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Rechte Parolen an der Uni? Der RCDS in Kiel
Wie alles begann Ausgangspunkt für die Klage ist der 24. Januar: Abends kommen 50 Leute zu einer RCDS-Veranstaltung ins Audimax der Uni Kiel. Der emeritierte Kieler Germanist Heinz-Günter Schmitz redet über "Die Amerikanisierung der deutschen Sprache und Kultur". Der Streit dreht sich um das, was an diesem Abend im Kieler Audimax passiert ist: Was hat er gesagt und wie hat das Publikum reagiert? Gab es rechte Parolen? Der RCDS meint Nein. Die verklagten Hochschulgruppen sind sich sicher, dass diese gefallen sind. Ihre Ablehnung der Veranstaltung stellen alle anderen Hochschulgruppen in einem gemeinsamen Flugblatt dar: Schmitz rede von einer "heute noch anhaltenden Okkupation". "Agenten" fördern gezielt Amerikanismen in die deutsche Sprache. Das Ziel? "Fremdbestimmung" des deutschen Volkes. Die Zeit von 1914 bis 1945? Ein "Dreißigjähriger Krieg" und "gegen Deutschland". Die Befreiung 1945? "Neutral formuliert: Katastrophe". In der Diskussion seien dann "offen rechte Ansichten vertreten und mit deutlichem Applaus bedacht wurden, ohne dass die Verantwortlichen des RCDS sich davon distanziert hätten", schreiben sie im gemeinsamen Flugblatt, in dem sie eine Distanzierung des RCDS fordern. Alle anderen Hochschulgruppen sind Grüne, Jusos und Linke sowie drei lokale politische Unigruppen (Fachschaftsliste, Buena Vista Uni Club und PPM-Stimme). Auch Liberale und Junge Union gehören zu den Unterzeichnern des Flugblatts mit dem Titel "Rechte Parolen auf RCDS-Veranstaltung". Dabei war keiner von den anderen Hochschulgruppen bei der Veranstaltung anwesend. Sie hatten nachher von Teilnehmern gehört, die sich selbst als konservativ beschreiben und entsetzt waren. Zwei haben sich mit den Gruppen getroffen, den Ablauf geschildert und die Zitate gegeben. Die Aussagen des Flugblattes haben sie unterschrieben und wären auch bereit vor Gericht auszusagen. Was sagt der RCDS? Der RCDS ist sich keiner Schuld bewusst. Auch die CDU Schleswig-Holstein habe die Vorwürfe geprüft. Landesgeschäftsführer Daniel Günther hat sich alles angeguckt und für haltlos befunden, erklärt Constance Schumann. Sie hat die Veranstaltung für den RCDS organisiert und war im Landesvorstand: "Es wird gleich ein Flugblatt geschmissen, ohne dass wir davon wissen. Das geht so nicht. Warum hat keiner mit uns gesprochen?"
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
"Warum hat keiner mit uns gesprochen?" Constance Schumann vom RCDS, Foto: Hauser Der RCDS nimmt sich einen Anwalt, der den anderen Hochschulgruppen schreibt und einen Widerruf verlangt. Diese Post erhält Konstantin Schrader als Sprecher der grünen Hochschulgruppe: "Wir finden das RCDS-Verhalten für sehr ungehörig. Sie drohen mit einem Gerichtsverfahren und versuchen uns einzuschüchtern. Wir gingen nicht davon aus, dass es zum Prozess kommt, sondern hielten es für eine leere Drohung." Die Hochschulgruppen beraten sich und engagieren ihrerseits einen Anwalt. Zuerst unterschreiben die Liberalen die Erklärung, später auch die Junge Union. Der RCDS-Bundesverband hat sich eingeschaltet, so Leander Schlicht, Vorsitzender der Jungen Union Hochschulgruppe in Kiel: "Denn hätte der RCDS bei einem solchen Thema die Junge Union verklagt, wäre das sicher überall gekommen. Das Medieninteresse lag bis dahin meist nur auf der Tatsache, dass es eine Hochschulgruppe der Jungen Union gibt. Am Ende einer solchen Schlacht hätte der Außenstehende nur verstanden, wie dumm die Studenten sind. Ob der RCDS negativer dagestanden hätte, ist zu bezweifeln! Wir wollten denen diese Plattform nicht geben. Ich glaube, das haben wir geschafft!" Was bei der Verhandlung passiert und wie der vortragende Professor reagiert, liest du auf der nächsten Seite.
