlicht haben, kein Münchner Polizist vertreten ist.  Anderenfalls wäre Herr Andrä in eine Verteidigungsposition gedrängt worden, um die es hier aber nicht gehen soll – sondern um eine allgemeine Einschätzung der beschriebenen Fälle von Polizeiseite. Ebenso soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, Herr Andrä könne für die Polizei anderer Bundesländer oder Städte sprechen, auch darauf wurde im Vorgespräch mehrfach hingewiesen.

jetzt: Herr Andrä, was würden Sie sagen, wenn wir Ihnen berichten würden, dass Ihre Kollegen im Münchner Nußbaumpark, einem Bekannten Treffpunkt für Süchtige und Dealer, ausschließlich schwarze Männer kontrollieren?

Hubertus Andrä: Wir richten Kontrollen anhand von konkreten Lagebildern aus. Wenn wir Erkenntnisse haben, dass Schwarzafrikaner an einem bestimmten Ort besonders am Rauschgifthandel beteiligt sind, müssen sie entsprechend kontrolliert werden – und nicht der, der irgendwo anders mit der Lederhosn rumsitzt. Was nicht ausschließt, dass der auch Rauschgift dabeihat. Aber warum sollte ich eine Person kontrollieren, die überhaupt nicht in unser Täterprofil hineinpasst? Das ist doch keine professionelle Polizeiarbeit. 

Wo beginnt für Sie dann Racial Profiling?

Wenn ich sagen würde: „Ich kontrolliere nur noch Dunkelhäutige.“ Oder, wenn ich das beschriebene Verfahren, das immer lokal begrenzt ist, auf dem ganzen Stadtgebiet und zu jeder Tages- und Nachtzeit anwende. Dann habe ich das Problem des Rassismus. 

Wurde einem Ihrer Mitarbeiter schon einmal Racial Profiling vorgeworfen?

Mir ist kein Fall bekannt.

Einige unsere Gesprächspartner sagen, dass Racial Priofiling praktiziert wird und sehr effektiv sei. Wer Menschen „kriminalisiere“ und dadurch viele Anzeigen aufnehme, werde schneller befördert.

Das ist, vor allem im Bezug auf das Polizeipräsidium München, eine absolute Nullaussage, wird aber immer wieder behauptet. Es wird davon ausgegangen, dass wir Beurteilungen nach dem Quantum machen, dabei ist das nur eines von 16 Beurteilungskriterien. Wir befördern nicht nach Zahlen – die Qualität ist viel entscheidender.

„Ich kenne Fälle, in denen Kollegen sich an die Vorgesetzten gewendet und gesagt haben: Was hier gelaufen ist, war nicht korrekt“

Was würden Sie sich denn von einem Beamten wünschen, der bei einem Kollegen einen Fall von Racial Profiling beobachtet?

Es gibt innerhalb der Polizei verschiedene Stellen, die man ansprechen kann: den Dienstgruppenleiter, den Dienststellenleiter – und letztlich auch mich, den Präsidenten. Es gibt auch die Möglichkeit, sich an den Personalrat, an die Polizeiseelsorge oder an öffentliche Mandatsträger zu wenden.

Unsere Gesprächspartner haben berichtet, dass diese internen Verfahren nicht leicht seien. Ein Beamter sagte: „Bei der Polizei wird zu schnell gesagt: Das darf nicht sein, also ist es auch nicht passiert.“

Mit diesen pauschalen Aussagen kann ich überhaupt nichts anfangen. Die Kollegen beklagen sich, ohne Beispiele zu nennen. Gab es konkrete Fälle? Waren sie bei ihren Vorgesetzten?

In einem Fall wurde sich an einen Vorgesetzten gewandt, in einem anderen wurde Anzeige erstattet. Wir können die Fälle aber hier nicht nennen und die entsprechenden Dienststellen nicht konfrontieren, weil wir die Anonymität unserer Gesprächspartner gewährleisten müssen. Sie fürchten sich vor beruflichen und privaten Konsequenzen.

