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Zu Besuch beim Social Camp in Berlin: Vier Porträts

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Was unter politischen Beobachter als „neu“ und „revolutionär“ gilt, war für Blogger, Programmierer und Web-Cracks schon lange klar: Das Netz taugt nicht nur für Singlebörsen und Chatrooms. Für politische, soziale, ökologische Initiativen kann es zum Universalwerkzeug werden. Werbung, Kommunikation, Organisation: Alles ist im Netz schnell, effektiv und kostet kaum Geld.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Weil aber viele deutsche Nichtregierungs-Organisationen (NGO) unter Internetpräsenz bisher im besten Fall eine - leidlich aktuelle – Homepage verstehen, gibt es an diesem Wochenende in Berlin das Social Camp. Die Organisatoren des Camps sind überwiegend junge Leute; Unternehmer, ehrenamtlich Engagierte und Blogger. Zwei Tage lang werden die Netzexperten den NGOlern Internetnachhilfe geben. Was dabei herauskommt weiß keiner, denn es gibt kein festes Programm. Alles, was auf dem Camp passiert, hängt von den Teilnehmern ab, die auch die meisten Inhalte selbst mitbringen und die Arbeitseinheiten gestalten. Auf der Seite des Social-Camps kursieren Themenvorschläge wie: „Blogs für NGOs: Wie können NGOs Weblogs, Wikis, Social-Networks sinnvoll nutzen?“ Oder: „Spamming, Kidnapping, Userposts gegen die eigene Marke - Wie managt man eigentlich eine funktionierende Community? Einige der Referenten stehen schon fest, andere sind „offen“, unter anderen Themenvorschlägen gibt es Hinweise wie „Ingmar kümmert sich“. Die hundert Teilnehmerplätze waren nach wenigen Tagen an Organisationen wie Greenpeace, Transparency oder Deine Stimme gegen Armut vergeben. Christian Kreutz, der für die GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit), die größte deutsche Entwicklungshilfeorganisation arbeitet und am Wochenende dabei sein wird glaubt, „dass das Camp eine kleine Revolution für soziale Veränderung einleiten wird.“ Wir haben vier Besucher des Camps nach ihren Vorstellungen gefragt. Auf der nächsten Seite: Sebastian Metzger von ecochoice.


