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Die Pärchenkolumne. Heute: Vermissen.

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Dominic sagt: Zwischen entspannen und nach Hause telefonieren verläuft ein schmaler Grat, denn ein bisschen vermisse ich Michèle ja schon. Dabei haben wir uns erst ein paar Tage nicht mehr gesehen. Andererseits bin ich auch froh zwei Wochen ganz für mich zu haben. Immerhin habe ich hier nebenbei einen Job zu erledigen. Die Frage ist bloß, wie ich die Zeit richtig nutzen soll. Über jede „Geht’s dir gut? Hab dich lieb!“-SMS, die eintrudelt, freue ich mich natürlich, auch wenn ich sie nicht immer gleich beantworte. Das ist eben das Privileg des Reisenden und daran werden wohl auch Skype und das sicher bald massentaugliche Beamen nichts ändern. Wer weg ist, wählt selbst, wann er erreichbar ist. Bei den beiden Optionen „ständig am Telefon hängen“ und „mit den neuen Bekannten vor Ort warm werden“ fällt eine Entscheidung natürlich sowieso sehr sachlich und schnell aus. Michèle hab ich, wenn ich nach Hause komme, noch genug, Peter, Paul and Mary nicht. Die können alle vielleicht nicht so toll jammern, kochen oder Auto fahren wie meine Freundin, aber mit jedem Menschen, den man kennen lernt, versteht man die Welt (vielleicht sogar eines Tages Michèle?) ein Stückchen besser. Zumindest ist in einem fremden Land jede nette Bekanntschaft eine Bereicherung, ganz besonders, wenn man im Job aufeinander angewiesen ist. Da fließt spät abends auch gerne mal das ein oder andere gemeinsame Bier, währenddessen überlege ich mir, ob es sich jetzt noch lohnt, mich bei Michèle zu melden. Anders gesagt: Ich weiss ja, dass sie weiss, dass ich hier schwer beschäftigt bin. Alles so neu und aufregend hier! Das kann ich Michèle bei den Telefonkosten doch gar nicht gebührend erzählen. Jedes Wort ein Penny, jeder Satz ein Pfund. Deswegen sträube ich mich gegen das leere Gefühl, wenn ich am Ende eines gelungenen Tages meine gute Laune nicht richtig mit ihr teilen kann. Hätte sie mich heute doch souverän im Linksverkehr fahren sehen können! Hat sie leider nicht, darum muss ich mich alleine darüber freuen und schicke ihr einen Gute-Nacht-Kuss aufs Handy. Sie wird es sich noch oft anhören müssen, wenn ich ihr zu Hause alles ausführlich berichte. Das ist ein schöner Gedanke und darum vermisse ich Michèle auch recht gerne. dominic-holzer

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Michèle sagt: Zwei Wochen ohne einander müssten doch eigentlich leicht zu überstehen sein. Ist zumindest der einstimmige Kanon meiner Umwelt. Das ist nur wie ein kurzes Zwicken und schon ist Dominic wieder da. Immerhin habe ich letztes Jahr für sechs Monate in Finnland studiert und das ging auch. Das ging sogar super. Ich hatte immer etwas zu tun, alles war neu und sich unter einsilbigen Finnen zurecht zu finden, hat immerhin einen gewissen Reiz. Aber diesmal ist das anders. Schon allein, weil ich nun diejenige bin, die hier bleibt. So und jetzt muss ich mal sagen, zwei Wochen sind sehr wohl der Rede wert. Das ist so ähnlich wie mit einem aufgeschürften Knie. Wenn man hinfällt und sich das Knie mit Karacho ordentlich aufschrubbert, blutet das zwar nich viel, aber es brennt wie Bolle. Noch Stunden und Tage danach reißt die Wunde bei jeder Bewegung wieder auf. Am schlimmsten ist die Abheilphase, da fängt das Knie an zu jucken und trotz besseren Wissens, erwischt man sich dauernd dabei, wie man den Grind runterknibbelt. Ist das Knie nach ein paar Wochen wieder ganz, erinnert einen nur noch die helle Haut der Narbe an den schlimmen Vorfall. Man arrangiert sich mit dem Makel und misst ihm nicht mehr viel Bedeutung zu. Und genau so und nicht anders sind zwei Wochen Strohwitwentum. Das frisch vereinsamte Herz blutet, die Seele brennt und man findet sich gar nicht so richtig zurecht in der neuen Freiheit. Das sonst viel zu kleine Bett nimmt auf einmal ungeahnte Dimensionen an, die Frühstücksteetasse ist noch wortkarger als ein verpennter Dominic und ich liebäugele damit, das Wasserglas neben dem Bett selbst umzukicken, um das Parkett zu fluten. Eine Freitagnacht im Stammclub kann noch so berauschend gewesen sein, was lohnt das schon, wenn auf dem Heimweg keiner da ist zum Lästern und Kichern? Alleine heimgehen ist doof und das Taxi kostet doppelt. Der Bonus ist mit Pech eine schmuddelige Anmache vom Taxifahrer. Und da sind wir wieder beim lädierten Knie. An das hat man sich nämlich nach einiger Zeit gewöhnt, so wie man sich an die Abwesendheit des Partners eben auch nach ein paar Wochen gewöhnt hat. Deswegen sind zwei Wochen schlimm, das ist auf das Knie umgerechnet nämlich genau die Aufschürfphase. Und darum fehlt er mir. Ganz fürchterlich. So sehr, dass ich permanent Ohnmacht vortäuschen will, damit Dominic, der große Drachentöter, mit Siebenmeilenstiefeln zu mir eilt, um mich aufzufangen. Pfui, ganz emo wird man da. Sollte noch einmal jemand behaupten, zwei Wochen wären ein Klacks, dann komm ich persönlich vorbei, um ihm das Knie zu zerschmettern!

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