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Willkommen in der Platte!

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"Viele Menschen schreckt die Idee ab, in einer Platte zu wohnen. So grau, so viel Beton. Ich habe vorher in einem Neubau gewohnt, da finde ich die Platte fast besser. Obwohl die Innengestaltung echt kompliziert war: Die Wände hier bestehen aus Stahlbeton, der für Grundrissänderungen mit riesigen Kreissägen aufgeschnitten werden musste. Wir können nicht mal einen normalen Nagel in die Wand hauen, weil die Wände so hart sind. Aber anders als in anderen Häusern haben wir hier Gestaltungsspielräume und können genau bestimmen, wie alles aussehen soll, von den Grundrissen der Wohnungen bis zum betonierten Hinterhof, den wir in einen grünen Garten verwandeln wollen. Ich finde, wir haben uns das hier schön gemacht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Man kann auch Plattenbauten lieben. Wirklich wahr.

Vor sechs Jahren hatte ich gemeinsam mit zehn bis 15 Freunden die Idee, ein Hausprojekt zu gründen. Wir wollten das als Gruppe aus Menschen machen, die Wohnen mit politischem Aktivismus verbindet. Uns war wichtig, in den Stadtteil reinzuwirken, zum Beispiel durch öffentliche Veranstaltungen zu Themen, die gerade im Kiez aktuell sind. Es war aber erst mal sehr schwierig, in Berlin ein geeignetes Haus zu finden. Die Lage auf dem Immobilien- und Mietmarkt war schon damals angespannt, da gab es in Innenstadtnähe nichts Bezahlbares. Der Großteil der Leute hat außerdem noch studiert oder war prekär beschäftigt, allein deshalb durfte es nicht die nächstbeste Villa sein.

"Das erste Mal habe ich mir die Platte zum Glück an einem sonnigen Tag angeschaut – da wirkte sie ganz freundlich"

Wir hatten von Anfang an die Idee, das alles zusammen mit dem Mietshäusersyndikat zu realisieren. Das ist eine Gesellschaft, die Häuser vom Immobilienmarkt in Gemeineigentum überführen will. Es geht darum, langfristig bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Zuerst haben wir einen Hausverein gegründet, dem alle zukünftigen Hausbewohnerinnen und -bewohner beigetreten sind. Der Hausverein und das Mietshäusersyndikat bilden zusammen eine GmbH. Das Mietshäusersyndikat kann zwar keine aktiven Entscheidungen zum Zusammenleben treffen, es müsste aber trotzdem mitentscheiden, falls der Hausverein das Haus verkaufen will – und da würde es nicht zustimmen, damit keine Profite mit den Häusern gemacht werden. Außerdem nimmt die GmbH Kredite von Banken und Privatpersonen auf und falls etwas schief geht, haften nicht Einzelne, sondern die GmbH. Das heißt auch, dass wir einen normalen MieterInnenstatus haben und unsere Miete an die GmbH zahlen. Mit der Nettokaltmiete von 4,73 € pro Quadratmeter bin ich zufrieden, das ist genau der Mietspiegel in Lichtenberg, und wegen den niedrigen Decken haben wir wenig Heizkosten.

Vor drei Jahren haben die Menschen vom Mietshäusersyndikat uns auf die Versteigerung dieser Platte aufmerksam gemacht und uns gefragt: Seid ihr in der Lage, ein Hausprojekt für etwa 60 Leute zu stemmen? Wir haben dann in unserem Freundes- und Bekanntenkreis zu einer Versammlung eingeladen und die Idee vorgestellt. Danach waren es schon über 60 Leute, die interessiert waren! Das erste Mal habe ich mir das Haus dann alleine und nur von außen angeguckt. Das war erst mal ziemlich riesig und ich habe kurz daran gezweifelt, ob wir das wirklich schaffen können. Zum Glück war es ein sonniger Tag und die Platte hat gar nicht so dramatisch und düster gewirkt, sondern ganz freundlich. Wir haben damit gerechnet, eine Million Euro für das Haus und nochmal eine halbe Million bis eine Million Euro für Baukosten zu zahlen. Das muss man sich schon zutrauen. Am Ende hat es etwas mehr gekostet als gedacht und es war viel mehr Arbeit. Der Kredit war aber kein Problem, den haben wir zum größten Teil von einer Bank bekommen, die inzwischen schon Erfahrung mit Hausprojekten hat.