Für einen Polizeibeamten ist es normal, Sachverhalte zu berichtet, die er beobachtet hat und für nicht richtig hält. Ich schließe nicht aus, dass es in manchen Dienstgruppen Kollegen gibt, die davor zurückschrecken oder das nicht offensiv machen. Aber ich kenne ganz konkrete Fälle, in denen Kollegen sich an die Vorgesetzten gewendet und gesagt haben: Was hier gelaufen ist, war nicht korrekt. Zum Beispiel habe ich dadurch vom Verhalten eines Kollegen im Straßenverkehr erfahren, das einfach nicht akzeptabel war und letztlich zu dienstrechtlichen Konsequenzen geführt hat. Das unterstützen und fördern wir.

Wie?

Indem wir den Beamten alles zukommen lassen, was notwendig ist, um einen solchen Sachverhalt aufzuklären. Wenn ein Kollege sich falsch verhalten hat und dienst- oder disziplinarrechtlich zu belangen ist, dann wird das in aller Konsequenz durchgezogen. Und wenn strafrechtliche Vorwürfe im Raum stehen, wird als externe Dienststelle das Landeskriminalamt beauftragt, das mit der Staatsanwaltschaft ermittelt.

„Die Polizei ist wie keine andere Organisation im Blickpunkt der Öffentlichkeit“

Wäre eine unabhängige Ermittlungsstelle nicht sinnvoller?

Den Vorteil kann ich überhaupt nicht erkennen. Nur Polizeibeamte und die Staatsanwaltschaft sind befugt, zu ermitteln. Um eine unabhängige Stelle zu schaffen, müssten Sie dieser polizeiliche Befugnisse geben und Sie mit der Staatsanwaltschaft verbinden. 

Mehrere Gesprächspartner haben uns gegenüber die angeblich gängige Praxis des „Geradeschreibens“ erwähnt. Können Sie mit diesem Begriff etwas anfangen?

Ich gehe davon aus, dass es darum geht, Stellungnahmen und Berichte so zu schreiben, dass sie „passen“.

Genau. Wenn ein Beamter jemanden zu Unrecht kontrolliert oder Gewalt anwendet, hat er die Möglichkeit, die Situation im Bericht hinterher so darzustellen, dass sie die Maßnahme rechtfertigt.

Ich glaube, dass darauf zumindest in Bayern von Seiten der Justiz sehr konsequent reagiert wird.

Man kann es aber in den seltensten Fällen nachweisen. Meist steht Aussage gegen Aussage: die des Beamten gegen die des Zivilisten oder eines anderen Beamten.

Die Polizei ist wie keine andere Organisation im Blickpunkt der Öffentlichkeit, sie wird von Außenstehenden gefilmt und fotografiert. Und wir filmen auch selbst: In Dienststellen, die eine besonders große Zahl an Veranstaltungen und Vergnügungsstätten in ihrem Gebiet haben und in denen die Zahl der Übergriffe auf Polizeibeamte über dem Durchschnitt liegt, setzen wir Bodycams ein. Ebenso, wenn in der Innenstadt Streife gefahren wird. 

Was, wenn es kein Videomaterial gibt und trotzdem Aussage gegen Aussage steht?

Es ist nichts Außergewöhnliches, dass bei einem Sachverhalt Aussage gegen Aussage steht. 

„Durch die hohe Zuwanderung ist auch zusätzlicher Arbeitsbedarf entstanden“

Wenn aber nun ein Beamter sagt, ein Kollege habe Menschen nur kontrolliert, weil sie schwarz sind, und der andere bestreitet das, welche Maßnahme würden Sie als Vorgesetzter daraus ableiten?

Nochmal: Wir kontrollieren nicht nach Lust, Liebe und Wellenschlag. Sondern nach Erkenntnissen und Informationen aus Ermittlungs- und Strafverfahren.

Und wenn sich in Ihrem Umfeld ein Kollege rassistisch äußert? Wie reagieren Sie da? 

