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Vergewaltigungsopfer auf dem Campus
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"Das hier geht jetzt im Moment auf dem Campus ab", schrieb Matthew Wright über das Foto, das er von der Northwestern University in Chicago postete. Mit "das hier" meinte Wright eine Studentin, die in einer großen Papp-Box sitzt. Sie scheint nicht viel geschlafen, dafür viel geweint haben. Sagt ihr Gesicht. Sie ist auf dem Campus vergewaltigt worden. Das sagt zumindest das Schild, das sie an der Vorderseite ihres Pakets angebracht hat. Und dass sie nun auch diejenige sein soll, die die Universität verlassen muss – nicht etwa derjenige, der ihr das angetan hat. Das ist ihre Version der Geschichte, die Informationen um die Aktion herum sind noch sehr dünn.
Wer die Frau ist, ist noch unbekannt. Auch, ob ihre Vorwürfe tatsächlich so stimmen, ließ sich bislang nicht verifizieren. Das Portal The Daily Dot berichtet, Versuche, Wright oder das Mädchen zu kontaktieren, seien bisher gescheitert. Auch unsere Anfragen hatten noch keinen Erfolg. Seitens der Uni gab es nur eine unkonkrete Reaktion: Ein Sprecher habe lediglich bestätigt, dass der Vorfall wie von Wright beschrieben stattgefunden habe. Weitere Details habe er aber nicht genannt, schreibt The Daily Dot.
So oder so hat Wright, dessen Foto innerhalb eines Tages mehr als tausend Mal geteilt wurde, die Debatte über Vergewaltigungen an US-Unis wieder angestoßen. Er schreibt, das Mädchen in der Box sei über den Campus gelaufen und nur angeguckt, aber nicht weiter angesprochen worden. "Das geht mehr Leute an, als man denkt. Ob die Opfer sich dazu entschließen, den Mund aufzumachen oder nicht." Wright wirft seiner Uni vor, nicht angemessen auf die Box-Aktion zu reagieren.
Die Facebook-Kommentare zu dem Bild reichen nun von Ekel ("I'm so disgusted") über Beileidsbekundungen und Hilfsangebote ("Does she have somewhere to stay??? I don't know her, but I have a couch. Let her know.") bis zu Beschimpfungen der Uni-Verantwortlichen ("Shame on you NORTHWESTERN UNIVERSITY!!!!!"). Und wie immer, wenn das Netz (oder die Welt) eine Diskussion führt, für die die Informationen noch nicht ausreichen, werden auch Zweifel und unverholene Gegenvorwürfe gepostet: Unter der Einleitung, er "beiße an" und spiele "den Advokat des Teufels", fragt ein User etwa, ob sie auch Anklage erhoben habe, im Krankenhaus war und ob es dementsprechend eine Akte zu dem Fall gebe.
Das alles erinnert stark an den Fall der New Yorker Kunststudentin Emma Sulkowicz, die 2014 eine Matratze auf dem Campus der Columbia mit sich rumtrug. Auf einer solchen sei sie vergewaltigt worden, behauptete Sulkowicz, der mutmaßliche Täter Paul Nungeßer widersprach öffentlich. Keiner der beiden wurde die Vorwürfe des anderen wieder los. Sulkowicz bleibt "das Matratzenmädchen", Nungeßers Ruf ist ruiniert.
Am Ende muss man deshalb wohl sagen: Für die junge Frau im Karton auf dem Campus von Chicago ist es gut, dass bisher so wenig über sie bekannt ist. Gleiches gilt für ihren mutmaßlichen Vergewaltiger. Und, egal wie viele Details nun rauskommen: Von den vielen Kommentatoren im Internet wird am Ende niemand die Wahrheit erfahren. Die hat sich nämlich nur zwischen den beiden Betroffenen abgespielt. Und weil das so ist, hilft es niemandem, die Menschen zu verdächtigen oder zu beleidigen. Sondern sich nur wieder daran zu erinnern: Vergewaltigungen existieren, genau so wie falsche Unterstellungen. In dieser Hinsicht kann man die Perfomance der jungen Frau im Pappkarton also vielleicht als geglückt bezeichnen.
max/biaz/cha