>>> Wie es ist, von der Toilette aus Erich Mielkes ehemaliges Büro zu sehen, und wie die riesige Wohngemeinschaft das Zusammenleben organisiert


Wir sind dann aber in bürokratische Mühlen geraten, als wir das Haus von einem Bürogebäude zu einem Wohngebäude umwidmen wollten. Das hier ist ein ehemaliges Stasiareal und es war nicht klar, was damit passieren soll. Die BStU hatte zum Beispiel auch Interesse daran. Wir haben uns viel Mühe gegeben, die bürokratischen Prozesse zu beschleunigen, indem wir im Kiez und bei der Politik Werbung für uns gemacht haben, zum Beispiel bei der langen Nacht der Politik in Lichtenberg. In unserem Haus waren früher die Büros der zentralen Aufarbeitungs- und Informationsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit. Im Gebäude gegenüber hatte Erich Mielke sein Büro. Wir sind gerade dabei, uns mit der Geschichte des Hauses auseinanderzusetzen, um zu sehen, was hier genau entschieden wurde. Wir wollen uns auch mit ehemaligen DDR-Oppositionellen treffen, um das aufzuarbeiten. Manchmal ist das komisch, auf der Toilette zu sitzen und auf das Hauptgebäude eines ehemaligen Geheimdienstes zu schauen. Aber es ist auch eine gute Gelegenheit, sich mal mit diesem Teil der eigenen Geschichte zu beschäftigen.

"Wir sind ein lebendiges Beispiel dafür, wie sich ein großes Wohnhaus selbst organisieren kann"

Bauen war auch ein wichtiges Thema. Es hat etwa ein Jahr gedauert, bis wir das Gebäude von einem Büro- zu einem Wohngebäude umgebaut hatten und im Mai dann einziehen konnten. Wir mussten viele alte Sachen rausreißen und Elektronik auswechseln. Fußböden haben wir teilweise selbst verlegt und natürlich gespachtelt und gestrichen was das Zeug hält. Wir hätten nie gedacht, dass wir so viel Zeit in das Haus stecken werden. Es gab immer mal Momente, wo wir dachten, wir würden scheitern, bei der Umwidmung von Bürogebäude zum Wohngebäude zum Beispiel. Es war dann schon ein ziemliches Triumphgefühl, im Mai hier einzuziehen und endlich angekommen zu sein.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anna mag ihre Platte. Vor allem, wenn die Sonne draufscheint.

Was das Zusammenleben angeht, haben wir uns von Anfang an überlegt, dass wir Wohngruppen innerhalb des Hauses bilden, wie WGs eigentlich. Damit man nicht jeden Pups mit allen absprechen muss, entscheiden wir zuerst in den WGs und treffen uns dort regelmäßig. Alle hausübergreifenden Entscheidungen funktionieren mit einem Delegiertenprinzip, aus jeder WG wird eine Person entsendet. Und wir organisieren uns in verschiedene Arbeitsgruppen. Ich bin zum Beispiel in der Verwaltungs-AG und kümmere mich derzeit um die Mülltonnen: Wie groß müssen die sein? Wo kann ich die bestellen?

Ich finde es auch super, dass wir hier ein lebendiges Beispiel dafür sind, wie ein sehr großes Wohnhaus mit verschiedenen BewohnerInnen sich selbst organisieren kann, ganz ohne Vermieter und bezahlter Hausverwaltung. Bisher funktioniert das auch ganz gut. Letztes Wochenende hatten wir Hoffest. Das war total schön, alle zusammen zu sehen und sich ein bisschen feiern zu können. Das haben wir echt verdient."

Text: pia-rauschenberger - Fotos: oH; Collage: Daniela Rudolf

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