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Mein Leben nach dem Polaroid. Heute mit Britta, William und Maxim

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Britta

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich war 20 Jahre alt und begann gerade meine Schicht, als du das Foto gemacht hast. Es war im Frühjahr 2008, ein genaues Datum weiß ich nicht mehr. Ich weiß noch, dass ich ziemlich müde war. Du hast mich gefragt, ob du ein Bild von mir machen könntest. Ich saß auf dem Gang, vor dem Zimmer meines zu betreuenden Kindes, welches gerade schlief. Zu dieser Zeit machte ich gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr in England bei Kindern mit besonderen Bedürfnissen. Seitdem habe ich mein FSJ noch erfolgreich beendet und bin dann im Sommer 2008 zurück nach Deutschland. Dort musste ich mich erst mal wieder einleben, bevor im Herbst mein Studium losging. Mir haben aber die Arbeit, die Leute und auch Bristol sehr gefehlt. Außerdem wohne ich in einem kleinen Dorf und ich wünschte mir die Großstadt zurück. Nach zwei Monaten war dann aber alles wieder gut, ich hatte wieder einen Alltag und freute mich auf das Studium. Trotzdem denke ich aber immer noch sehr oft an England und die schöne Zeit. Momentan studiere ich an der Pädagogischen Hochschule Weingarten Elementarbildung (Bildung für Kinder von null bis zehn Jahren). Gefällt mir sehr gut. Momentan ist es ein bisschen stressig, da ich Klausuren schreibe, doch das geht vorbei und dann habe ich erst einmal Semesterferien und werde zurück nach England gehen, arbeiten. Privat wohne ich mittlerweile in einer WG. Wir sind zu fünft, drei Mädchen und zwei Jungs. Es ist total witzig und auch unser kleines Häuschen ist sehr cool. Mein Freund studiert in Stuttgart und wir treffen uns nur am Wochenende. Natürlich würde ich ihn gerne öfters sehen. Dennoch freue ich mich schon die ganze Woche darauf, ihn wieder in den Arm zu nehmen. Am Schlimmsten ist der Abschied. Ich denke, dass man die gemeinsame Zeit um so mehr genießt, wenn man sich nur am Wochenende sieht. Aber ich vermisse ihn. Mein Leben ist gerade sehr locker und entspannt. Manchmal wäre ich gerne wieder in Bristol, da man dort sehr viel Freizeit hatte und immer viel Spaß. Die englische Art zu leben ist sehr schön, nicht so hektisch. Diesen Sommer werde ich auch wieder zurück nach England gehen, um dort vier Wochen in der Einrichtung zu arbeiten.