Ich glaube, wenn ich in der Nähe bin, überlegen die Kollegen sich ihre Wortwahl ganz genau. Ich bin viel in der Stadt unterwegs und höre regelmäßig den Funkverkehr mit. Wenn so etwas vorkommen würde, würde ich sofort die Einsatzzentrale und die Dienststelle informieren, den Sachverhalt klarstellen und den Beamten entsprechend beanstanden. Aber natürlich weiß beim Funk jeder, dass er aufgezeichnet wird, und ich bin nicht bei jedem Gespräch dabei, dass Kollegen bei einer gemeinsamen Brotzeit führen.

Wie schaffen Sie ein Klima, in dem die Kollegen sich trauen, Missstände aufzuzeigen?

Ich versuche, durch eine möglichst große Ansprechbarkeit Barrieren ab- und eine Vertrauensbasis aufzubauen. Ich gehe in die Dienststellen, spreche mit den Kollegen, lade Kollegen aus dem Schichtdienst zu mir ein. Und ich wünsche mir Mitarbeiter, die widersprechen und ihre Meinung sagen, damit ich die Möglichkeit habe, meine Entscheidung entsprechend anzupassen oder zu ändern. Das sehe ich auch nicht als Schwäche. 

Seit der sogenannten Flüchtlingskrise ist der Rassismus in Deutschland sichtbarer geworden. Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?

2015 haben sich die Haltung und die Einstellung meiner Kollegen gezeigt: Sie haben mit Ruhe, Gelassenheit und persönlichem Einsatz tagelang große Flüchtlingsströme bewältigt. Das hat weltweit Beachtung gefunden. Durch die hohe Zuwanderung ist aber auch zusätzlicher Arbeitsbedarf entstanden, wir haben im Jahr 4000 Einsätze alleine in Flüchtlingsunterkünften. Darauf müssen wir entsprechend reagieren: die Kollegen nicht alleine lassen, sie mit mehr Personal und weiteren Kräften unterstützen und die Vorgehensweisen absprechen.

Weil es rassistische Tendenzen verstärken könnte, wenn die Beamten damit alleine gelassen werden?

Ja.

Ein Polizeiseelsorger, mit dem wir gesprochen haben, sagte ebenfalls, dass Erfahrungen mit gewalttätigen oder kriminellen Migranten „etwas mit den Kollegen machen“, sie also eventuell Vorurteile entwickeln würden. Wie werden Beamte unterstützt, bei denen etwa durch viele Einsätze in Flüchtlingsunterkünften diese Gefahr besteht?

Diese Belastung ist schon in der Ausbildung Thema: in der Rechtskunde, im Ethik-Unterricht, in Gesprächen und praktischen Übungen. Bevor Kollegen auf einer Dienststelle eingesetzt werden, sind sie außerdem ein halbes Jahr bis Jahr in einer Einsatzhundertschaft, wo sie von erfahrenen Kollegen begleitet werden. Es gibt einen zentralen psychologischen Dienst, an den man sich anonym wenden kann, um sich mit belastenden Situationen auseinandersetzen. Und wir haben eine sogenannte Früherkennungsdienststelle, in der alle Strafanträge, die Kollegen stellen, ausgewertet werden. Wir schauen genau hin.

„Die Behauptung, dass wir Demonstrationsteilnehmer als Gegner sehen, ist meschugge!“

Eine gute Maßnahme gegen Vorurteile ist die Zusammenarbeit mit Kollegen mit Migrationshintergrund. Wie hoch ist ihr Anteil in München?

Das ist schwer zu sagen, weil wir ja nur die Staatsangehörigkeit erfassen. Es gibt aber durchaus Beamte, die die türkische Staatsangehörigkeit haben, und wir wissen auch, welche Kollegen entsprechende Sprachkenntnisse haben. Aber eines ist klar: Bei uns machen alle den gleichen Einstellungstest. 

Wird dabei auch festgestellt, welche politische Einstellungen jemand hat?

Nein, außer, dass man angeben muss, ob man in einer extremistischen Partei oder Organisation aktiv ist. Aber die Ausbildung dauert zweieinhalb Jahre, mit Ausbildern und Vorgesetzten. Da gibt es also Kontrollinstanzen.

