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Interview mit Karl-Rudolf Korte zum Wahlverhalten junger Frauen und #Gerwomany
23 deutsche Frauenmagazine und eine Berliner Werbeagentur haben mit ihrer Kampagne #Gerwomany die Bundestagswahl im September „zur Frauensache” erklärt. Die Initiative beruft sich darauf, dass „die Wahlbeteiligung junger Frauen im Alter von 21 bis 25 Jahren in den vergangenen 30 Jahren um ganze 20 Prozent gesunken” sei.
Wir haben den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte, der auch regelmäßig als Wahlexperte im Fernsehen auftritt, gefragt, wie es um die Wahlbeteiligung junger Frauen steht.
jetzt: Die Aktion #Gerwomany hat sich zum Ziel gesetzt, dass in diesem Jahr mehr Frauen als Männer zur Wahl gehen. Ist das überhaupt möglich und würde es irgendetwas verändern?
Prof. Dr. Korte: Ja, denn 2017 sind mehr Frauen als Männer wahlberechtigt. Von den 61,5 Millionen Wahlberechtigten sind 31,7 Millionen weiblich und 29,8 Millionen männlich. Insofern: Wer die Frauen mobilisiert, hat die Chance, die Wahlen zu gewinnen.
Junge Frauen sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, sie würde seltener wählen gehen als junge Männer. Gibt es innerhalb der Gruppe der jungen Wähler tatsächlich geschlechtsspezifische Unterschiede?
Das kann man so nicht sagen. Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern sind bei den jungen Wählern nicht gravierend. Bei der Wahlbeteiligung allgemein ist es so, dass Männer und Frauen fast gleich viel wählen. Früher waren es deutlich mehr Männer, heute sind die Frauen fast gleichauf. Es gibt allerdings Unterschiede, wie Frauen und Männer den jeweiligen Parteien zugewandt sind: Die CDU wird häufiger von Frauen, auch von jungen Frauen, gewählt als die SPD.
Wie lässt sich die geringe Wahlbeteiligung junger Wähler erklären?
Also erst einmal würde ich differenzieren: Erstwähler, die über die Schulen oder durch das Elternhaus zum Wählen angeleitet werden, beteiligen sich überproportional häufig. Die Beteiligung bei denen, die zum zweiten Mal wählen, fällt dann drastisch ab. Offenbar passiert dazwischen etwas, sodass sie den Eindruck bekommen, mit ihrer Stimme nicht ausreichend viel bewirken zu können. Weder für die geringe Wahlbeteiligung bei den Jungen, noch für die unterschiedlichen Wahlentscheidungen der Geschlechter gibt es verlässliche Erklärungsmuster.
"Wenn sich junge Menschen nie beteiligen würden, dann wäre das ein Problem"
Ist die geringe Wahlbeteiligung ein Problem?
Aus meiner Sicht ist sie das nicht, nein. Es gibt in der Wahl- oder Demokratieforschung keinen Gradmesser, aus dem man ableiten könnte, wann eine Wahl aufgrund zu geringer Beteiligung nicht legitim wäre. Problematisch für eine Wahl ist es, wenn sie ungleich ausfällt. Das heißt, wenn bestimmte Wähler systematisch häufiger auftreten oder sich nie an Wahlen beteiligen. Wenn sich junge Menschen nie beteiligen würden, dann wäre das ein Problem. Wir haben solche - vor allem soziale - Verzerrungseffekte, aber sie verändern nicht grundsätzlich die repräsentative Qualität der Wahlergebnisse in Deutschland.
Was ist dran an der Aussage, „Junge Menschen sind nicht unpolitisch, sondern anders politisch”?
Politik in den etablierten Formaten fasziniert keinen jungen Menschen und insofern ist sie auch vielfach aus diesen Formaten ausgewandert. Etablierte Formate wären, sich alle vier oder fünf Jahre an einer Wahl zu beteiligen oder im Parlament drei Lesungen auszuhalten. Diese Langsamkeit des politischen Betriebs hat durchaus seine Berechtigung, aber viele junge Leute können sich nicht dafür begeistern. Sie bevorzugen projektbezogene Aktionen oder Online-Formate, in denen sie sich stündlich, minütlich engagieren können.
Dieser Sofortismus ist eine andere Form der politischen Beteiligung. Wenngleich viele junge Menschen unter den Bedingungen des Anti-Trumpismus und den Wahlen im Ausland wieder in traditionelle Parteien eingetreten sind.
Was ist mit einer Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre auch auf Bundesebene? Eine gute Idee?
Das muss man abwägen. Ich persönlich erkenne aus den genannten Gründen keinen wirklichen Vorzug. Die repräsentative Zusammensetzung der Parlamente hat die Aufgabe und die Pflicht, sich für alle Gruppierungen der Gesellschaft einzusetzen.
Wir können nicht erwarten, dass ein Abbild der Gesellschaft unmittelbar auch in den Parlamenten entsteht. Das wäre eine falsche Vorstellung von Repräsentativität. Aber wir erwarten von den Abgeordneten, dass sie sich trotzdem um die Gesamtheit kümmern. Mit der Wahl geht eine gewisse Verantwortung einher und diese Verantwortung hat man letztendlich nur als Volljähriger.