Die Klage Die sechs anderen Hochschulgruppen, die den Widerruf nicht unterschreiben, verklagt der RCDS. Die Gruppen sammeln Material, um zu belegen, dass die Aussagen der Veranstaltung im "Umfeld von Neonazis und Unbelehrbaren" Zuhause sind. So ist im Europaprogramm der NPD die Rede vom Einsatz für eine Staatskonzeption, die "jegliche Form von Fremdherrschaft" ausschließe. Ein anderes Beispiel bietet die NPD-Zeitung Deutsche Stimme: Dort spricht Herbert Schweiger im Interview vom "Dreißigjährigen Krieg von 1914 bis 1945". In ihrem Flugblatt hatten die Hochschulgruppen geschrieben: "Wir verurteilen die zum wiederholten Male sichtbar gewordene fehlende Distanz" zu jenen rechten Positionen. Sowohl gegen die Aussage der fehlenden Distanz als auch gegen dessen Wiederholung klagt der RCDS Schleswig-Holstein.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
"Wir finden das RCDS-Verhalten für sehr ungehörig." Konstantin Schrader, Sprecher der grünen Hochschulgruppe, Foto: Hauser Dass die Distanz schon in der Vergangenheit gefehlt hat, bezieht sich auf die fehlende Abgrenzung des RCDS Kiel zu einer rechten Hochschulgilde 1998. Der Leiter des Landesverfassungsschutzes sagte damals der Süddeutschen Zeitung über den RCDS: "Die überblicken teilweise nicht, wen sie da in den eigenen Reihen haben." Der RCDS beruft sich in der Klageschrift gegen die anderen Hochschulgruppen vor allem auf das Redemanuskript von Heinz-Günter Schmitz. Daraus ergebe sich, dass von "rechts-radikalen Inhalten in diesen Ausführungen keine Rede sein kann". Der Einfluss der englischen Sprache auf die deutsche Sprache sei erheblich und durch "die totale Kriegsniederlage und zum anderen auf die lange Okkupation" zurückzuführen. Wenig entgegengesetzt habe dem die "Pervertierung nationaler Werte und Elemente durch die Nazi-Diktatur diesem sprachlichen amerikanischen Einfluss". Dies sei eine "nüchterne Tatsachenfeststellung ohne jede – und dann noch rechtsradikale – politische Tendenz", folgert der RCDS-Anwalt Trutz Graf Kerssenbrock. Weiter schreibt er, dem vorgetragenen Inhalt lasse sich kein rechtes Gedankengut entnehmen. Was sagt der Vortragende? Schmitz selber äußert sich in einer Stellungnahme, die der RCDS verbreitet, ähnlich. Die Angriffe entbehren jeder Grundlage: "Sie werden mit "Zitaten" aus meinem Vortrag begründet, die sämtlich aus dem Zusammenhang gerissen, verkürzt, verfälscht oder willkürlich ergänzt worden sind." Das belege sein Redemanuskript eindeutig und er prüfe rechtliche Schritte. Diese Schritte ging er dann aber nicht. "Mir erschien es einfach unter meiner Würde, mich - wie auch immer - mit Politfunktionären weiter abzugeben, die, statt sprachwissenschaftliche und auch kulturpolitische Meinungsverschiedenheiten in offener Diskussion auszutragen (wie es guter akademischer Brauch ist) es schäbigerweise vorzogen, gewissermaßen hinterrücks auf Flugblättern und im Netz anonyme Verleumdungen meiner Person und Verfälschungen meiner Ausführungen zu verbreiten", so Schmitz, der auch im wissenschaftlichen Beirat des Verein Deutsche Sprache e.V. sitzt. Er hat den Vortrag öfter vor der Schleswig-Holsteinische Universitäts-Gesellschaft gehalten. Dort ist der Titel leicht anders: "Die