Ein Gesprächspartner sagte: „Wer wirklich links steht, der geht nicht zur Polizei. Aber wer rechts außen ist, kann trotzdem Polizist werden.“

Das kann ich nicht nachvollziehen. Die Frage ist doch, ob er sich ans Gesetz und die demokratischen Regeln hält. Die politische Wahlentscheidung ist seine persönliche Sache.

„Robert“, unser erster Interviewpartner im vergangenen Jahr, sagte, dass bei den Übungen der Einsatzhundertschaft für Demonstrationen ein klares Feindbild aufgebaut würde: Menschen, die demonstrieren, seien Gegner.

Das ist doch blanker Unsinn! Wir hatten bei G7 in München eine Versammlung mit 35.000 Menschen, da hat es keine Zwischenfälle gegeben, gar nichts. Wir hatten eine Demonstration mit 30.000 Teilnehmern gegen das Polizeiaufgabengesetz, auch da ist nichts passiert. Die Behauptung, dass wir Demonstrationsteilnehmer als Gegner sehen, ist meschugge! Wir sind dazu da, das Versammlungsrecht zu gewährleisten. Egal, ob uns das Thema passt oder nicht. 

Decken ihre Mitarbeiter das gesamte politische Spektrum ab?

Ich hoffe nicht. Denn ich hoffe nicht, dass wir Kollegen haben, die Rechtsextremisten sind. Es gab im Polizeipräsidium München vergangenes Jahr einen Verdachtsfall, dass ein Kollege der Reichsbürgerbewegung nahesteht – er wurde innerhalb von Minuten von mir suspendiert, um den Sachverhalt klären zu können. Die umfangreichen Ermittlungen haben den Verdacht Gott sei dank nicht bestätigt. Der Beamte verrichtet wieder Dienst.

Ein Gesprächspartner sagte: „Ich will nicht sagen, dass die Polizei elitärer werden soll. Aber wir müssen uns auf einem anderen intellektuellen Level bewegen.“

Geht er davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen doof sind? Wir haben hier in München einen hohen Anteil an Abiturienten – aber für mich zählt in erster Linie, ob jemand ein guter Polizeibeamter ist. Das hat nichts mit der Schulbildung zu tun. 

„Man muss bedenken, dass ein Polizeibeamter rechtmäßig Gewalt anwenden darf“

Mehrere Gesprächspartner sind unzufrieden mit der Fehlerkultur bei der Polizei. Wie sehen Sie das?

Fehler innerhalb der Organisation passieren tagtäglich, das ist menschlich. Man muss sich jeden davon anschauen und herausfinden, ob es der Fehler eines einzelnen Kollegen oder ein Systemfehler ist. Darum bereiten wir auch bestimmte Einsatzlagen sehr intensiv nach und machen regelmäßig Übungen, bei denen auf Fehlverhalten hingewiesen wird.

Sollte die Polizei auch gegenüber der Öffentlichkeit transparent mit ihren Fehlern umgehen?

Ja, warum denn nicht? Wenn ich heute eine Beschwerde bekomme und feststelle, dass der Kollege wirklich nicht ordnungsgemäß gehandelt hat, dann schreibe ich dem Bürger zurück, dass ich das bedaure. Wo ist da das Problem? Ich habe mich ja auch offiziell bei der Dame entschuldigt, die von einem Kollegen körperlich angegangen wurde (Andrä bezieht sich hier auf den Fall von Teresa Z., die von einem Münchner Polizeibeamten in der Haftzelle mit der Faust ins Gesicht geschlagen wurde; Anm. d. Red.). Natürlich gibt es auch ungerechtfertigte Beschwerden, dann muss ich mich ebenso öffentlich vor meine Mannschaft stellen.

Aus Statistiken geht hervor, dass in Deutschland Verfahren gegen Polizisten viel öfter eingestellt werden als solche gegen Zivilisten. Lässt man Polizisten zu leicht davonkommen oder hat sich die Polizei wirklich so wenig vorzuwerfen?

