Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Die Pärchenkolumne. Heute: Nebeneinander schlafen

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Michèle sagt: Dominic und ich haben noch nie den Wunsch verspürt zusammenzuziehen, auch wenn das bei den Mieten in München keine unpraktische Sache wäre. Bisher wohnen wir beide in WGs und das ist auch gut so. Einen Vorgeschmack aufs Zusammenwohnen haben wir aber jedes Mal, wenn wir beieinander übernachten. Unser Schlafverhalten passt nämlich einfach nicht auf 1,40m. Dominics Schlaf ist gesegnet. Sobald er sich hinlegt, schläft er. Neben ihm könnte die Eigernordwand komplett einstürzen, er würde nicht mal die Nase kräuseln. Ich brauche keinen Bergsturz, bei mir reicht schon eine Mücke, die im falschen Winkel durch mein Zimmer fliegt, und zack, bin ich wach. Dann ärgere ich mich über das viel zu laute Insekt und verkrieche mich unter meinem Kissen. Das hilft natürlich nichts und zusätzlich zum Sssss bekomme ich nach 30 Sekunden auch noch fast einen Hitzschlag. Nicht so Dominic. Er schläft weiter wie ein Stein. Das wäre absolut akzeptabel, wenn er ebenso still liegen würde. Seinen Bein- und Armbewegungen nach zu urteilen, rettet er aber jede Nacht mindestens zehn Jungfrauen vor Drachen oder erschlägt überdimensionale Monster. Fünf Euro, wenn ich einmal seine Träume sehen könnte. Ganz schlimm ist das, wenn er vorher stundenlang komische Abenteuerspiele am Computer gezockt hat. Munter spielt er beim Schlafen weiter. Während ich also gerade in meinem Meer aus Kissen vollkommen summfrei wegdämmere, ist Dominic bei Level eins eingestiegen. Seine Augenlider zucken und er brabbelt undeutliches Zeug. Ich verkrieche mich tiefer in meine Decke und versetze ihm einen sanften Stoß an die Wade. Fünf Minuten Ruhe. Beginn Level zwei. Dominic dreht sich von links nach rechts und zurück und noch mal von vorne. Sich unter der Decke zu verstecken hilft nicht mehr. Ich versuche besänftigend meinen Arm auf ihn zu legen und ihn festzuhalten. Das wird mit einem kurzzeitigen Schnurren und einem Lächeln freudig entgegen genommen. Nach ein paar Minuten ist Ruhe und ich ziehe den Arm wieder weg. Level drei. Mit ein paar gekonnten Stramplern manövriert Dominic die Decke aus dem Bett. Jetzt friert er natürlich und schon sind wir bei Level vier: Gut, dass die Michèle auch eine Decke hat, beziehungsweise jetzt „hatte“. Mit einem verärgerten Ruck ziehe ich meine Decke zurück. Weil ich aber nicht so bin, sammle ich seine Decke vom Boden auf und decke ihn zu. Zum Dank sind wir nur wenig später bei Level fünf: scheinbar hat er den Drachen gefunden und versucht ihn jetzt mit bloßen Händen zu erlegen. Flatsch, landet sein Arm mit Karacho auf meinem Rücken. Jetzt reichts! „Dominic, wach auf, du träumst!“ Keine Reaktion. „Dominic! Hallo!?“ Missmutiges Gebrummel. „Do-mi-nic!“ "Hä…was ist denn? Kannst du nicht schlafen?“ „Nein, du träumst schon wieder.“ „Du kannst nicht schlafen, weil du schlecht träumst?“ „Nein, DU träumst, Dominic.“ „Du sollst doch nicht schlecht träumen, Michèle“ „Ich träum doch gar nicht...“ „Komm her, ich nehm dich in den Arm, damit du nicht mehr schlecht träumst.“ „Aber ich ...“ „Komm her.“ „Hmpf!“ Weil Diskutieren mit Schlafenden bekanntlich nichts bringt, kuschele ich mich in seinen Arm und versuche wieder zu einzunicken. Zumindest bis die Fliege nachtaktiv wird.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dominic sagt: Michèle und ich wohnen zwar nicht zusammen, dafür aber nur ein paar Häuserblocks auseinander. Trotzdem sehen wir uns fast nur abends und meistens bleibt dann auch einer beim anderen über Nacht. Tendenziell also jede Nacht, weil „jetzt brauchst du auch nicht mehr nach Hause laufen.“ Michèle mag ohne mich zwar nicht gerne einschlafen, hätte so aber mehr von der Nacht. Denn laut Schlafforschern ist eine Nacht zu zweit weniger erholsam, das liegt an der Evolution. Den Bericht darüber habe ich im Fernsehen gesehen, das Michèle obligatorisch in den Schlaf wiegt. Darum kenne ich inzwischen auch fast alle Folgen Golden Girls auswendig. Nur kann ich mich leider nicht aufs Schlafen konzentrieren, wenn ständig Bespaßung und dritte Zähne um mich sind. Ansonsten halte ich mich für einen dankbaren Beilieger: Immer gerne erzählen mir meine Eltern von meinem ersten Besuch des Münchner Oktoberfests, friedlich schlummernd im Kinderwagen. Eben der geborene Schläfer. Warum schlafen für Michèle einen schieren Kraftakt darstellt, verstehe ich deswegen nicht. Auch nicht, dass sie stets im Morgengrauen den Kühlschrank brandschatzt. Das gibt sie ungern zu und ertappe ich sie tatsächlich mal dabei, versteckt Michèle sich im Schatten des Türrahmens, wo sie im Büßergewand unschuldige Schinkenscheiben kaut. Michèles Vorliebe für Wassergläser und Flaschen am Bettrand ist ja inzwischen bekannt, noch nicht, warum sie trotzdem immer an der Wandseite schlafen will. Immerhin ist ihr Bett recht hoch, was die Fallhöhe einer Decke auch unnötig steigert. Ich schalte im Schlaf meine Grundfunktionen auf Autopilot. Deswegen akzeptiere ich am Folgemorgen partout kein „Mensch, hast du heute Nacht wieder randaliert!“, ohne dass die Blackbox fachgerecht geborgen und ausgewertet wurde. Kann ja jeder sagen! Ein großzügiges Zugeständnis zum Schluss: Ich schnarche eventuell, wenn ich betrunken bin. Im Zuge dessen habe ich Michèle neulich erklärt, dass ich ein Recht auf Versammlungsfreiheit habe und die auch im Bett zu gelten hat. Zwar musste mich Michèle tags darauf wiederholt an meine Aussage erinnern, aber „einen Wald fällen“ kann über Nacht schließlich kein Mann alleine. Höchstens auf Autopilot. Illustration: dirk-schmidt

  • teilen
  • schließen