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Brasilien: Hashtag #EleNão gegen den frauenfeindlichen Kandidaten Bolsonaro
Korruption, Rechtsruck und Sexismus - das sind die großen Themen, die Brasilien im Wahljahr 2018 beschäftigen. Im Oktober wählen die Brasilianer einen neuen Staatspräsidenten. Als Favorit gilt der rechtsextreme Politiker Jair Messias Bolsonaro. Dieser wird als brasilianischer Trump gehandelt und hetzt offen gegen Frauen, Homosexuelle und Dunkelhäutige. Immer wieder polarisiert Bolsonaro öffentlich mit seinen frauenfeindlichen Aussagen. Als seine Tochter geboren wurde, entschuldigte er sich in einer Rede für diesen „Schwächeanfall“. Zu der linksgerichteten Abgeordneten Maria do Rosário sagte er, sie sei zu hässlich, um von ihm vergewaltigt zu werden.
Jair Bolsonaro befürwortet die Todesstrafe, verherrlicht die Militärdiktatur und möchte jeden Bürger Brasiliens mit einer Waffe ausstatten. Das fünftgrößte Land der Welt ist gespalten. Während sich Bolsonaro bei einem Teil der Bevölkerung großer Beliebtheit erfreut, wächst die Oppositionsbewegung gegen ihn täglich.
So entstand eine weibliche Protestbewegung: Unter dem Hashtag #EleNão (#ErNicht) mobilisieren Brasilianerinnen gegen den ultrarechten Politiker. Auch berühmte Schauspielerinnen, Sängerinnen und Fernsehmoderatorinnen äußern sich unter #EleNão in den sozialen Medien. Darunter die populäre Sängerin Anitta. In einem Video sagte sie: „Ich möchte klarstellen, dass ich den Kandidaten Bolsonaro nicht unterstütze“.
Was denken junge Brasilianerinnen über #EleNão und die aktuelle Situation von Frauen im Land? Wie sehen sie die Zukunft Brasiliens angesichts der anstehenden Wahlen? Wir haben mit drei von ihnen gesprochen.
Andressa, 21, Architekturstudentin aus São Luís
„Unsere Gesellschaft ist sehr patriarchalisch. Frauen werden häufig nur als sexuelles Objekt gesehen. Wenn man kurze Shorts trägt, denken viele Männer gleich, dass man leicht zu haben sei und sie sich alles erlauben könnten. Aber auch wenn man sich lässig kleidet, schützt das nicht vor ihren Blicken und Anmachsprüchen. Alle zwei Sekunden wird eine Frau in Brasilien Opfer von verbaler oder physischer Gewalt.
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Brasiliens sind Frauen. Trotzdem sind wir in politischen Ämtern unterrepräsentiert. Das gibt Männern wie Jair Bolsonaro die Möglichkeit ihre Machtposition auszunutzen. Hinzu kommt, dass die politische Lage in Brasilien momentan sehr unsicher ist. Das macht es leichter, faschistisches Gedankengut zu verbreiten.
Ich fühle mich jedes Mal unwohl, wenn ich nur Bolsonaros Namen höre. Es macht mir Angst, dass er Präsident werden könnte. Das hätte nicht nur für Frauen katastrophale Auswirkungen, sondern für die ganze Gesellschaft des Landes. Ich erwarte von jemandem, der ein Land repräsentieren will, dass er Empathie und Respekt gegenüber allen Menschen zeigt. Doch Bolsonaro hetzt die Bevölkerung auf und stiftet zu Gewalt und Hass gegenüber Frauen, Homosexuellen, Dunkelhäutigen und indigen Völkern an.
Ich denke, dass wir mit dem Hashtag #EleNão etwas bewegen können! Es ist unglaublich, wie viele Menschen sich dieser Bewegung in kürzester Zeit angeschlossen haben. #EleNão steht nicht nur für uns Frauen, sondern für alle, die diskriminiert werden. Wir haben eine Stimme und wollen gehört werden!“
Mariah, 27, Journalistin aus Rio de Janeiro
„Ich schäme mich dafür, dass sich ein Politiker meines Landes öffentlich frauenfeindlich äußert. So etwas darf nicht akzeptiert werden, schon gar nicht im 21. Jahrhundert. Es ist allerdings so, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung Bolsonaros Ansichten vertritt. Außerdem glaube ich, dass ihn auch Personen unterstützen, die zwar nicht mit seinen Idealen übereinstimmen, aber denken, dass er nicht korrupt sei und etwas verändern könne. Der Preis dafür ist allerdings sehr hoch. Es betrifft nicht diejenigen, die seine Werte teilen und zur weißen Elite gehören. Aber es betrifft alle anderen und somit die Mehrheit der Bevölkerung. Ein Hassdiskurs erzeugt nur noch mehr Hass. Nur Bildung allein kann etwas an diesem Dilemma ändern.
Wenn ich an die bevorstehenden Wahlen denke, habe ich gemischte Gefühle. Unsere Demokratie ist noch sehr jung. Zudem hat Brasilien seit den letzten Wahlen eine Zeit großer politischer Instabilität erlebt. Wir stehen vor enormen Herausforderungen und haben turbulente Jahre vor uns. Aber ich glaube auch, dass wir es schaffen können und ein positiver Wahlausgang im Oktober möglich ist.
Glücklicherweise bin von sehr starken Frauen umgeben, die sich ihrer Rechte bewusst sind und nicht scheuen für diese zu kämpfen! Durch dieses Netzwerk habe ich die Kampagne rund um den Hashtag #EleNão kennengelernt. Ich denke, dass jede Bewegung, die Minderheiten, insbesondere Frauen, Dunkelhäutigen und LGBT eine Stimme gibt, etwas bewirken kann. Nicht nur in Brasilien, sondern in allen Staaten. Wenn uns ein Präsidentschaftskandidat nicht unterstützt, dann müssen wir uns in sozialen Netzwerken und auf den Straßen des Landes positionieren. All diese Initiativen geben mir Hoffnung, dass wir die Welt verändern können, für die es sich zu kämpfen lohnt.“
Luka, 33, Journalistin aus São Paulo
„Es ist eine ständige Herausforderung eine Frau in Brasilien zu sein. Ich bin nicht nur eine Frau, sondern auch dunkelhäutig und alleinerziehend. Das macht meine Situation nochmal um einiges schwieriger. Die meisten Frauen, die hier an Übergriffen leiden oder vergewaltigt werden, sind schwarz. Frauenfeindlichkeit steht in Brasilien in direkter Verbindung mit Rassismus. Hinzu kommt, dass Dunkelhäutige auch im beruflichen Kontext diskriminiert werden.
Dennoch haben wir kulturell gesehen schon Fortschritte gemacht. Es gibt zum Beispiel viele TV-Sendungen, die Gewalt an Frauen thematisieren und verurteilen. Gleichzeitig werden im Alltag aber anstößige und beleidigende Kommentare gegenüber Frauen toleriert und als normal empfunden.
Bolsonaro nutzt diese vorhandenen Strukturen, um seine rassistischen und frauenfeindlichen Ansichten zu verankern. Der Hashtag #EleNão ist eine Möglichkeit, um gegen einen Präsidentschaftskandidaten vorzugehen, der die Menschenrechte missachtet. Wir können dadurch öffentlich unsere Unzufriedenheit und unseren Protest zeigen. Ich denke, dass wir somit die Chance haben, dass kein Präsident gewählt wird, der Frauen und damit die Hälfe der Bevölkerung des Landes als minderwertig betrachtet.“