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Sag' ich doch! - die Pärchenkolumne

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Michèle sagt: Meinen Vornamen verdanke ich der großartigen Ralley-Fahrerin Michèle Mouton und meinem Ralley-begeisterten Vater. Es erübrigt sich zu erklären, dass ich fahre wie ein Henker. Und ausgerechnet ich, Meisterin des Kamikaze-Reißverschlussverfahrens, des einhändigen Einparkens und der Motorbremse bei 220 km/h, komme an einen Typ, der Auto fährt wie ein Rentner. Dominic fährt nicht Auto, nein, er schleicht. Dabei ist er aber immer ganz aufgeregt und versucht gleichzeitig in alle Spiegel zu schauen, was natürlich erstens unmöglich ist und zweitens schwer an Parkinson erinnert. Wenn Dominic hinter dem Steuer sitzt, habe ich immer das Bedürfnis auszusteigen und das Auto schnell noch über die nächste Ampel zu schieben, bevor sie zum dritten Mal rot wird. Er nennt das „umsichtiges Fahren“, ich nenne es „Verkehrsbehinderung“. Kurzum, gemeinsames Autofahren ist für mich eine immense nervliche Belastung und Streit ist programmiert. Genauso grauenvoll, wenn nicht sogar fast noch schlimmer, ist Dominics Orientierungslosigkeit. Er kann sich einfach keinen Weg merken, ich dagegen bin ein wandelnder Stadtplan. Eine gemeinsame Autofahrt läuft in etwa so ab: Dominic fährt aus der Parklücke heraus und sein Kopf erinnert schon wieder stark an einen Kreisel. Ich wühle auf dem Beifahrersitz in meiner Handtasche und versuche mich mit dem Tascheninhalt davon abzulenken, dass mittlerweile das neunte Auto an uns vorbeizieht, weil Dominic eine Lücke von drei Kilometer zwischen zwei ankommenden Autos nicht reicht, um gefahrlos in die Straße einzubiegen. Sind wir nach einigen Jahren endlich losgekommen, kommen wir trotzdem nicht weit. Weil die noch 50 Meter entfernte Ampel ja irgendwann potzblitz auf „Rot“ schalten könnte, wird lieber gleich schon mal abgebremst. Mit 20 km/h wird dann weiter gerollt und mir schwillt der Hals auf Mumpsgröße an. Aber ich versuche mich zusammenzureißen. Ich bemühe mich, ein Gespräch mit ihm anzufangen, um mich abzulenken. Damit man vernünftig kommunizieren kann, drehe ich die Musik leiser. Ich: „Du sag mal, was ist eigentlich mit demundder.“ (Dominic dreht die Musik wieder lauter und versucht hektisch dabei trotzdem in alle Spiegel zu schauen. Gibt natürlich keine Antwort.) Ich: „Du, wir müssen da vorne links.“ Dominic: „Hä?“ Ich, die Musik leiser drehend, damit er mich versteht: „Wir müssen da links!“ Er, nach rechts schauend: „Wo?“ Ich: „Das andere links und zwar das, an dem wir schon vorbei sind.“ Er, starr geradeausblickend: „Achso, das.“ Ich, angenervt: „Dann fahren wir halt die nächste links.“ Dominic fährt auch an dieser Straße vorbei. Ich: „Sag mal, machst du das mit Absicht?“ Dominic dreht die Musik hoch und kneift die Lippen zusammen. Ich, total angenervt: „Hallo, krieg ich mal ne Antwort?“ Er: „Mann, jetzt lass mich halt.“ Ich mit Tränen in den Augen: „Das nächste Mal fahr wieder ich, das ist ja kein Zustand.“ Er, stinksauer: „Ja das nächste Mal fährst auch wieder du, du weißt ja eh alles besser!“ Ich, immer noch Tränen in den Augen, aber stockwütend: „Ich weiß es auch besser!“ So geht das dann noch eine Weile sinnlos weiter, bis wir an unserem Zielort angekommen sind. Danach gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder ich steige noch während Dominics schneckenartigem Ausrollen aus, schmeiße wutentbrannt die Türe zu und renne schon Mal vor oder ich biete ihm an, dass wir wieder Freunde sind. – Aber nur, wenn ich das nächste Mal fahren darf und zwar bitte mit meinem Auto.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dominic sagt: Eins vorweg: Dass Frauen nicht Auto fahren können, habe ich nie behauptet. Dass ich mich selbst für einen ganz passablen Fahrer halte, allerdings schon häufiger. Immerhin kann ich mich rühmen mit zigtausend Kilometern Er-Fahrung und diversen Fahrtrainings. Ganz nebenbei bin ich auch unfallfrei und noch niemals geblitzt worden. Hinterm Steuer sitzen ist für mich wie Urlaub. Es gibt nur wirklich wenige Situationen, in denen ich mich so herrlich entspanne. Am liebsten alleine. Man gebe mir feine Musik und eine freie Straße, das ersetzt mir gut und gerne jeden Pauschalflug. Fluchen im Auto muss ich ungefähr so oft wie rechts ranfahren wegen Pipi machen. Sprich, also höchstens auf der Strecke München-Berlin. Ein „Wieso fährst du denn jetzt nicht so rum?“ trifft bei mir auf grundlegendes Unverständnis, ebenso wie die Tatsache, dass meine Freundin es nicht ausstehen kann, dass ich langsam ausrollen lasse, wenn die Ampel da vorne sowieso rot ist und ich hinter mir nicht die komplette Kreuzung blockiere. Meine Freundin fährt auch selbst sehr gut. Zum Frühstück trinkt sie praktisch jeden Morgen ein Haferl Kerosin. Sie beherrscht ihr Fahrzeug und die Straße ganz hervorragend, ab und zu beherrscht sie sich sogar selbst. Aber wehe! Es muss nur einer anders blinken, als er in Wirklichkeit abbiegt und schon entwickelt meine Freundin am Steuer ein bewundernswert sozialkritisches Auge. Seit ich mit ihr zusammen Auto fahre, habe ich viel und lautstark über gemachte Brüste in Hausfrauen-SLKs erfahren, über schlecht sitzende Frisuren im Gegenverkehr und ganz besonders über das Verhalten von Straßenarbeitern auf groß angelegten Baustellen. Gerne würde ich mir manchmal einen Ohrenschützer von den Baustellen-Jungs ausleihen, vielleicht auch eben ein Bierchen mittrinken, denn für den guten Charles Aznavour und mich sind Frauen, die nicht schweigen können, ganz klar eines: „Wie Autos ohne Bremsen“. Neulich fragt mich meine Freundin übrigens von rechts, ob ich mir nicht gerne sagen ließe, was ich tun soll. Wir fuhren gerade über den Autobahnzubringer nach Hause, der Kofferraum war voller schwedischer Möbel und Gardinen für ihre neue Wohnung und ich hatte von zwei möglichen Strecken die vermeintlich falsche gewählt. Später und zu Hause, als ich ihr die Kommode fertig aufgebaut hatte, nebenbei ein Bier getrunken und dazu Musik gehört hatte, war die Welt wieder in Ordnung. Zuvor im Auto habe ich übrigens gar nicht geanwortet. Freie Fahrt für feste Freunde!

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