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Kommentar: Werden wir ohne Soldaten nie Fußball-Weltmeister?
Schon bald wird die große, bunte Fußballwelt „zu Gast bei Freunden“ sein – doch immer noch sträuben sich viele, die Gefahr zu sehen, die da auf uns zukommt: Lauter Fremde, teilweise maskiert oder vermummt, andere bis zur Unkenntlichkeit bunt angemalt. Dieser Gefahr muss Einhalt geboten werden: Durch auf-marsch-marsch – durch unsere Bundeswehr im Inneren. Wer unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen kann, darf in, vor und über deutschen Fußball-Stadien nicht fehlen! Man könnte fast den Eindruck gewinnen, ohne die Hilfe unserer Jungs und Mädels in Olivgrün werden unsere Klinsi-Jungs, seit neustem in aggressivem Rot, nie Weltmeister werden. Deutschland am Rand des Nervenzusammenbruchs? Als junger grüner Bundestagsabgeordneter im Innenausschuss habe ich mich daran gewöhnt, täglich mit neuen absurden Vorschlägen zur scheinbaren Verbesserung der Inneren Sicherheit konfrontiert zu werden. Aber manchmal bin ich mir nicht sicher, ob alle diese Vorschläge ernst gemeint sind – wie gerade bei der Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren, die momentan mit Sicht auf die Fußball-WM geführt wird. Vielleicht gibt Herr Schäuble nur gerne den Oberschutzmann, um bei seinen Leuten den Starken zu machen und das konservative Klientel zu bedienen. Und Herr Beckstein? Der zeigt, dass man in der Landesliga immer an der rechten Außenlinie kleben muss. Erst Polizeistellen in Massen reduzieren – und dann mit der Absage der WM drohen, wenn keine Militärs in Divisionsstärke die Kasernen verlassen dürfen. Das ist eindeutig Abseits. Ich finde diese Debatte politisch fatal. Politiker müssen auch an diesem Punkt ehrlich bleiben und den Menschen klar sagen: Anschläge lassen sich niemals ganz ausschließen. Für diese Erkenntnis genügt der gesunde Menschenverstand. Dennoch wird die Diskussion über Grenzen von Sicherheit und Freiheit immer wieder genutzt, um alte Forderungen der Konservativen doch durchzusetzen. Die Unions-Politiker entschärfen den unvermeidlichen Zielkonflikt zwischen Sicherheit und Freiheit nicht etwa, indem sie ihn wenigstens thematisieren – bei mir entsteht der Eindruck, dass sie diesen Konflikt anheizen wollen. Die Widerstände gegen den Einsatz der Bundeswehr im Inneren sollen gebrochen werden. Aus guten Gründen gibt es in der Bundesrepublik die Tradition der klaren Trennung der Aufgaben und Zuständigkeiten von Polizei und Bundeswehr. Die Soldatinnen und Soldaten sind nicht dazu ausgebildet, die Sicherheit von Sportveranstaltungen zu gewährleisten. Die Vorstellung, bewaffnete Soldaten und Wehrpflichtige könnten bei Großveranstaltungen in Auseinandersetzungen mit Unbewaffneten geraten, löst bei mir größte Besorgnis aus. Für die Sicherheit im Innern ist die Polizei zuständig. An bestimmten Stellen können und werden auch private Dienste eingesetzt werden. Die Sicherheit der Fußballweltmeisterschaft und ihrer Gäste ist im Rahmen der bestehenden Zuständigkeitsregelungen möglich. Zu Recht weisen die zuständigen Verantwortlichen für Polizeieinsätze bei der WM sowie viele Experten darauf hin, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen der Bundes- und Landespolizei für die Bewältigung der Aufgabe ausreichend sind. Aus Kapazitätsgründen hat die Bundeswehr die Bewachung ihrer Kasernen schon an private Unternehmen ausgelagert. Allein deshalb ist die Forderung nach einem Einsatz der Bundeswehr zum Schutz öffentlicher Einrichtungen und Gebäude einfach paradox. Wenn die Bundeswehr nicht ihre Kasernen selbst bewachen kann, wie soll sie dann andere öffentliche Gebäude sichern? Die Bundeswehr kann bei Katastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen im Rahmen der Amtshilfe eingesetzt werden. Das ist zum Beispiel beim Oderhochwasser 2002 geschehen und war auch vollkommen in Ordnung, hilfreich und ehrenwert – doch damit sollten wir es auch gut sein lassen. Wir erleben gegenwärtig eine fatale Demontage dessen, was als Menschenrechtsstandards mühsam erkämpft worden ist. Wir konnten bereits aus der Koalitionsvereinbarung herauslesen, dass mit der neuen Bundesregierung die Bürgerrechte weiterhin in Gefahr sind, einer vermeintlichen Sicherheit und dem Antiterrorkampf untergeordnet zu werden. Ich bin überzeugt, dass die Bekämpfung des Terrorismus nur mit den Mitteln des Rechtsstaates, im Einklang mit unserer Verfassung und dem internationalen Völkerrecht erfolgreich sein kann. Abkehr von Bürgerrechten, pauschale Verdächtigung gesellschaftlicher Minderheiten oder Militär im Inneren lehne ich ab. Sie sind kein sinnvoller Weg. Josef Winkler sitzt seit 2002 für die Grünen im Bundestag.