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Facebook-Gruppe #ichbinhier kämpft gegen Hetzte
Es formiert sich Widerstand gegen Hasskommentare und rechte Hetze im Netz. Die rasant wachsende Facebook-Gruppe "ichbinhier" hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen bei Facebook zu helfen, die von Schmähungen und Beleidigungen überrollt werden. So will die Gruppe, die sich Ende Dezember 2016 gründete, das Diskussionsklima auf Facebook verbessern und Hasskommentaren mit Fakten begegnen.
Wir sprachen mit Hannes Ley über organisierte Hasskommentare auf Facebook. Über die vielen Drohungen, die die Gruppe erhält und die sich vor allem gegen die weiblichen Mitglieder richten. Und darüber, wie die Meinungen von Menschen in den Sozialen Medien manipuliert werden können.
jetzt: Was genau ist „ichbinhier“?
Hannes Ley: Das ist eine Aktionsplattform auf Facebook. Wir sehen uns an, wo in den großen und bekannten deutschen Medien es Hasskommentare gibt unter den Beiträgen, posten die in unsere Gruppe und machen Counterspeech. Wir gehen rein in die Kommentarspalten, schreiben gegen den Hass an, sachlich und respektvoll. Und liken die guten, konstruktiven Kommentare, damit die auch weiter oben erscheinen und mehr Gewicht bekommen. Das ist eigentlich auch die Aufgabe der Medien und ihrer Social-Media-Teams. Die Welt und die Tagesschau zum Beispiel machen das sehr gut, moderieren die Diskussion und sperren Leute, die Hass verbreiten. Andere hingegen, wie etwa Focus Online und die Huffington Post, machen das so gut wie gar nicht. Mit der Leserredaktion von Focus Online war ich persönlich in Kontakt, und man sagte mir, sie arbeiten an dem Problem und bedankten sich für unsere Hilfe und Unterstützung.
Warum macht ihr das?
Ich glaube, es geht mittlerweile allen so, dass man in den vergangenen Monaten die Kommentarspalten gelesen hat und dachte: Was ist das für eine Parallelwelt? Was wird da geschrieben? Ich persönlich habe auch vereinzelt Kommentare geschrieben und irgendwann gemerkt, das versandet total zwischen den Hasskommentaren. Dann habe ich von dieser Gruppe aus Schweden gehört, die gegen Hass vorgeht. Das fand ich sensationell, dass man gemeinsam gegen den Hass ankämpfen kann und so wieder eine positive, höfliche und konstruktive Stimmung in den Kommentarspalten erzeugt. Darum geht’s. Die Schweden sind unser Vorbild.
Wollt ihr den Leuten mit Fakten begegnen, oder wollt ihr ihnen einfach eure Meinung gegenüberstellen?
Die Argumentationsmuster sind immer wieder die gleichen, es wird pauschalisiert, zum Beispiel so: Alle Flüchtlinge sind Vergewaltiger, insbesondere die Nordafrikaner, sie haben alle mehrere Identitäten, um mehr Sozialleistungen zu beziehen. So was kommt ständig. Wir wissen, dass es auch kriminelle Asylbewerber gibt, aber das sind Einzelfälle. Wir versuchen, genau das zu betonen: Leute, hört auf zu pauschalisieren. Differenziert das. Natürlich gibt es schwarze Schafe. Uns geht es nicht darum, eine bestimmte politische Meinung zu verbreiten. Wir wollen für eine sachliche Diskussion sorgen.
Postet ihr auch Fakten?
Ja, das machen wir. Zu den wichtigsten Themen haben wir eine Linkliste, mit gut recherchierten, fundierten Artikeln, mit wissenschaftlichen Statistiken, die man kopieren und damit argumentieren kann. Damit kann man sehr viele Behauptungen widerlegen.
Ihr habt derzeit über 8000 Mitglieder. Wie organisiert ihr euch?
Nachdem gestern die Moderatorin Dunja Hayali auf Facebook auf uns aufmerksam gemacht hat, gibt es einen riesigen Ansturm. Zu den 8000 Mitgliedern kommen noch mal 2000 in der Warteschlange dazu. Dahinter steht mittlerweile ein 20-köpfiges Team, das sich die Aufgaben aufteilt. Die Anfragen bearbeitet. Beiträge sichtet, Medien scannt, und so weiter. Das Schräge ist, die meisten kennen sich gar nicht. Aber man hat schon ein totales Teamgefühl.
Wie verhindert ihr, dass ihr Leute aufnehmt, die euch nichts Gutes wollen?
Wir haben schon Maulwürfe drin, das wissen wir. Es ist sehr schwierig das zu verhindern. Wir versuchen zu schauen, wie plausibel ein Profil ist, in welchen Gruppen er oder sie sonst noch Mitglied ist. Aber ganz ausschließen kann man nicht, dass sich ein Troll reinschmuggelt.
Euer Projekt wird immer populärer. Ist das auch schwierig für dich persönlich, werdet ihr angegangen dafür?
Ja, leider. Ich habe Drohungen bekommen, auf Twitter wird über mich persönlich sehr negativ geschrieben. Ich bin damit nicht alleine bei uns. Vielen anderen Mitglieder geht es genauso. Auffällig ist, dass vor allem die Frauen in unserer Gruppe am meisten bedroht werden. Über private Nachrichten und per Mail schickt man ihnen Vergewaltigungswünsche und sowas. Das sind klassische Einschüchterungsmethoden, die werden unserer Meinung nach ganz bewusst eingesetzt.
Wie geht ihr damit um?
Wir haben eine Guideline dafür, mit Adressen, an die man sich wenden kann. Wir melden es Facebook, das hilft aber tatsächlich sehr wenig. Wir erstatten auch Strafanzeigen. Wir halten zusammen und sagen, nimm’s nicht so ernst und versuchen so, Ängste zu nehmen.
Erkennst du bei den ganzen Hasskommentaren eigentlich ein Muster?
Ja, meines Erachtens sind sie organisiert. Man darf nicht so naiv sein und glauben, unsere Gruppe ist die einzige, die sich gerade zusammentut. Die Hater machen das auch. Hier wird bewusst die öffentliche Wahrnehmung beeinflusst, mit den immer gleichen Parolen und den immer gleichen Aussagen. Aussagen, wie sie auch von verschiedenen Politikern der AfD getroffen werden: Die Eliten in Berlin seien Realitätsverweigerer und Merkel sei an allem Schuld.
Hilft Facebook euch eigentlich?
Nein, gar nicht. Die meisten Beschwerden, die wir einreichen, werden ignoriert. Oder nicht verstanden. Wenn wir Nutzer melden, die beleidigen und die Reichskriegsflagge im Profilbild haben, dann hören wir oft: ‚Wir konnten nichts finden, was gegen die Auflagen verstößt. ‘ Da fragt man sich: Habt ihr euch das eigentlich wirklich angeschaut? Facebook ist sehr stark überfordert.
Im Herbst ist Bundestagswahl. Es gibt das diffuse Bedrohungsszenario, dass bestimmte Gruppen versuchen könnten, die Meinung der Menschen in den Sozialen Medien gezielt zu manipulieren. Hältst du das für realistisch?
Ich glaube, dass Soziale Medien im Wahlkampf unfassbar wichtig werden und dass darüber sehr viel Meinung gemacht werden wird. Dieses System haben extreme Kräfte schon sehr gut verstanden und nutzen das. Da muss man ganz bewusst gegenhalten. Wir müssen jetzt echt loslegen.