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Die Pärchenkolumne. Heute: Ordnung

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Dominic sagt: Wenn Ordnung das halbe Leben ist, bin ich zumindest schon mal ein halber Mensch. In meinem Schrank hängen die Hemden links auf der Kleiderstange, die Hosen rechts und alle zeigen sie in die gleiche Richtung. Das findet Michèle „Toll, Dominic!“. Im Regal stehen meine sämtlichen Unterlagen Spalier hinter bedruckten Ordnerrücken, im Fach daneben die Musikzeitschriften in chronologischer Reihenfolge. Meine Schuhe sind immer parallel und bündig zur Wand aufgestellt. Manchmal ertappe ich mich sogar dabei, wie ich Michèles Schuhe aus purer Lust an der Symmetrie gen Mekka ausrichte. Das findet Michèle zum Kopfschütteln. Sie ist vor allem eines: Sauber. Betritt sie mein frisch aufgeräumtes Reich, heißt es sofort: „Und was ist mir der Staubfluse unter dem Bett? Gehört die da auch hin?“ Ich muss eingestehen, dass ich gerne mal über tapsige Fensterscheiben, Kaffeeränder am Tisch und leicht angestaubte Bücher hinwegsehe. Darum bemerke ich auch meist gar nicht, wie blitzeblank ihre Wohnung ist. Vielleicht ist sie das auch nur, weil Michèle sich mit Vorliebe im Bett ausbreitet, wo sich dann Laptop, Nagelfeile und Aschenbecher gute Nacht sagen. Von den Kleenextüchern spreche ich schon gar nicht mehr. Die restlichen Ecken ihres Zimmers sind astreine Repräsentationsfläche. Warum aber Michèle ihre halbleeren Wassergläser immer direkt neben die Bettkante stellt, ist mir ein Rätsel. Ein Glas, das nicht getrunken wird, verfehlt schließlich irgendwann seinen Zweck. Sie meint zwar: „Das solltest du doch jetzt langsam mal wissen!“ Nur hilft mir das nachts recht wenig, wenn meine Bettdecke sich im Schlaf verselbstständigt und das alte Wasser das Fischgrät überflutet. Immerhin: Meinen eigenen Boden wische ich lange nicht so regelmäßig. dominic-holzer

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Michèle sagt: Eigentlich hätte Dominic Architekt werden sollen. Niemand stapelt so liebevoll und ausgereift Aschenbecher (voll) und Bier- oder Wasserflaschen (leer) auf seinem Schreibtisch wie er. Die kunstvollen Gebilde aus Blätterstapeln, Stiften, Aschenbechern und so weiter hätten den guten Hundertwasser staunen lassen. Einmal alle paar Wochen trifft ihn dann der Aufräumblitz und es werden akribisch neue Stapel angelegt, die kleinen Kleiderhaufen zu einem Großen zusammen gelegt und der Papiermüll weggetragen. Danach sitzt Dominic beseelt in seinem Zimmer und will gelobt werden. „Schau, wie schön ich aufgeräumt habe!“ Dann möchte ich jedes Mal sagen: „Dominic, feine Stapel hast du gemacht, aber kommt’s dir auch in den Sinn, den Staubsauger in die Hand zu nehmen, jetzt wo der Fußboden mal Landeplatz und nicht mehr nur Einflugschneise ist?“ Nix da. Dominic verwechselt nämlich Sauberkeit mit Ordnung. Es wäre doch logisch nach mehrstündigem Rumräumen auch noch schnell den Boden zu wischen oder das Pft-Pft für die Fenster zu holen. Aber da ist meist die Erschöpfung zu groß. Dominic, der Meister der Ablage und der To-Do-Listen, hat deswegen auch eine ausgereifte Argumentationstechnik: „Du, draußen auf der Straße fahren so viele Autos, da ist der Staub gleich wieder da, wenn ich ihn jetzt weg wische. Das rentiert sich ja gar nicht.“ So haust er seit zwei Jahren mit seinen beiden Mitbewohnern in einer Stinke-WG vom Feinsten. Das wiederum wird begründet mit: „Du, der Bierkasten stinkt so, das ist nicht mein Zimmer.“ „Dann bring ihn halt mal weg.“ „Das ist aber nicht meiner. Ich kann doch nicht einfach das Pfand einstecken.“ Seine Mitbewohner halten es übrigens ähnlich, wenn nicht noch schlimmer. Im Flur steht ein Regal mit Pfandflaschen, deren Wert wahrscheinlich einer Karibikkreuzfahrt gleichkommt. Im Bad hängt dagegen ein Putzplan, auf dem mit großem Tam-Tam festgehalten wird, wer wann die Haare von links nach rechts geschoben hat. Ich ziehe dort öfter in Erwägung Flip-Flops beim Duschen zu tragen. Meine Mutter sagt, Jungs sind so, Dominics Eltern sagen das übrigens auch. Ich dusche deswegen in neun von zehn Fällen bei mir.

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