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"Seid nicht traurig, ich bin glücklich und tanze!"

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Eigentlich ist das Phänomen so eine Art Taschenspielertrick in der Literatur: Der Hauptheld, aktuell in einer lebensbedrohlichen Lage, verfasst ein Schreiben, das mit dem Satz "Wenn ihr diese Zeilen lest, bedeutet das, dass ich nicht mehr bin" beginnt. Danach folgen dann, je nach Genre, große Offenbarungen, schmutzige Geheimnisse, ein Testament und oft auch einfach alles zusammen. Und: Natürlich werden diese Botschaften im Laufe des Buches immer gefunden, auch wenn der Hauptheld überlebt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Vielleicht kannte Emily Philipps diesen Trick, vielleicht misstraute sie auch einfach nur ihrer Familie. Auf jeden Fall hat die im Mai verstorbene 69-jährige Amerikanerin es geschafft, dass ihr selbstgeschriebener Nachruf momentan viral geht - wenn auch leider unter einem anderen Namen.

Ihr Nachruf beginnt mit den Worten

"It pains me to admit it, but apparently, I have passed away",

was an sich schon ein tragikomischer Satz ist. In den folgenden Zeilen entspinnt sich dann die sehr schöne Lebensgeschichte von Emily Philipps. Keine "Sie war eine bewundernswerte Frau"-Floskeln, sondern ganz konkret. Sie erzählt, wie in ihrer Kindheit die Mutter ein Huhn tötete, damit sie einen Sonntagsbraten essen konnten. Wie sie 1967 den Mann ihrer Träume heiraten durfte ("groß, dunkel, gutaussehend") und sie zwei Kinder bekamen. Wie sie schließlich Großmutter wurde. Ein "normales" Leben, würden viele sagen. Auch Philipps weiß das. Aber trotzdem zeigt sie auf charmante Weise den tieferen Sinn auf. Sie schreibt:

"So, I was born; I blinked; and it was over. No buildings named after me; no monuments erected in my honor"

um dann im Anschluss direkt zu sagen:

"But, I DID have the chance to know and love each and every friend as well as all my family members. How much more blessed can a person be?"

Die Geschichte könnte hier zu Ende sein. Aber das ist sie nicht. Genau dieser Nachruf verbreitet sich nämlich gerade rasant im Netz. Aber nicht unter dem Namen Emily Philipps sondern, leicht abgeändert, als Nachruf der 104-jährigen Dorothy McElhaney. Die ist Anfang August gestorben und ihre Tochter hat kurzerhand den Nachruf von Emiliy Philipps abgekupfert und auf das Leben ihrer Mutter angepasst. Mittlerweile hat sie sich dafür entschuldigt, aber zu spät - wie immer bei solchen Fällen ist es dem Internet ziemlich wurscht, wie genau die Geschichte eigentlich ablief. Hauptsache, sie klingt gut. Und 104 ist vermutlich eindrucksvoller als 69.

Deshalb teilen nun alle weiterhin den Nachruf dieser uralt gewordenen Frau. Freuen sich, dass er voller echter Lebensweisheit ist. Keine Postkarte, auf die mit Comic Sans "Tanze nicht dein Leben sondern Lebe deinen Traum" geschrieben wurde. Kein "Carpe Diem", tätowiert unter der Brust. Sondern ehrliche Sätze wie:

"I'll leave you with this, please don't cry because I'm gone; instead be happy that I was here (or maybe you can cry a little bit. After all, I have passed away). Today I am happy and I am dancing."

Schade allerdings, dass McElhaneys Tocher sich hier dann doch nicht ganz genau an den Wortlaut von Emily Philipps gehalten hat. Bei der hatte dieser Satz noch eine interessante kleine Wendung. Sie schrieb: "Today I am happy and I am dancing. Probably naked."

Das wäre für eine 104-Jährige dann doch zuviel.

charlotte-haunhorst 

Text: jetzt-redaktion - Bild: photocase.com / lisaschätzle

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