Sebastian Metzger, 30 Im Herbst 2005 wurden an über 1300 Orten in den USA Kerzen und Fackeln gegen den Irakkrieg angezündet. Aus der traditionellen Protestform machte die Organisation move on ein Medien-Happening. Je mehr Kerzen brannten, desto heller leuchteten die Punkte auf einer interaktiven Landkarte. Teilnehmer konnten Bilder hoch laden und ihre Erlebnisse m Netz schildern. Für Sebastian, der damals in Washington lebte, war diese Geschichte die Initialzündung für sein Engagement für das Camp. „Bisher haben die meisten Organisationen in Deutschland das Web 2.0 verschlafen“, sagt er. Sebastian studierte 2002/2003 in den USA und war als Koordinator der Grünen Abgeordneten Anna Lührmann tätig. Mittlerweile baut er in Berlin ecochoice auf, ein unabhängiges Verbraucherportal, das Kunden beim Kauf von umwelt- und klimafreundlichen Telefonen, Waschmaschinen und Laptops berät. Unternehmen oder NGO? Bei ecochoice verschwimmen die Grenzen zwischen den Kategorien. Auf dem Social-Camp, das er mit organisiert, bietet Sebastian Metzger einen Workshop zu Corporate IDs an. Er fragt sich, „wie es gelingen kann eine Corporate ID zu schaffen, die sich treu bleibt, auch wenn bei der Ausformung der Marke die Massen – übers Internet – mitreden. „Als Organisation braucht man die Basis, hat aber auch Angst vor ihr“, sagt er. Sebastian Metzger glaubt, dass, was jetzt noch „nice to have“ ist, nämlich eine effektive Nutzung des Internets, in einigen Jahren über die Existenz von NGOs entscheiden wird. Auf der nächsten Seite Björn Lampe von erlassjahr.
Björn Lampe, 33 Björn ist bei erlassjahr.de für Kampagnenmanagement und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. erlassjahr.de - Slogan: Entwicklung braucht Entschuldung – ist ein Bündnis von Organisationen, unter ihnen Brot für die Welt, Landeskirchen, Eine-Welt-Gruppen, das großzügige Schuldenerlasse für Entwicklungsländer fordert. Weil zu erlassjahr.de über 800 Organisationen gehören, macht Björn Öffentlichkeitsarbeit nach außen, aber auch nach innen. Auf dem Social-Camp findet er den „Leute-Mix aus NGOlern und internetaffinen Programmierern inspirierend.“ Wegen der unterschiedlichen Horizonte der Teilnehmer glaubt Björn allerdings, dass es „wichtig ist, dass wir unsere Bedürfnisse klarstellen.“ Denn die Ansprechpartner von erlassjahr.de sind eher keine jungen Internet-Freaks sondern eher ältere Leute. Diese Zielguppe, vermutet Björn, wird den Nerds eher fremd sein. Björn treibt die Sorge um, dass seine Beiträge irgendwo in den Tiefen des Netzes verloren gehen könnten und hofft für das Social-Camp auf Fragen wie „wie verschlagworte ich etwas, damit es gegooglet werden kann“, oder „muss ich schon bei der Produktion eines Clips für YouTube auf etwas achten, damit er sich weiter verbreitet“. Björn hat mit einem Blog angefangen, über den er auch beim Social-Camp reden möchte. Mit diesem Blog verhält es sich merkwürdig. „Ich habe das Gefühl, ich schreibe ins Nirwana“, sagt Björn, „niemand kommentiert etwas, aber die Nutzerstatistiken sagen etwas anderes.“ Erlassjahr.de ist bei der Nutzung des sozialen Netzes noch ziemlich am Anfang. „Es gibt unter den NGOs in Deutschland ein paar Leuchtürme wie attac und Greenpeace, die sind unschlagbar in der Nutzung von neuen Medien. Alle anderen fangen gerade erst an.“ Auf der nächsten Seite: Georg von Transparency International.
Georg Neumann, 29 Georg Neumann arbeitet seit drei Jahren für Transparency International. „Bisher waren wir keine Grassroot-Organisation“, sagt Georg, „das könnte sich mit den neuen Medien ändern.“ TI, 1993 vom ehemaligen Weltbankdirektor Peter Eigen gegründet, setzt sich weltweit gegen Korruption ein. Georg ist 29 und für die interne Kommunikation von IT zuständig. Über den Globus verteilt hat die Organisation fast hundert nationale Büros, deren Arbeit koordiniert werden muss. Bisher arbeitete TI vor allem auf einem „high level“. Gespräche auf Vorstandsetagenniveau, wichtige Leute, die mit wichtigen Leuten sprechen. Georg will für die Arbeit von TI Engagierte einer anderen Generation gewinnen, junge Leute, die sagen „Spenden ist nicht mein Ding, was kann ich tun?“ Das Internet, glaubt Georg, könnte die Brücke schlagen zwischen den Zielen und TI und dieser neuen Generation. „Ich würde den Leuten gerne die Frage beantworten, was TI mit ihrem Leben zu tun hat. Wenn sich jemand sowieso schon für soziale oder ökologische Themen interessiert, dann gibt es eine Verknüpfung. Korruption verhindert zum Beispiel eine gerechte Verteilung von natürlichen Ressourcen. Sorgt dafür, dass Entwicklungshilfe nicht ankommt. Oder dafür, dass das Wasserwesen privatisiert wird.“ TI hat mit Web-Instrumenten kaum Erfahrung. Georg entwickelt gerade einen TI-blog und hofft für das Camp auf Ideen, wie es gelingen kann, durch den Blog in Kommunikation mit Leuten zu treten und eine Ahnung davon zu bekommen, worauf er sich einlässt. „Im Moment haben wir auch noch ganz viel Angst vor dem, was passiert, wenn wir den Dialog im Netz eröffnen.“ Auf der nächsten Seite: Frauke von selfHUB.
Frauke Godat, 32 Frauke stellt dem Social-Camp die Räume zur Verfügung. Nachdem sie für Greenpeace International und in der Entwicklungshilfe, in Indien und Amsterdam gearbeitet hatte, baut sie in Berlin das selfHUB auf, ein Arbeitszentrum. Das selfHUB sieht sich als Brückenbauer zwischen dem sozialen und privaten Sektor und als Drehscheibe für soziales Unternehmertum. Im selfHUB kann man seinen Arbeitsplatz stunden-, tage- oder wochenweise mieten und in Räumen sitzen, die laut Frauke das in-die-Realität-geholte-Internet wieder spiegeln. „Man sitzt an Tischinseln, Ideen verbreiten sich über den Raum, man ist die ganze Zeit in Kontakt mit Leuten.“ Der Kontakt mit den Leuten ist einer der Gründe, aus denen das selfHUB Gastgeber des Social-Camps ist. Die Leute vom selfHUB suchen nach neuen Kooperationsformen, finden die Zielgruppe an die sich das Camp richtet spannend. Frauke Godat hofft, dass sich aus dem Social-Camp eine längere Zusammenarbeit mit Organisationen oder einzelnen Personen entwickelt. Social-Camp und selfHUB haben strukturelle Gemeinsamkeiten: Der Jargon ist englisch, selbst der Portier heißt im HUB „host“, die Vorbilder sind international.

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