Das ist eine Pauschalisierung, die man hinterfragen muss. Warum wird denn ein Verfahren eingestellt? Das kann aus verschiedenen Gründen passieren: weil sich der Sachverhalt als anders herausgestellt hat, weil es Teil eines größeren Verfahrens geworden ist, weil es eine Geldauflage gab, weil kein Strafantrag gestellt wurde. Bei den Verfahren, die gegen unsere Kollegen geführt werden, habe ich nicht das Gefühl, dass sie überproportional oft mit Einstellungen davonkommen. Man muss außerdem bedenken, dass ein Polizeibeamter rechtmäßig Gewalt anwenden darf. Wenn ich wegen Körperverletzung im Amt angezeigt werde und im Verfahren stellt sich heraus, dass ich rechtmäßig meine Befugnisse genutzt habe, wird das Verfahren eingestellt. Das ist ein ganz normaler Vorgang, da kann ich doch nicht sagen, dass die Polizeibeamten „davonkommen“.

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen und der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen haben die mangelhafte Aufklärung von Polizeiverbrechen in Deutschland kritisiert. Das klingt schon so, als sollte man da nachbessern.

Wir haben eine unabhängige Ermittlungsdienststelle, die Staatsanwaltschaft und Maßnahmen im Vorfeld wie die Früherkennung. Ich wüsste nicht, was wir noch besser machen können.

Zum Beispiel transparenter gegenüber den Bürgern sein. In Bremen gab es im vergangenen Jahr einen Vorschlag der Grünen, Kontrollen schriftlich zu begründen und kontrollierten Personen „Kontroll-Quittungen“ auszustellen.

Das ist doch abstrus. Diese Datenerfassung wäre für den Bürger eher belastend. Warum sollte man das wollen? Damit man daheim einen Zettel abliefern kann?

„Jemand, der innerlich gekündigt hat, ist für die Polizei das größte Problem“

Der kontrollierte Bürger hätte etwas in der Hand, mit dem er nachvollziehen kann, auf welcher Basis die Kontrolle durchgeführt worden ist.

Eine Kontrolle beginnt immer damit, dass man sich vorstellt und sagt, was man macht, also zum Beispiel, dass eine allgemeine Verkehrskontrolle durchgeführt wird. Sie tun ja so, als ob jede Kontrolle problematisch wäre. Der Bürger kann außerdem immer nachfragen und verlangen, dass der Beamte sich mit Namen äußert.

Sie äußern sich trotzdem immer wieder gegen eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Warum?

Weil es keinen Bedarf gibt. Unsere Einsatzkräfte sind durch die Nummer auf dem Rücken der Uniform gekennzeichnet, die die Einheit bis runter zur Gruppe angibt. Wir hatten in den vergangenen Jahren keine einzige Beschwerde, bei der wir nicht nachvollziehen konnten, um welche Einheit oder welchen Beamte es sich handelt. Das Thema wird aus meiner Sicht viel zu hoch gehangen.

Einige Gesprächspartner haben sich über mangelnde Wertschätzung von Seiten der Bürger beklagt. Würden Sie das bestätigen?

Ja, der Respekt gegenüber Polizisten, die im Dienst sind, hat sich verändert.

Inwiefern?

Polizeibeamte werden heute von Personen angegangen, die mit dem Sachverhalt nichts zu tun haben. Wenn Sie jemanden vor einer Diskothek festnehmen, dann glauben Umstehende, dem Festgenommenen zur Hilfe kommen zu müssen. In der Extremform sehen Sie das, wenn Rettungskräfte angegriffen werden.

„Robert“, unser erster Interviewpartner, ist von der Polizei so enttäuscht, dass er sagte, er sei nicht mehr gerne Polizist. Was würden Sie zu ihm sagen, wenn Sie sein Vorgesetzter wären?

Dass er bitte die Konsequenzen ziehen soll. Engagement und Einsatzbereitschaft meiner Kollegen sind extrem wichtig. In München haben wir eine hohe Einsatzbelastung, 560.000 Mehrarbeitsstunden stehen im Präsidium – und ich habe bisher keinen einzigen Anruf, keinen einzigen Schriftsatz, keine einzige Mail bekommen, in der jemand geschrieben hat: „Herr Präsident, ich habe keine Lust mehr.“ Aber jemand, der innerlich gekündigt hat, ist für die Polizei das größte Problem.

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