William

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Damals, als das Foto gemacht wurde, war ich ... hm ... das ist wohl ungefähr drei bis vier Jahre her, also war ich circa 25. Zu der Zeit habe ich in den letzten Prüfungen meines Biologiestudiums gesteckt. Das Foto wurde auf einem Modellflugtag in Griesheim geschossen. Nach langer Zeit bin ich mal wieder Helikopter geflogen! Ein bisschen aufregend, so ein Flug vor Publikum, aber es hat glaube ich gefallen. Das erinnert mich wieder daran, dass Modellflieger echt ein eigenartiges Völkchen sind. Ich liebe ferngesteuerte Flugzeuge und Helis, da sie einfach faszinierend sind. Da kommen alle meine Nerd-Interessen zusammen: Aerodynamik, Mechanik, Elektronik und steuern darf man auch noch selber! Ich möchte mich aber ein bisschen von den eigenartigen Modellfliegern distanzieren, die Puppen in ihre Cockpits setzen und alles fein säuberlich einem Original nachbauen. Bei mir zählt nur: Hauptsache, es fetzt. Ich komme jetzt leider nicht mehr regelmäßig zum Fliegen. Zwar bin ich jetzt der akademischen Fliegergruppe der Hochschule Bremen beigetreten, aber hier zählt - wie bei Akademikern wohl üblich - die Theorie mehr als die Praxis. Seit dem Bild habe ich in Groningen meine Diplomarbeit geschrieben und mein Studium beendet. Dann gab es jede Menge Urlaub. Heute arbeite ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Hochschule Bremen (Fachrichtung Bionik) und arbeite mit viel Elan an meinen eigenen fliegenden Drohnen. Mein Beruf ist mir relativ wichtig, schließlich macht er auch viel Spaß! Zwar gibt es manchmal Phasen, die nicht ganz so erfreulich sind, danach geht es aber immer wieder bergauf. Aber die Liebe ist für mich immer noch an erster Stelle. Ohne eine glückliche Beziehung würde ich irgendwie einen Teil des Lebens auslassen. Meine Freundin holt mich immer wieder in die Realität zurück und macht mich auf Dinge aufmerksam, die ich sonst gar nicht wahrgenommen hätte. Ich mache manchmal Sachen, vor denen ich sonst geflüchtet wäre, stelle aber dann fest, dass es sogar Spaß macht. Zur Zeit habe ich auch noch etwas Freizeit, ich fürchte aber, die wird verschwinden, sobald es mit meiner Doktorarbeit in die heiße Phase geht. Schon während meines Studiums war die Freizeit eigentlich die Zeit, in der ich am meisten gelernt habe. Das geht bestimmt vielen so, daher finde ich es sehr wichtig, dass man immer genügend Freizeit hat. Das ist schließlich der interessanteste Teil des Lebens! Viel hat sich seit dem Bild nicht verändert. Sogar das T-Shirt habe ich noch. Es ist wohl tatsächlich nicht so, dass man sich sonderlich stark verändert, wenn man älter wird. Ich glaube, früher war ich etwas naiver (was nicht heisst, dass ich das heute nicht mehr wäre). Ich habe mir eigentlich um nichts Sorgen gemacht. Heute bin ich da ein wenig kritischer, mache mir aber immer noch ziemlich wenig Sorgen. Das habe ich auch schon mit 17 festgestellt. Die damalige Zeit war schön, aber heute ist es schöner. Ich wohne in der schöneren Stadt, habe ne schönere Wohnung, schönere Hobbies, einen schöneren Job und meine Freundin ist immer noch schön.


Maxim, 24

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich habe das Polaroid komplett vergessen. Es ist überraschend, es zu sehen, aber ich weiss, dass es in Camberwell aufgenommen wurde, in dem Haus, in dem du lebtest. Es war einer der seltenen Abende, an denen wir uns bei dir trafen. Mit wir meine ich ein paar Leute aus dem Fotografiekurs, den wir zu der Zeit alle machten. An diesem Abend hast du dich daran versucht, Pizza zu machen, was kläglich scheiterte, weil du nicht wusstest, was auf Englisch Hefe heißt. Ich war damals 22 und stand kurz vor meinem Abschluss. Danach machte ich ein Praktikum bei Saatchi und Saatchi, einer der angesehensten Galerien in London, ging dann nach Paris und lebte schließlich für drei Monate in Lyon, weil ich dort in einem Fotostudio arbeitete. Paris war unglaublich und ich fühlte mich sofort wohl, viel mehr als in London. Ich war traurig und glücklich, fühlte mich manchmal einsam und manchmal verstanden. Ich dachte, ich würde die Universität vermissen, doch ich vermisse sie gar nicht. Moment schreibe ich viele Kunstkritiken und versuche soviel Zeit wie möglich auf dem Land zu verbringen. Ich schwimme viel und bin mittlerweile etwas ruhiger geworden, ich esse mehr und bin auch deswegen sehr gesund. Mehr als letztes Jahr. Ob ich glücklich bin mit dem was ich momentan habe? Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich konzentriere mich momentan mehr darauf, dass ich die Dinge, die ich mache auch genieße und mir auch dessen bewusst bin. Ich denke, die letzten zwei Jahre waren sehr wichtig für mich und haben mich sehr viel gelehrt. Ich esse zum Beispiel keine Pizza mehr ...

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