Amerikanisierung und Internationalisierung der deutschen Sprache und Kultur seit 1945". Dafür ist Schmitz wieder am 5. Februar gebucht – in einer Schule in Elmshorn. Die Klage ist unbegründet, erwidert Jörg Junge als Anwalt der sechs Hochschulgruppen auf die Vorwürfe. Die Aussagen seien durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt und wenn das nicht mehr der Fall sei, dann entsprächen sie den "tatsächlichen Gegebenheiten". Das Redemanuskript sei allein nicht ausreichend. Es komme auf das an, was er tatsächlich gesagt hat. Im Manuskript tauchen schon "Okkupation" und "Fremdbestimmung" auf. Schmitz sei weiter von seiner Redevorlage abgewichen. Das bestätigen die Zeugen, auf denen die Aussagen des Flugblatts beruhen. Schmitz habe dies auch kurz nach der Veranstaltung am Telefon gegenüber einem Mitglied der grünen Hochschulgruppe zugegeben und die Zitate nicht bestritten. Die Verhandlung Die Hochschulgruppen treffen sich am 31. Juli vor Gericht. Bei der Verhandlung im Saal 9 sind Sitzplätze Mangelware. Eine Stuhlreihe reicht fürs Publikum nicht: Die Hälfte der 30 Zuschauer, meist Studierende, steht oder sitzt auf dem Boden. Die Richterin lässt zu Beginn erkennen, sie würde die Klage eher abweisen. Dafür hält sie die Aussagen im Redemanuskript für ausreichend. Wer in der Öffentlichkeit steht, müsse mehr einstecken, sagt sie. Die Schlüsselbegriffe kommen nicht nur einmal, sondern mehrmals vor. Die Aussage der anderen Hochschulgruppen sei damit gedeckt. Man muss daraus nicht dieselben Schlüsse ziehen, aber man kann es, sagt sie. Ein Vergleich kommt nicht zustande. Die Worte der Richterin wollte RCDS-Anwalt Trutz Graf Kerssenbrock nicht stehen lassen. Er nennt die Aussagen ehrverletzend und rufschädigend. Anderer Meinung ist Jörg Junge, der die sechs Hochschulgruppen vertritt: Die Klage ist nicht gerechtfertigt, meint er. Die Verhandlung endete mit dem Termin der Urteilsverkündung. Direkt nach der Verhandlung sagt die RCDS-Landesvorsitzende Franziska Kiesner: "Wir warten die Urteilsverkündung ab." Am nächsten Tag geben sie dann eine Pressemitteilung heraus, die die Tradition des schleswig-holsteinischen RCDS seit 1952 erklärt. Darin sagen sie wenig zur Verhandlung. Sie greifen die verklagten Hochschulgruppen an und zweifeln am Demokratieverständnis der Linken Hochschulgruppe. Die Stellungnahme endet mit: "Wir können nur hoffen, dass sich Grüne und Jusos sowie die Mitläufergruppen überzeugend von ihrer Zusammenarbeit mit der kommunistischen Hochschulgruppe "Die Linke HSG" distanzieren, bevor sie sich noch weiter politisch und moralisch diskreditieren." Die Abweisung der Klage Heute, am 27. August, verkündete die Richterin in ihrem Zimmer das Urteil und weist die RCDS-Klage zurück. Den anderen Hochschulgruppen ist diese Aussage nicht verboten. Sie dürfen weiter sprechen "von der wiederholt sichtbar gewordenen fehlenden Distanz der Kieler RCDS zu Positionen, die im Umfeld von Neonazis und Unbelehrbaren gang und gäbe sind". Ob das das letzte Wort ist? Die Parteien warten jetzt auf die Begründung des Urteils. Der RCDS wird wahrscheinlich in Berufung gehen. Die nächste Klappe wird dann vor dem Landgericht fallen. Der Streit um rechte Parolen ist noch nicht vorbei.