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„Fridays gegen Altersarmut“ wird von rechts unterwandert
Kurze Umfrage: Ist hier irgendjemand für Altersarmut? Nein? Prima, dann können wir ja alle am Freitagnachmittag Mahnwachen dagegen abhalten! Als große Gruppe mit großem Konsens, als Bürger*innen mit ehrenhaftem Ziel und sozialem Gewissen.
So zumindest stellt die neu entstandene Bewegung „Fridays gegen Altersarmut“ (FgA) ihre geplanten Aktionen dar und sicher gibt es viele Unterstützer*innen, die genau das erwarten und wollen. Aber in den vergangenen Wochen ist immer deutlicher geworden, dass bei FgA das Thema „Altersarmut“ von Rechten instrumentalisiert wird. FgA ist ein Beispiel für einen besonders perfiden Versuch von rechts, die Gesellschaft zu spalten – gleichzeitig aber auch ein Beweis für den Erfolg von „Fridays for Future“.
Aber nochmal von vorne: Seite Ende 2019 wurden mehrere, nach eigenen Angaben überparteiliche Facebook-Gruppen mit dem Titel „Fridays gegen Altersarmut“ gegründet. Eigentlich gut, denn das Thema ist wichtig: Erst im vergangenen Herbst hat eine Bertelsmann-Studie belegt, dass der Anteil der von Armut bedrohten Rentner*innen bis zum Jahr 2039 auf 21,6 Prozent steigen könnte. 2019 waren es 16,8 Prozent. Die Verfasser*innen der Studie schrieben auch, dass die Grundrente daran nichts ändern werde, sondern die Politik die Ursachen der Altersarmut bekämpfen müsse.
Die Rechte hatte mal Pegida. Jetzt braucht sie eine neue Protestbewegung
Gut also, wenn sich Menschen zusammenschließen, um Politiker*innen zum Handeln aufzurufen. Doch vor allem die größte der Facebook-Gruppen, die mittlerweile mehr als 300 000 Mitglieder hat, verfolgt wohl noch ganz andere Ziele. Einer ihrer Admins ist ein Mann namens „Heinz Madsen“, dessen (zur Zeit gesperrtes) Profil nach Recherchen der Frankfurter Rundschau auf rechtsextreme Gesinnung schließen lässt. In der Gruppe äußern sich zwar kritische Menschen, die sich nicht instrumentalisieren lassen wollen, aber genau das ist längst passiert: Rechte Parteien, von den Republikanern über die Rechte bis hin zur AfD, haben mittlerweile Werbung für bundesweite FgA-Mahnwachen am 24. Januar gemacht.
Wenn man versucht, sich in ein rechtes Strateg*innen-Gehirn hinein zu versetzen, ist diese Unterwanderung ziemlich logisch. Denn die Rechte braucht dringend eine neue Protestbewegung. Sie hatte mal Pegida, aber der Kernprotest in Dresden ist zusammengeschrumpft und viele Ableger in anderen Städten sind längst verschwunden.
Ein Problem von Pegida ist und war unter anderem, dass die vielbeschworene „Islamisierung des Abendlandes“, vor der sich die Teilnehmer*innen angeblich so fürchten, bisher nicht eingetreten ist, beziehungsweise: nicht existiert. Und weil es für rechte Hetzer*innen immer wichtig ist, gegen etwas zu demonstrieren (dafür steht ja auch das G in Pegida), ist es natürlich schlau, jetzt gegen etwas zu mobilisieren, das es wirklich gibt und das wirklich niemand möchte: Altersarmut.
Erreicht werden soll aber wohl, dass bei den Mahnwachen am 24. Januar auch noch gegen alle möglichen anderen Sachen demonstriert wird. In einem Post auf der Webseite von „Die Rechte“ heißt es zum Beispiel: „Es bewegt sich etwas im Volk: Nach monatelanger ,Fridays for Future‘-Klimahysterie hat sich eine Gegenbewegung gebildet, die insbesondere von älteren Menschen getragen wird, welche schon heute die katastrophalen Auswirkungen der deutschen Sozialpolitik spüren.“
Beklagt werden dann noch die „Alimentierung von Fremden aus der ganzen Welt“ und „die Pensionen der sogenannten ,Volksvertreter‘ aus der etablierten Politik“, während an denen gespart werde, „die unser Land (wieder-)aufgebaut haben“ – und die ja zuletzt auch so schlimm beleidigt worden seien (womit natürlich auf den „Umweltsau“-Song des WDR-Kinderchors Bezug genommen wird). Zusammenfassen lässt sich das so: Wir sind gegen Jugendliche, die für Klimaschutz demonstrieren, gegen Geflüchtete und gegen „die da oben“ – und äh, ja, außerdem auch noch gegen Altersarmut.
Muss man sich jetzt freitags entscheiden, ob man für Klimaschutz oder gegen Altersarmut ist? Wie unlogisch!
Das Schlimmste an solchen Gegen-Bewegungen ist, dass sie spalten wollen, und die Rechten machen es da erfahrungsgemäß selten unter „größtmögliche Gruppe gegen größtmögliche andere Gruppe“. Eine politische Spaltung „rechts gegen links“ wäre ja noch auszuhalten. Aber mit FgA wird eine gesellschaftliche Spaltung vorangetrieben – und noch dazu eine doppelte. Denn neben dem altbekannten „die Deutschen“ gegen „die Ausländer“ ist jetzt neu im Angebot: „die Alten“ gegen „die Jungen“. Jeder Mensch, der in Deutschland lebt, lässt sich – zumindest im rechten Weltbild – einer dieser vier Gruppen zuordnen. Also haben alle Feinde. Also gibt es tollen Nährboden für Hass und Hetze. Hurra!
Man kann das Ganze allerdings auch so sehen: Selbst wenn FgA eine Gegenbewegung zu „Fridays for Future“ sein will, ist das eigentlich nur ein Beweis dafür, wie relevant die Klimastreiks mittlerweile sind. Freundlich ausgedrückt: Wer 2020 eine Protestbewegung ins Leben rufen will, der kommt nicht daran vorbei, damit auf die erfolgreichste Protestbewegung, die es aktuell gibt, Bezug zu nehmen. Weniger freundlich ausgedrückt: Die FgA-Gründer*innen hatten leider keine eigene Idee, also haben sie die erfolgreichste Protestbewegung, die es aktuell gibt, einfach kopiert. Den Namen, das Logo, die Protestform. Ganz schön unkreativ. Und auch ganz schön unlogisch. Weil es nämlich suggeriert, dass man sich freitags ab sofort entscheiden muss, ob man für Klimaschutz oder gegen Altersarmut ist. Denn wer Äpfel liebt, kann nicht gleichzeitig faule Birnen nicht mögen, schon klar!
Weil FgA so unkreativ und unlogisch ist, bleibt auch die Hoffnung, dass der große, doppelte Spaltungsplan nicht aufgeht, sondern die Bewegung sehr bald in der Versenkung verschwindet – ähnlich wie es bei „Fridays For Hubraum“ der Fall war. Viele der geplanten Mahnwachen von FgA wurden mittlerweile schon wieder abgesagt, vermutlich von Organisator*innen, die sich nicht vor den Karren der Rechten spannen lassen wollten. Vielleicht fällt denen ja bald eine neue, kreative Protestaktion gegen Altersarmut oder besser: für eine gerechte Altersvorsorge ein. Die könnte Deutschland gut gebrauchen. Und nebenher können sie dann freitags auch einfach noch bei „Fridays for Future“ mitlaufen. Die streiken nämlich für eine lebenswerte Zukunft. Für alle.