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„Hat Trump wirklich weniger Steuern gezahlt als ich als Alleinerziehende?“

Ist Donald Trump ein schlechter Geschäftsmann? Pleite? Oder gerissen genug, die Steuerbehörde auszutricksen? Diese Fragen stellen sich viele Menschen auf Twitter.
Foto: imago images/ZUMA wire; Bearbeitung: jetzt

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Kurz vor den US-Präsidentschaftswahlen im November 2020 wird wahr, was sich viele schon für 2016 gewünscht hatten: Donald Trumps Steuer-Geheimnis wurde gelüftet. Nicht, im Schub einer plötzlichen Einsicht, von ihm selbst, dagegen hatte er sich ja auch jahrelang gewehrt. Sondern durch Recherchen der New York Times. Und was sie enthüllten, legt auch nahe, warum der amtierende US-Präsident seine Steuern so ungern offenlegen wollte: Donald Trump hatte im Jahr 2016, als er zum US-Präsident gewählt wurde, offenbar nur 750 US-Dollar Einkommensteuer gezahlt. Genau wie im ersten Jahr als US-Präsident. Trump habe außerdem in zehn der vergangenen 15 Jahre überhaupt keine Einkommenssteuer abgeben müssen – weil er angab, mehr Geld verloren als eingenommen zu haben. 

Zum Vergleich: Im Durchschnitt geben Bürger*innen in den USA, so schreibt es die Nachrichtenagentur AP,  jährlich etwa 12 200 Dollar Steuern an den Staat ab. Und genau diese Steuerzahler*innen sind es nun, die sich auf Twitter öffentlich über Trumps Steuerzahlungen ärgern. Eine Nutzerin schreibt beispielsweise: „Hat Trump wirklich weniger Steuern gezahlt als ich als Alleinerziehende? Sprachlos.“

Unterstützer*innen des diesjährigen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden reagierten darauf schnell und bieten seit wenigen Stunden im „Biden Victory Fund“ Sticker zum Verkauf an. Darauf steht: „I paid more Income Taxes than Donald Trump.“ Der Preis für zwei: 7,50 US-Dollar.  Zudem veröffentlichte der Twitter-Account „Team Joe“ ein Video, das – mit sentimentaler Musik unterlegt – die durchschnittliche Einkommenssteuer einiger Berufsgruppen mit Trumps Zahlung vergleicht.

Zustande kamen Trumps Steuerrechnungen offenbar, weil Trump hohe Verluste in verschiedenen Geschäftsbereichen, zum Beispiel bei seinen Golf-Resorts, geltend machte. Außerdem setzte er beispielsweise Berater*innen-Honorare ab, die er für seine Tochter Ivanka geltend machte. Außerdem soll Trump eine Steuergutschrift in Höhe von 73 Millionen Dollar bekommen haben, die inzwischen Gegenstand eines Rechtsstreits mit der Steuerbehörde IRS ist. 

Es gibt zudem einen Punkt, der die Menschen in den sozialen Netzwerken besonders schockiert. Nämlich ein Detail, das Donald Trump 70 000 US-Dollar Steuern gespart haben soll: sein Haarstyling während der TV-Sendung „The Apprentice“. Viele fragen sich nun, wie es möglich sei, so viel Geld für so wenig Haar auszugeben.

Donald Trump übrigens reagierte nach bekannter Manier ebenfalls auf Twitter. „FAKE NEWS!“, schrieb er zu den Enthüllungen der New York Times. Er sagte in einer Medienkonferenz außerdem, er habe „eine Menge“ Steuern bezahlt, auch an den Bundesstaat New York. Einige Trump-Unterstützer*innen unterstellen der New York Times währenddessen, illegal an die Steuerunterlagen gekommen zu sein. Das Medium wiederum gibt an, von einer Person Zugriff auf die Dokumente erhalten zu haben, die selbst legal Zugang dazu habe. 

Viele Gegner*innen des Präsidenten hoffen nun, dass ihm die Veröffentlichung der Steuerunterlagen schaden und die nächste Amtszeit kosten könnte. Andere Gegner*innen sind pessimistischer. Immerhin, so schreibt beispielsweise der deutsche Grünen-Politiker Danyal Bayaz, habe Trump schon ganz andere Vorwürfe überstanden.

Auch der Comedian Brent Terhune nimmt sich der Sache in einem vielgeteilten Video an, in dem er sich über einen Trump-Supporter lustig macht. Er trägt darin eine „Make America Great Again“-Kappe auf dem Kopf, hinter ihm ist ein Plakat zu sehen, auf dem Donald Trump als muskulöser, bewaffneter Kämpfer verklärt ist. Er sagt darin unter anderem: „Wisst ihr was? Ich habe den Artikel nicht gelesen und ich habe nicht recherchiert – aber ich habe Meinungen. Denn all das sind nur Fake News.“ Später sagt er: „Und was, wenn er nur 750 gezahlt hat? Das macht ihn immerhin schlau.“ Terhune beschäftigt sich in seinen Clips und Auftritten immer wieder mit Doland Trump und mimt regelmäßig einen Unterstützer des US-Präsidenten.

In den USA ist es zwar nicht verpflichtend, aber üblich für Präsidentschaftskandidat*innen, ihre Steuererklärungen offenzulegen. Bisher hatten das alle seit Jimmy Carter getan. Donald Trump allerdings hatte sich seit seinem Wahlkampf 2016 geweigert und immer wieder, auch jetzt wieder, darauf verwiesen, dass die Unterlagen noch zur Prüfung bei der Steuerbehörde lägen. Was er allerdings schon 2016 in einem TV-Duell mit Hillary Clinton (auf deren Vorwürfe hin) eingeräumt hatte: Dass er zeitweise keine Steuern bezahlt habe. Das zeige, dass er schlau sei.

Einige Twitter-Nutzer*innen wundern sich deshalb auch über die Überraschung, die viele andere nun kundtun. Man habe es doch wirklich ahnen können.

lath

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